Kommentar: Wahlen und Zahlen
Stand: 18.12.2024, 16:45 Uhr
Am Mittwoch wurde der NRW-Haushalt im Landtag verabschiedet. Das bietet viel Streit-Potenzial.
Von Jochen Trum
Auf einen groben Klotz, so heißt es, gehört ein grober Keil. Das gilt in der Politik vor allem, wenn Wahlen anstehen. Seit der Kanzler die Vertrauensfrage gestellt und verloren hat, tobt der Wahlkampf im Land. Allerdings: Die letzten Tage lassen nichts Gutes erwarten, selten ging es so schnell so persönlich zur Sache.
Jochen Trum
Die Versuchung mag groß sein, eine Debatte um Inhalte durch persönliche Attacken zu ersetzen. Umso bemerkenswerter, dass die Politik im Landtag dieser Versuchung weitgehend widerstanden hat. Klar, es herrschte auch bei der Generaldebatte Wahlkampfstimmung. Politiker sind in diesen Tagen bis in die Haarspitzen unter Spannung. Der Weihnachtswahlkampf wird kurz und heftig.
Aber warum in die Ferne schweifen… Der NRW-Haushalt für das kommende Jahr bietet ausreichend Anlass für Streit im Hohen Haus. Vor allem die Sozialkürzungen, die vor wenigen Wochen 32.000 Menschen auf die Straße gebracht haben. Dass die SPD hier ihre Chance wittert, sich als Anwältin der sozial Schwachen in Szene zu setzen, ist naheliegend. Oder die Wirtschaftspolitik. Dass angesichts der schlechten Lage im Land vor allem die FDP bei diesem Thema punkten will - wen kann das überraschen? Und dass die AfD vor allem bei Migration und Kriminalität das Haar in der Suppe findet - geschenkt.
Die Koalition rühmt sich unterdessen für ihre Politik: Mehr Geld für Schule und Bildung, das Sicherheitspaket nach den Solinger Messermorden. Aber es lässt sich nicht leugnen: Die Lage im Land ist ernst, das musste auch der Ministerpräsident einräumen. Die Wirtschaft steckt in einer tiefen Flaute, es geht um fehlende Wettbewerbsfähigkeit, Insolvenzen und Arbeitsplatzabbau.
Nebenbei droht auch das zentrale Versprechen der Koalition, NRW zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen, unter die Räder zu geraten. Verantwortlich dafür: Der ökologische Umbau der Stahlindustrie könnte scheitern, der vorgezogene Braunkohleausstieg 2030 ist es wohl bereits. Und beim Geld sind die rosigen Zeiten nun definitiv vorüber, trotz eines Rekordhaushalts. NRW macht wieder Schulden, neue Schulden.
Da wirkt es dann ein wenig wie das Pfeifen im Wald, wenn Hendrik Wüst in seinem betont staatsmännischen Auftritt die wohlklingende Zukunftsformel ausgibt: von der Kohle zur KI. Durch Fakten wenig gedeckt, und es erinnert irgendwie an Laptop und Lederhose. Aber lassen wir die Bayern aus dem Spiel. Dafür gibt es ja den Wahlkampf.