Wer die Warnapp Nina auf seinem Handy hat, findet dort seit einiger Zeit auch allerlei Hinweise, was in besonderen Situationen zu tun ist. Nicht nur im Fall von Hochwasser, Unwetter oder Feuer - auch zum Beispiel bei einem Raketeneinschlag oder bei einem terroristischen Anschlag. Manchen irritiert das - lebten wir doch in Deutschland bislang in einer Weltregion, die viele Jahrzehnte lang relativ verschont war von größeren Naturkatastrophen, wie auch von kriegerischen Ereignissen.
Gefährliche Krisensituationen selten in Deutschland
Und doch gibt es Krisensituationen hierzulande: Amokläufe hat es in Deutschland vereinzelt bereits gegeben, die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2021 forderte dutzende Menschenleben, zuletzt im Winter 2023 sorgten Starkregenereignisse für Zerstörungen in vielen Regionen NRWs. Laut Umweltministerium besteht in NRW auf einer Gesamtlänge von 6.000 Kilometern an 438 Gewässern ein "signifikantes Hochwasserrisiko".
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte vor einigen Tagen Aufsehen erregt als sie anregte, an Schulen Zivilschutzübungen Schulen abzuhalten - allerdings konkret vor dem Hintergrund von Russlands Krieg gegen die Ukraine. Dazu solle die Bundeswehr verstärkt an Schulen gehen. In Großbritannien, so sagte Stark-Watzinger, würden Kinder in Schulen längst auch den Ernstfall proben.
Grüne: "Wissen kann Leben retten"
"Keine Panikmache": Grüne Julia Höller
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, Julia Höller, hält diesen Ansatz für "verkürzt". Anstatt mit Schülern nur über Kriegsszenarien zu reden, sollte der Katastrophenschutz generell zum Thema an Schulen werden, erklärte sie am Freitag dem WDR. Dazu gehörten vor allem auch Naturkatastrophen. "Vom Stromausfall über das Erkennen von Sirenenwarntönen bis zum Hochwasser" könne man Kindern und Jugendlichen in der "sicheren Umgebung" der Schule ruhig vermitteln, wie man sich in verschiedenen Gefahrensituationen verhält: "Wie gerate ich nicht in Panik? Wie suche ich einen geeigneten Schutzraum auf?"
Es gehe ihr dabei nicht um Angst- oder Panikmache, betonte Höller. Vielmehr könne solches Wissen Leben retten - das habe auch die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal gezeigt, die viele Menschen völlig unvorbereitet getroffen hatte.
Zur Umsetzung ihrer Idee hat Höller allerdings noch keine Vorschläge. "Die konkrete Ausgestaltung muss gemeinsam mit dem pädagogischen Fachpersonal erarbeitet werden", sagt sie. Die Feuerwehren oder das Technische Hilfswerk beispielsweise machten hervorragende Jugendarbeit.
CDU will "Blaulichttage"
Gewalt gegen Einsatzkräfte
Rückenwind bekommt die Grüne dabei vom Koalitionspartner CDU. Eine Beschränkung auf Besuche der Bundeswehr an den Schulen sei "noch nicht einmal ansatzweise ausreichend, um bei jungen Menschen ein nachhaltiges staatliches Resilienzverständnis" zu erzeugen, sagt der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christos Katzidis. Er möchte die Gelegenheit nutzen, ein weiteres Anliegen mit der Idee der Grünen zu verbinden: Das Thema Katastrophenschutz könne man gleich mit der Werbung für "staatliche Sicherheitsaufgaben" zu verbinden, "insbesondere auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewalt gegen Staatsbedienstete".
Bei der CDU würde das Ganze dann "Blaulichttage" in Schulen heißen, "denkbar wäre auch die Durchführung von Katastrophenschutzwochen in Schulen unter Einbindung aller Blaulichtorganisationen".
SPD: Grüne wollen von katastrophaler Bildungssituation ablenken
Von einem "Ablenkungsmanöver" der Grünen spricht dagegen der SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott - und holt auf WDR-Anfrage direkt zu einem Rundumschlag gegen die aktuelle Schulpolitik der Landesregierung aus: "Natürlich" könne der Zivilschutz in Schulprojektwochen "im Sinne der Allgemeinbildung eine Rolle spielen".
Schüler wüchsen gerade in einer Zeit großer Krisen auf, "die unsere Gesellschaft und unsere Demokratie betreffen". Gleichzeitig verschlechtere sich das Bildungssystem immer weiter und werde den großen Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gerecht. Der Vorschlag der "grünen Kollegin" sei daher nichts weiter als der Versuch, von der "katastrophalen Situation, in der die Bildung in NRW leider steckt", abzulenken, so Ott.
Was sagt die Schulministerin?
NRW-Schulministerin Dorothee Feller bleibt auf WDR-Anfrage unkonkret: Man sei "immer bereit für mögliche Optimierungen", allerdings seien "Krisen und Kriege dieser Welt" im Unterricht in NRW-Schulen als Thema ohnehin bereits "fest verankert". Sowohl Lehrkräfte als auch Schüler setzten sich umfassend damit auseinander. Außerdem verwies das Ministerium auf die Teilnahme der Schulen an den regelmäßigen Warntagen.
Allen Schulen stehe ein "Notfallordner" zur Verfügung, der wichtige Handlungsempfehlungen für verschiedene schulische Krisen enthalte - und neuerdings auch "Informationen zur Prävention und Vorsorge".
Quellen:
- WDR-eigene Interviews
- Umweltministerium NRW
- dpa