"Speed-Week" in NRW: Blitzmarathon in XXL?

Stand: 17.04.2023, 17:11 Uhr

Als Opposition kritisierte die NRW-CDU heftig die Blitzmarathons der rot-grünen Landesregierung. Ab heute lässt nun auch Innenminister Reul (CDU) vermehrt blitzen - und nennt es "Speed-Week".

Von Sabine Tenta

Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr sind sinnvoll. Sie zu kontrollieren ebenso. Politisch umstritten sind jedoch seit vielen Jahren aufwändige Schwerpunktaktionen namens "Blitzmarathon". Dabei wird an einem Tag sehr viel an sehr vielen Orten geblitzt oder oder per Laser das Tempo kontrolliert.

Als die NRW-CDU noch in der Opposition war, kritisierte sie den Blitzmarathon. So sagte ihr Abgeordneter Gregor Golland, heute stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag, 2016: "Statt einen Show-Marathon für das Image des angeschlagenen Innenministers, wären effektive Konzepte sinnvoller."

Dieser Innenminister hieß damals Ralf Jäger und seine SPD-Parteikollegin Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der Fraktion, lobt ihn heute als "Erfinder des Blitzmarathons". Den ersten gab es 2012 in NRW, ein Jahr später wurde er auch in anderen Bundesländern, ab 2015 sogar europaweit durchgeführt. Für Kampmann ein "Erfolgsmodell".

Aus Blitzmarathon wird Speed-Week

2023 heißt der Innenminister Herbert Reul (CDU) und die Schwerpunktkontrolle hat einen neuen Namen bekommen: Speed-Week heißt sie jetzt und findet nicht nur an einem Tag, sondern eine ganze Woche ab dem 17. April statt. Also ein Blitzmarathon in XXL unter neuem Namen?

Das NRW-Innenministerium betont auf WDR-Nachfrage, dass es kein Blitzmarathon sei, sondern Teil einer europäischen Aktionswoche, geplant von "Roadpol", einem Zusammenschluss der Verkehrspolizeien Europas. Dabei ist es laut Ministerium den Kreispolizeibehörden freigestellt, wo und in welchem Umfang sie kontrollieren. Herbert Reul, ansonsten eher nicht medienscheu, hat zum Auftakt der Speed-Week keinen Pressetermin angesetzt.

Regierungen wechseln, die Kontroverse bleibt

Nachfragen bei den Fraktionen im Landtag, was sie von der Speed-Week halten, zeigen, dass die alte politische Kontroverse um den Blitzmarathon weiterlebt. Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP, fordert: "Statt alte Kamellen des ehemaligen Innenministers Ralf Jäger wieder aufzuwärmen, sollte Herbert Reul endlich konsequente Konzepte im Kampf gegen völlig unverantwortlichen Bleifüße in NRW entwickeln." Das gehe effektiver mit unangekündigten Geschwindigkeitsmessungen, "statt mit Showaktionen".

Christina Kampmann (SPD) stellt fest: "Es war falsch, dass CDU-Innenminister Reul anlasslos 2017 den Blitzmarathon hier in NRW einstellte. Warum er so handelte, weiß keiner. Warum NRW jetzt wieder teilnimmt, weiß auch keiner – es freut uns aber sehr, weil es richtig ist."

Die Grünen verteidigen die Schwerpunktaktion mit dem Verweis auf 451 Verkehrstote im letzten Jahr in NRW. Eine "Sensibilisierung für vorsichtiges und rücksichtsvolles Fahren" sei daher wichtig, schlussfolgert Julia Höller, innenpolitische Sprecherin der Fraktion. Der Blitzmarathon sei "ein sinnvoller Baustein, um auf die Gefahr von Geschwindigkeitsüberschreitungen, wie etwa vor Kindergärten, Schulen oder Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren, aufmerksam zu machen".

Für Klaus Esser, den verkehrspolitischen Sprecher der AfD, ist ein Blitzmarathon "eine reine PR-Show". Diese Maßnahme erzeuge keine langfristigen Effekte für die Verkehrssicherheit. "Es ist lediglich eine Schikane für die Autofahrer im Land."

Gewerkschaft der Polizei: "Wir können Menschenleben retten"

Die Gewerkschaft der Polizei begrüßt grundsätzlich Schwerpunktkontrollen gegen Raser, ganz gleich, ob sie Blitzmarathon oder Speed-Week heißen. Dem WDR sagte der NRW-Vorsitzende Michael Mertens, so werde das Entdeckungs-Risiko erhöht und ein wichtiges Thema "in die Köpfe der Menschen reingebracht". Geschwindigkeitskontrollen seien wichtig, "wir können damit Menschenleben retten".

Keine NRW-Teilnahme am europäischen Speed-Marathon

Das Innenministerium teilte noch mit, dass die NRW-Polizei zwar die Woche durchblitzt, aber nicht am europäischen "Speed Marathon" am Freitag (21.04.2023) teilnimmt. Das würde vielleicht allzu sehr nach einem "Jäger-Blitzmarathon" aussehen.

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