Mehr als 30.000 Menschen hatten sich vor gut einem Monat am Rheinufer vor dem Düsseldorfer Landtag versammelt. Sie protestierten gegen die von der Landesregierung geplanten drastischen Kürzungen in sozialen Bereichen. Unter anderem bei Familienberatungen, Frauenhäusern oder Aidshilfen sah der Haushaltsplanentwurf für 2025 zunächst Kürzungen von knapp 83 Millionen Euro vor.
Nach der Großdemonstration reduzierte die Landesregierung den Einsparbetrag immerhin auf etwa 43 Millionen Euro. Doch die Gestaltungsspielräume der Landesregierung sind sehr begrenzt. Für das kommende Jahr kalkuliert sie nun Ausgaben in Höhe von 105,5 Milliarden Euro - mit knapp drei Milliarden mehr als 2024 ein Rekordetat.
Aber allein 3,8 Milliarden Euro davon sind Zinsen für die Abzahlung von Krediten. Am Mittwoch debattierte der Landtag über den aktuellen Entwurf zum Haushaltsplan 2025.
Über ein Drittel des Haushalts – rund 38,4 Milliarden Euro – soll den Gemeinden zukommen. Wie angekündigt, startet Schwarz-Grün 2025 mit der Altschuldenregelung, um hochverschuldete Kommunen zu entlasten. Erstmals sollen dafür 250 Millionen Euro ausgegeben werden.
Hauptthemen: Sozialabbau und bedürftige Wirtschaft
Kundgebung gegen Sozialabbau
Trotz der teilweisen Rücknahme der Kürzungen war die Stimmung in der Generaldebatte im Düsseldorfer Landtag aufgeheizt und von vielen Zwischenrufen begleitet. Die schwierige Wirtschaftslage in NRW - Insolvenzen, Stellenabbau, Fachkräftemangel - aber auch der begonnene Bundestagswahlkampf prägten die Stimmung.
SPD: Grüne riskieren keinen Regierungsstreit
So nahm SPD-Oppositionsführer Jochen Ott immer wieder Bezug auf Friedrich Merz, der als CDU-Kanzlerkandidat im Bundestag dafür plädiert, das Bürgergeld als solches abzuschaffen. "Der Angriff auf das Bürgergeld wird von Leuten geführt, die eine Regierung gegen den Sozialstaat führen wollen", sagte Ott mit Blick auf das Wahlprogramm von CDU und CSU.
Gegegen Sozialabbau: SPD-Fraktionsvorsitzender Jochen Ott
Erst dann kam der Bogen nach NRW: Hier sei unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) "der schlimmste Sozialabbau seit Jahrzehnten" im Gange. 40 Prozent der Kitas hätten im September vor Einschränkungen oder Schließung gestanden. Bei hohen Mieten und steigenden Gebühren seien es berufstätige Eltern, die "die schlechte Landespolitik bezahlen" müssten.
Auch in NRW habe sich die schwarz-grüne Regierung "gegen den Sozialstaat" entschieden. Selbst die Grünen, so Ott, die früher für soziale Gerechtigkeit gekämpft hätten, würden dafür jetzt "keinen Regierungsstreit riskieren".
"Bundesregierung ist schuld"
Von "schrillen Reden" und "Fakenews" sprach anschließend der CDU-Fraktionsvorsitzende Thorsten Schick. Er verwies auf "Rekordausgaben" im Bildungsbereich. Tatsächlich erhöht sich der Etat für Bildung 2025 um fast drei Milliarden Euro auf fast 42 Milliarden Euro. Damit sollen 2025 zusätzlich 50.000 Ganztagsplätze im Grundschulbereich (OGS) eingerichtet werden.
Die Schuld dafür, dass anderswo gespart werden soll, sieht Schick in Berlin: "Wir haben Rezession in Deutschland, weil es die SPD-geführte Bundesregierung versäumt hat, etwas für das Wachstum zu tun." Wenn deshalb "netto weniger Geld" da sei, müsse man Prioritäten setzen.
Der Grünen Fraktionsvorsitzenden Verena Schäffer war anzumerken, wie schwer es ihr fiel, die Sozialkürzungen ihrer Regierungskoalition zu verteidigen. "Es ist ein absolutes Dilemma, dass in schwierigen Zeiten ausgerechnet bei denjenigen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, gespart werden muss", sagte sie.
Mit ihrer Politik aber schaffe die Landesregierung "auf langer Linie" die Voraussetzungen für die Zukunft der kommenden Generation. Dann zählte Schäffer eher pauschal auf, was ihre Koalition mit der CDU alles tue: "Wir stärken die Industrie und den Wirtschaftsstandort NRW, wir stellen uns dem Fachkräftemangel."
FDP: "So viel Verunsicherung"
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Henning Höne warnte: Wer bei sozialen Hilfen heute spare, werde "morgen viel höhere Folgekosten haben". Auch politisch seien die Kürzungen nicht nachvollziehbar, so Höne. Es gehe hierbei um 0,04 Prozent des Haushalts. "Wie kann man dafür so viele Menschen verunsichern, so viel Infrastruktur zerstören?"
Die Diagnose der AfD: Die Wirtschaft im Sinkflug, steigende Arbeitslosenzahlen, "nur noch übertroffen von den Steigerungen bei der Kriminalität in NRW", erklärte der Fraktionsvorsitzende Martin Vincentz, "während bald jeder grüne Minister im Kabinett seinen eigenen Untersuchungsausschuss besitzt".
Reporter Tim Köksalan vor Ort im Landtag NRW | WDR aktuell
01:20 Min.. Verfügbar bis 18.12.2026.
"Demokratie wieder stärken"
Für die Landesregierung trat der Ministerpräsident ans Rednerpult. Angesichts des Abbaus Tausender Arbeitsplätze bei Ford, Thyssenkrupp oder Evonik verlören immer mehr Menschen ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staats, sagte Hendrik Wüst (CDU). Statt dessen würden sie sich Populisten zuwenden - "eine echte Gefahr, die mir große Sorgen macht." Es sei Aufgabe der demokratischen Parteien, die Fundamente der Demokratie wieder zu stärken.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst
Und auch Wüst wies beim Thema Sozialabbau Richtung Bundesregierung. Deren Entscheidungen zum Abbau der kalten Progression, den Erhöhungen von Wohngeld und Tariflöhnen, das Deutschlandticket - das alles seien in Berlin geschaffene "strukturelle Belastungen", derentwegen NRW im Haushalt 2025 "priorisieren" müsse. "Natürlich wäre es einfacher gewesen, in allen Bereichen noch mehr Geld auszugeben", sagte Wüst. Verantwortungsvolle, generationengerechte Politik aber bedeute, "nachhaltig zu haushalten".
Nach mehr als dreistündiger Debatte verabschiedete der Landtag am Mittag den Rekordhaushalt 2025 mit den Stimmen der schwarz-grünen Regierungsfraktionen.
Quellen:
- Plenardebatte im NRW-Landtag am 18.12.2024