Dunkelfeldstudie zu Antisemitismus in NRW

Stand: 11.10.2022, 14:46 Uhr

Wie verbreitet sind antisemitische Vorurteile und Ressentiments in der Gesellschaft? Das Land NRW startet zu diesen Fragen eine sogenannte Dunkelfeldstudie - und hofft auf neue Erkenntnisse.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Das Land NRW will wirksamere Strategien gegen Antisemitismus entwickeln. Dafür hat die Landesregierung eine sogenannte Dunkelfeld-Studie in Auftrag gegeben, die die Verbreitung antisemitischer Vorurteile und gefühlsbedingter Vorbehalte in der nordrhein-westfälischen Gesellschaft erhellen soll.

Aus den Ergebnissen sollen dann Handlungsempfehlungen für die Arbeit der NRW-Antisemitismusbeauftragten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Landesregierung entwickelt werden, die eine gezieltere Präventionsarbeit ermöglichen. Partner des Projektes sind neben der Antisemitismusbeauftragten auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Wissenschaftler der Universitäten Düsseldorf und Passau.

Leutheusser-Schnarrenberger hofft auf "umfassenderen Einblick"

Leutheusser-Schnarrenberger bei einer PK in Düsseldorf

Leutheusser-Schnarrenberger: "Antisemitismus alltäglich da"

"Der Antisemitismus ist nach wie vor alltäglich da", betonte Leutheusser-Schnarrenberger bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. Aus der statistischen Erfassung von Straftaten und Vorfällen mit antisemitischem Hintergrund könnten nur "in einem gewissen Rahmen" Rückschlüsse auf die Verbreitung von antisemitischen Vorurteilen und Ressentiments gezogen werden. "Wir brauchen einen umfassenderen Einblick, und deshalb soll die Datenbasis mit der Studie erweitert werden", so die Antisemitismusbeauftragte.

Auch Verena Schäffer, Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, begrüßte in einem schriftlichen Statement den Start der neuen Studie: "Ich erhoffe mir von der heute vereinbarten Dunkelfeldstudie vertiefte Erkenntnisse über die Dimensionen des Antisemitismus in NRW, die in der Präventionsarbeit genutzt werden können."

Reul: "Auch Bekämpfung anderer Formen von Extremismus"

"Wer Antisemitismus erfolgreich bekämpfen will, muss das Problem aus verschiedenen Perspektiven unter die Lupe nehmen", betonte Innenminister Herbert Reul (CDU).  "Wir hoffen mit der Studie außerdem, neue Ansätze und Erkenntnisse auch zur Bekämpfung anderer Formen von Extremismus zu gewinnen", ergänzte der Innenminister.

Erste Ergebnisse Anfang 2024

Das Land stellt für die deutschlandweit einzigartige Studie rund 250.000 Euro zur Verfügung. Mindestens 1.200 Menschen sollen dazu befragt werden. Zudem soll die kriminalistisch-kriminologische Forschungsstelle in NRW ihre Expertise einbringen. Beginnen soll die Befragung im Frühjahr 2023. Die Auswertung und Analyse soll dann Anfang 2024 zu einem ersten Zwischenbericht führen.

"Mit dieser Studie wird erstmals das Umfrage-Instrumentarium entscheidend im Hinblick auf modernisierte Formen des Antisemitismus erweitert", erklärt Prof. Dr. Lars Rensmann von der Universität Passau. Gemeint sind damit etwa Holocaust-Relativierung, modernisierte Verschwörungsideologien wie etwa bei den Corona-Protesten oder verschiedene Facetten des israelbezogenen Antisemitismus.

Zahl der antisemitischen Straftaten gestiegen

In NRW war die Zahl der antisemitischen Straftaten zuletzt stark gestiegen. Wurden im Jahr 2020 noch 276 Straftaten in diesem Bereich erfasst, waren es im Jahr 2021 insgesamt 437. Der Großteil (368) der antisemitischen Straftaten wurde demnach Rechtsextremisten zugeordnet. "Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus gibt es in unserer Gesellschaft, aber sie dürfen keinen Platz haben", betonte Innenminister Reul. Mit der Kooperationspartnerschaft wolle er auch zeigen: "Wir kümmern uns. Wir gucken nicht weg."

Seit April nimmt die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW (RIAS NRW) mit Sitz in Düsseldorf Meldungen über antisemitische Vorfälle entgegen. Die unabhängige Meldestelle wird vom Land NRW mit 266.000 Euro gefördert und ist in Trägerschaft des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Nordrhein. Bei ihr können bewusst auch Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze gemeldet werden.