Ein Mitarbeiter reinigt im Stahlwerk eine Roheisenpfanne.

Kommentar: Industriestrom wäre teuer und ungerecht

Stand: 25.08.2023, 16:12 Uhr

Das Signal aus dem NRW-Landtag ist klar: CDU, Grüne und SPD wollen billigen Strom für die Industrie im Land. Aber ist das wirklich eine gute Idee? Ein Kommentar.

Von Landespolitik-Redakteur Wolfgang OttoWolfgang Otto

CDU und Grüne haben heute ein starkes Signal aus dem Düsseldorfer Landtag an die Bundesregierung in Berlin gesendet: NRW will den Industriestrompreis. Auch die SPD will ihn. Der Chef der SPD-Fraktion im Landtag, Jochen Ott, hat heute versprochen: Der Kanzler will ihn auch. Scholz weiß vermutlich noch nichts davon, aber die SPD aus NRW versprühte heute Optimismus, dass es eine Einigung geben werde.

Viele helfen wenigen

Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto

Wolfgang Otto, WDR Landespolitik

Gut möglich ist also, dass sich die energieintensive Industrie in NRW bald über Milliarden-Hilfen aus der Staatskasse freuen darf. Doch für den Rest der Republik wäre das keine gute Nachricht. Denn der große Rest wird die Begünstigung der Wenigen bezahlen müssen. Aus guten Gründen waren die Vertreter der kleineren Unternehmen und der Handwerkerschaft bisher gegen den Industriestrompreis. Es klingt absurd, aber gerade diejenigen, die vergleichsweise wenig Strom verbrauchen, sollen den industriellen Großverbrauchern unter die Arme greifen.

Hilfe auf Pump

Das Geld sei doch da, sagt die grüne Wirtschaftsministerin aus NRW, Mona Neubaur. Ja, es ist da - als Kredit von der Bank, für den alle Steuerzahler aufkommen müssen. Von 30 Milliarden Euro ist die Rede.

Der Industrie-Strompreis ist also extrem teuer und ungerecht. Aber schlimmer noch ist: Er verzögert die Energiewende in Deutschland. Die künstlich gesenkten Preise nehmen Druck von den Industriebetrieben, auf Sonne, Wind und Wasserstoff umzusteigen. Auch die Abwanderung von Betrieben der Chemie-, Stahl-, Papier- und Aluminium-Industrie wird der Brücken-Preis nicht verhindern. Konzerne kalkulieren langfristig und da bleibt die Unsicherheit, was nach dem Industriestrompreis in Deutschland kommen wird.

Schlechtes Vorbild für die Welt

Besser wäre es deshalb das Geld in Projekte zum Ausbau der Sonnen- und Windkraft zu stecken. Da werden die Milliarden dringend gebraucht. Und nur da entsteht eine Perspektive auf dauerhaft günstigen Strom.

Beim Weg weg vom CO2 will Deutschland Vorbild sein für alle anderen Länder. Aber was für ein Vorbild soll das sein, wenn der Umbau der Industrie nur gegen extrem hohe Hilfs-Gelder aus der Staatskasse zu haben ist? Für die meisten Länder wäre das ein abschreckendes Beispiel, weil sie so viel Geld gar nicht zur Verfügung haben.

Der Industriestrompreis ist ungerecht, extrem teuer, hilft nur wenigen und das allenfalls auf kurze Frist. Er sollte in der Schublade verschwinden, aus der er gekommen ist. Die Energiewende wird so schon teuer genug.

Über das Thema berichtet der WDR am 25.08.23 u.a. im Westblick auf WDR 5.

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