Alte Akten von Fällen von Gewaltverbrechen stapeln sich bei der Kripo Köln

Cold Cases: Wie 28 Rentner-Cops hunderte Fälle neu aufrollten

Stand: 02.05.2023, 17:33 Uhr

Über 1.000 nicht geklärte Todesfälle gab es zwischen 1970 und 2015 in NRW. In etwa der Hälfte dieser "Cold Cases" konnte jetzt nach neuen Ansätzen gesucht werden. Dafür bildete das LKA eine Sondereinheit - aus pensionierten Kriminalisten.

Von Torsten ReschkeTorsten Reschke

Die 16-jährige Seckin Caglar stieg an einer Haltestelle in Köln-Poll aus der S-Bahn. Bis nach Hause musste sie nur wenige hundert Meter gehen. Doch dort kam sie nie an. Heute weiß man: Die junge Frau wurde innerhalb nur weniger Minuten überwältigt, vergewaltigt und ermordet. Ihre Leiche fand man einen Tag später hinter einem Gebüsch ganz in der Nähe. 32 Jahre ist das nun her. Den Täter sucht die Polizei immer noch.

Nun aber könnte Bewegung in den alten Fall kommen. Die Kripo Köln hat alle jungen Männer zu einer DNA-Abgabe aufgefordert, die damals in der Nähe des Tatort wohnten. Denn der Täter hinterließ eine Blutspur, die mit der heute aktuellen Technik genauer analysiert werden konnte.

Pensionierte Kriminalbeamte rollen Fälle wieder auf

Der Fall Seckin Caglar ist einer von knapp 500 "Cold Cases", die jetzt in einer landesweiten Datenbank zusammengeführt sind. 28 pensionierte Kriminalbeamte haben die alten Akten in den vergangenen eineinhalb Jahren noch einmal gründlich gelesen und in rund 70 % der Fälle neue Ermittlungsansätze gefunden. Diese Fälle gaben sie zur Weiterbearbeitung an die zuständigen Polizeibehörden im Land weiter. Zuerst aber mussten die alten, staubigen Akten digitalisiert werden, insgesamt 1,2 Millionen Blatt Papier.

Damit leisteten die Pensionäre eine wichtige Vorarbeit, Rentner-Cops nannten sie sie sich selbst scherzhaft. Die eigentliche Ermittlung aber findet weiter in den Mordkommissionen statt. Die haben allerdings oft weder Zeit noch Personal, um sich mit diesen Alt-Fällen zu beschäftigen. Innenminister Herbert Reul wertet das Projekt deshalb als Erfolg. "Die Fälle wären sonst nicht nochmal bearbeitet worden und die Akten in den Schränken liegen geblieben."

Tatsächlich konnten sechs Cold Cases mit Hilfe der ehemaligen Kriminalbeamten aufgeklärt werden. Zwei in Köln und jeweils einer in Bonn, Düsseldorf und Bielefeld. Der sechste Fall war eigentlich noch nicht zur Veröffentlichung bestimmt, Innenminister Herbert Reul hat sich aber verplappert und einen weiteren Erfolg vermeldet. Details wollte er dann aber nicht nennen.

Ein Fall war Raubmord aus dem Jahr 1987. Der damals etwa 20-jährige Täter hatte sein Opfer mit einem Pokal in dessen Wohnung erschlagen. Dieser Pokal wurde nun mit neuen Methoden auf DNA-Spuren untersucht. Und tatsächlich führten sie zu einem heute 56-jährigen Mann, der inzwischen vor Gericht steht.

Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht Cold-Cases Projekt kritisch

Die erste Phase des Projekts beim LKA wird nun zwar beendet, der Aufbau der Datenbank aus den Altakten war der entscheidende Teil. Doch Innenminister Reul will, dass die pensionierten Beamten in einer zweiten Phase weiter dabei helfen, Cold Cases aufzuklären. Sie sollen die einzelnen Mordkommissionen in den Polizeibehörden jetzt direkt unterstützen. Es hänge aber davon, welche Behörde Unerstützung brauche und ob die jetzt eingesetzten Pensionäre bereit seien, weiterzumachen, sagt Reul. Deshalb sei auch noch nicht absehbar, wie teuer die weitere Hilfe durch die Rentner-Cops werden wird.

Im Fall Seckin Caglar hoffen die Ermittler in Köln jetzt durch die DNA-Reihenuntersuchung auf einen Durchbruch der Ermittlungen, ob mit oder ohne weitere Unterstützung. Damit würde man nicht nur die Aufklärungsquote verbessern, sondern das sei man auch den Hinterbliebenen der Opfer schuldig.