Pflegekraft und Bewohner:in in einem Pflegeheim

Geteiltes Echo auf Laumanns Pflegevollversicherung

Stand: 14.08.2023, 17:28 Uhr

Als Reaktion auf die massiv steigenden Pflegekosten hat NRW-Gesundheitsminister Laumann eine Vollversicherung vorgeschlagen. Was genau ist damit gemeint? Und was sagen die anderen Parteien?

Von Nina Magoley

Viele Menschen, die in Pflegeheimen leben, bekommen finanzielle Probleme: Um bis zu 300 Euro sind die monatlichen Kosten für eine Unterbringung gestiegen. Seit vergangenem September sind die Löhne für Pflegepersonal tariflich festgelegt, auch Inflation und gestiegene Energiekosten schlagen zu Buche.

Im Durchschnitt 2.858 Euro zahlen Bewohner für einen Heimplatz in NRW pro Monat- so viel, wie in kaum einem anderen Bundesland. Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums sind von den rund 170.000 Pflegeheimbewohnern in NRW etwa 70.000 auf Grundsicherung angewiesen. Wer die Heimkosten nicht mehr stemmen kann, hat in NRW die Möglichkeit, Pflegewohngeld zu beantragen - einen Mietzuschuss in Höhe von knapp 500 Euro.

Laumann: "Man kann Pflege nicht billig machen"

80 Prozent der Kosten für einen Heimplatz seien Personalkosten, sagt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Pflege, die fair bezahlt wird, sei eine menschliche Dienstleistung und werde "immer teuer sein", so der Minister - "man kann Pflege nicht billig machen". Gleichzeitig müsse aber eine würdige Versorgung auch derjenigen, die ihre letzten Lebensjahre im Heim verbringen, sichergestellt sein.

Im WDR-Interview plädierte Laumann daher dafür, dass die "pflegebedingten Personalkosten" von der Pflegeversicherung abgedeckt sein müssten: Nämlich der "Kostenblock", der die unmittelbare menschliche Versorgung abdecke - also Waschen, Füttern, aber auch persönliche Ansprache und soziale Teilhabe.

NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU)

Pflegevollversicherung light: Gesundheitsminister Laumann

Die Kosten für Miete, Essen oder Instandhaltung des Hauses dagegen könnten auch weiterhin von den Bewohner selber bezahlt werden - das sei ja vor dem Einzug ins Heim auch so gewesen, so Laumann im WDR-Interview. Eine "Pflegevollversicherung" light sozusagen.

Die Pflegeversicherung sei aber "keine Erbschaftsschutzversicherung", sagt Laumann. Zu diskutieren sei die Frage: "Wollen wir immer mehr staatliche Leistung aufbringen, um Vermögen zu schützen?" Vielmehr gelte: "Wenn man alt ist, muss man das, was man selber leisten kann, einbringen. Und wenn man selber kein Geld mehr hat, dann greift der Staat und sorgt dafür, dass ich genauso gut versorgt werde, wie alle anderen."

Gestiegene Pflegekosten: Laumann für Vollversicherung

WDR 5 Westblick - aktuell 14.08.2023 05:06 Min. Verfügbar bis 13.08.2024 WDR 5


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Was würde so eine Vollversicherung kosten?

Seit dem 1. Juli 2023 liegt der Anteil, den jeder zur Pflegeversicherung beiträgt, bei 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens. Kinderlose zahlen 4 Prozent, Erwachsene mit mehreren Kindern unter 25 erhalten einen Abschlag.

Auf Anfrage sagt das Gesundheitsministerium NRW, man schätze die Mehrkosten für eine Pflegeversicherung, die die stationären Pflegekosten voll abdeckt, auf etwa 8,5 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: 0,1 Beitragspunkte in der Pflegeversicherung entsprechen derzeit rund 1,7 Milliarden Einnahmen. 8,5 Milliarden plus wäre eine Steigerung von 0,5 Beitragspunkten.

Pflegekosten weiter gestiegen - besonders in NRW

WDR Studios NRW 18.07.2023 00:57 Min. Verfügbar bis 25.07.2025 WDR Online


CDU dafür, Grüne kritisch

Aus seiner eigenen Partei bekommen Laumann Rückendeckung für seine Idee der partiellen Pflegevollversicherung. "Die CDU-Fraktion im Landtag unterstützt diese Idee und wird sich in dieser Diskussion, auch wenn es sich um eine Bundesangelegenheit handelt, konstruktiv einbringen", sagt Marco Schmitz, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Angesichts immer größerer Belastungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sei eine Änderung der bisherigen Finanzierung notwendig.

Mehrdad Mostofizadeh

Mostofizadeh: Besservedienende stärker beteiligen

Die Grüne Landtagsfraktion dagegen, immerhin als Koalitionspartner in der Landesregierung, ist kritisch: Laumann habe Recht - fair bezahlte Pflege habe ihren Preis, sagt Mehrdad Mostofizadeh, Sprecher der Grünen für Pflege. Allerdings bleibe der Minister die konkrete Antwort zur Finanzierung schuldig. Die Grünen forderten schon seit Jahren "eine steuerfinanzierte doppelte Pflegegarantie mit gedeckelten Eigenanteilen, die Menschen mit durchschnittlichem Einkommen vor stark steigenden Beiträgen schützt und Besserverdienende stärker beteiligt".

Die Frage nach der Finanzierbarkeit einer Vollversicherung für Pflegeleistungen stellt auch die AfD. Laumann müsse "erklären, woher das Geld kommen soll", sagt der Abgeordnete Martin Vincentz: Will er die Pflegeversicherungsbeiträge verdoppeln? Möchte er massiv mit Steuern bezuschussen und weitere Steuererhöhungen ankündigen? Beim Faktor Energiekosten, der ebenfalls zur Verteuerung der Heimpflege führt, verweist Vincentz auf Laumanns grüne Koalitionspartner, die die CO2-Abgaben erhöhen wollten. "Seriös ist diese wohlklingende Ankündigung nicht."

SPD: Pflegevollversicherung wirkt erst in zehn Jahren

Die SPD im NRW-Landtag hält Laumanns Vorschlag für Augenwischerei: Eine Pflegevollversicherung habe erst in zehn Jahren Auswirkungen, sagt der gesundheitspolitische Sprecher Thorsten Klute. Dringend gebraucht aber würden "kurzfristige Maßnahmen, die schnell greifen". Das Land müsse besonders bei den Investitionskosten der Pflegeheime übernehmen. "Stattdessen werden die steigenden Kosten aber immer weiter auf die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen abgewälzt", so Klute.

Die Landesregierung ignoriere "die katastrophale Situation in NRW" und habe im Haushalt für 2024 sogar weniger Landesgeld für die Pflege bereitgestellt. Um Lösungsvorschläge zu entwickeln, habe die SPD nun die Trägerorganisationen und Fachverbände der Pflege in NRW zu einem "Pflegegipfel" eingeladen.

Die FDP setzt vor allem auf Eigenvorsorge: Die Pläne von Minister Laumann würden zu einer deutlichen Beitragssteigerung führen und so "die Wettbewerbsfähigkeit von Arbeitsplätzen in Deutschland noch stärker gefährden", sagt Gesundheitssprecherin Susanne Schneider. Mehr Sinn sieht die FDP in einem Umsteuern: "Mit freiwilligen betrieblichen und privaten Pflegezusatzversicherungen könnten Pflegekosten ausgeglichen werden."