Aufnahme einer jungen Krankenpflegerin mit einem älteren Patienten

Pflegeberufe: Kein "Pflexit" wegen der Pandemie

Stand: 04.12.2023, 15:00 Uhr

NRW-Gesundheitsminister Laumann hat neue Zahlen zu Pflege- und Gesundheitsberufen vorgestellt. Sie belegen viele gute Entwicklungen - doch unterm Strich bleibt ein Mangel.

NRW-Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat am Montag in Düsseldorf aktuelle Zahlen zur Pflege und weiteren Berufen im Gesundheitsbereich vorgestellt. "Landesberichterstattung Gesundheitsberufe" heißt eine Studie, die alle zwei Jahre im Auftrag des Ministeriums verfasst wird. Die Kurzfassung der aktuellen 400-seitigen Studie lautet in den Worten von Laumann: "Da ist sehr viel Licht und die ein oder andere Schattenseite."

Studienleiter Michael Isfort stellte erfreut fest, dass es trotz der Corona-Pandemie "keine Flucht aus den Pflegeberufen in NRW", gegeben habe. Der befürchtete "Pflexit" sei ausgeblieben. Zwar habe man Reduktionen der Arbeitszeiten bei Pflegekräften verzeichnet, beispielsweise von 100 auf 80 Prozent. Aber das halte sich die Waage mit denen, die in der Pandemie ihre Arbeitszeit aufgestockt hätten.

In NRW steigen bald mehr Pflegekräfte in den Beruf ein als in Rente gehen

WDR Studios NRW 04.12.2023 00:21 Min. Verfügbar bis 11.12.2025 WDR Online


Laumann: Pflege attraktivster Ausbildungsberuf in NRW

Die Pflege sei der attraktivste Ausbildungsberuf in NRW, sagte Laumann: Zwischen 15.000 und 17.000 jungen Menschen würden jährlich in diesem Bereich eine Ausbildung beginnen. Bei allen Handwerksberufen zusammen seien es lediglich 29.000.

Auch bei den Therapieberufen sei ein starker Anstieg von Ausbildungen festzustellen. Die Schulgeldfreiheit in diesen Berufen habe zwischen 2018 und 2022 zu folgenden Zuwächsen geführt: in der Logopädie um 35 Prozent, in der Physiotherapie um 60 Prozent und in der Ergotherapie um 86 Prozent. Aber trotz dieses Anstiegs, so Studienleiter Isfort, bleibe der "Nachfragedruck" von Seiten behandlungsbedürftiger Patientinnen und Patienten weiterhin hoch.

Die Quote von Abbrüchen in den Gesundheitsberufen liegt mit 25 Prozent sogar knapp unter dem Bundesdurchschnitt für alle Berufe mit dualer Ausbildung, der bei 27 Prozent liegt. Dass die Quote generell so hoch liegt, erklärt Laumann damit, dass ein Wechsel für Azubis in einen anderen Beruf heutzutage leichter sei und sich mehr Alternativen böten. Der Minister warb für den Pflegeberuf: "Die Arbeit in der Pflege ist nicht nur sinnstiftend und von enormer Bedeutung für die Gesellschaft. Sie bietet jungen Menschen auch eine hohe Jobsicherheit."

Demografisches Problem bleibt

Aktuell gebe es in der Pflege 7.300 offene Stellen in Nordrhein-Westfalen. Zugleich, so Isfort, treten pro Jahr rund 8.600 ausgebildete Fachkräfte pro Jahr in den Arbeitsmarkt ein. Wegen der demografischen Entwicklung reiche es jedoch nicht aus, Fachkräfte im Beruf zu halten oder diejenigen, die in Rente gehen, eins zu eins zu ersetzen. Unterm Strich bleibe dennoch ein Mangel.

Michael Isfort erklärte, 30 Prozent der Pflegekräfte seien aktuell über 50 Jahre alt. Das bedeute zwar, dass es "viele hocherfahrene Pflegekräfte" gebe, aber 2028 würden beispielsweise 6.100 von ihnen in Rente gehen. Ein echter Strukturausbau sei angesichts der aktuellen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht möglich. Und Karl-Josef Laumann ergänzte, zur demografischen Herausforderung gehöre nicht nur der Renteneintritt von Pflegekräften, sondern auch der Mehrbedarf an Pflege in den kommenden Jahren.

Fachkräfte aus dem Ausland

Schon seit vielen Jahren bemühen sich darum Krankenhäuser und Praxen um ausländische Fachkräfte. NRW könnte in diesem Bereich erfolgreicher sein: In einem Länderranking belegt das bevölkerungsreichste Bundesland nur den dritten Platz hinter Baden-Württemberg und Bayern. "Da müssen wir dran arbeiten und zusehen, dass wir die Zahl nach oben kriegen", stellte Laumann fest. Der Minister empfahl Einrichtungen, stärker Vermittlungsagenturen einzuschalten, die "sehr professionell" arbeiteten. Und Michael Isfort erinnerte an die Möglichkeit von Ausbildungsvisa, um angehende ausländische Fachkräfte zu gewinnen.

Laumann: Pflege neu denken

Um grundsätzlich das Problem des Pflegenotstands anzugehen, regte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann an, die Pflege "neu zu denken". Als die Pflegeversicherung 1993 eingeführt worden sei, habe man möglichst viele sozialversicherungspflichtige Jobs schaffen wollen. Doch heute gehe es vielmehr um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Professionelle Pflegedienste würden deutlich höhere Kosten verursachen als die Pflege durch Angehörige. "Warum soll einer, der Zuhause alles selber macht, weniger Geld gekommen?", fragte der Minister. Darüber müsse in den nächsten Jahren diskutiert werden.

Hintergrund Landesberichterstattung Gesundheitsberufe

Seit rund 20 Jahren liefert die Landesberichterstattung Gesundheitsberufe (LbG) NRW Daten zur Ausbildungs- und Beschäftigungssituation und zum Fachkräftebedarf in den Pflege- und Gesundheitsberufen. An der diesjährigen Erhebung waren alle ambulanten Dienste, teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Vorsorge- und Reha-Einrichtungen sowie Fachschulen des Gesundheitswesens beteiligt.