Schließung des Kraftwerks in Petershagen

Verfügbar bis 29.09.2025

"Oh, da stirbt was weg": Das Kraftwerk in Petershagen muss schließen

Stand: 29.09.2023, 20:37 Uhr

Es versorgt 1,2 Millionen Haushalte mit Strom - doch 2024 soll das Steinkohlekraftwerk Heyden 4 endgültig vom Netz gehen. Für viele Menschen in Petershagen ein echter Einschnitt.

Von Catharina Coblenz

Bald wird kein Wasserdampf mehr über dem Steinkohlekraftwerk in Petershagen aufsteigen. Zum 30. September 2024 soll das Kraftwerk endgültig stillgelegt werden. Ein wichtiger Schritt Richtung Energiewende. Doch fragt man Dirk Breves, den Bürgermeister von Petershagen, gebe es bei manchen im Ort ein Gefühl von Trauer und Wehmut und bei nahezu allen die Befürchtung: "Oh, da stirbt was weg."

"Es würde was fehlen! Wenn man aus dem Urlaub kommt, weiß man genau: 'Da, das Kraftwerk ist da und wir sind gleich wieder zu Hause.' Oder mit dem Fahrrad unterwegs, man verfährt sich: 'Ah da ist es, jetzt weiß ich wo ich hin muss.' Ja, definitiv gehört das dazu." Manuela Böing, Bürgerin aus Petershagen

Woher kommt die enge Bindung der Menschen in Petershagen an ihr Kraftwerk? Die Antwort gibt Heiko Deterding. Er ist verantwortlich für Infrastruktur und IT-Sicherheit am Kraftwerk Heyden 4, seit 34 Jahren im Betrieb und kommt gebürtig aus Petershagen.

Dirk Breves, Bürgermeister von Petershagen

Dirk Breves, Bürgermeister von Petershagen

Die Beziehung, die er selbst und seine Kolleginnen und Kollegen zu dem Kraftwerk haben, bezeichnet er als eine "ganz intensive und zeitgeprägte." Viele Mitarbeitenden sind schon "weit mehr als 40 Jahre hier." Viele haben hier zeitweise mit dem Großvater, dem Vater oder dem Onkel gearbeitet. "Also die haben einen großen Teil ihres Lebens hier verbracht."

Das Kraftwerk ging 1951 ans Netz, als erstes Kraftwerk in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Kraftwerk sollte schon 2020 stillgelegt werden

Die Nachricht über die endgültige Stilllegung des Kraftwerks trifft die Angestellten laut Deterding jedoch wenig überraschend. Bereits 2020 sollte das Kraftwerk stillgelegt werden. Doch dann wurde es als "systemrelevant" eingestuft und ging in die nationale Kraftwerksreserve.

Aus dieser wurde es nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der danach folgenden Gaskrise Ende August 2022 wieder heraus geholt - so wie mehrere andere vorläufig stillgelegte Kraftwerke in ganz Deutschland.

Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor

Für die Angestellten des Kraftwerks war das eine "Berg- und Talfahrt". Grundsätzlich jedoch sei die Belegschaft froh gewesen über die Rückkehr aus der Reserve, sagt Deterding. "Die produzieren hier gerne Strom, die sind gerne hier." Zwischenzeitlich bestand die Hoffnung, dass das Kraftwerk noch über September 2024 hinaus weiter läuft. Doch mittlerweile sind die Würfel gefallen. Man müsse an Konzepten für die Zukunft arbeiten, sagt Deterding.

"Es ist schon Teil meines Lebens. Ich hab immer gesagt: 'Das ist hier mein Kraftwerk.' Ich hab damals von der Schule aus nebenan gesagt: 'Da gehe ich später mal hin zum Arbeiten'." Heiko Deterding, Verantwortlicher für Infrastruktur- und IT-Sicherheit am Kraftwerk Heyden 4

Als Arbeitgeber hat das Kraftwerk eine wesentliche Bedeutung für Petershagen. Fast 100 Mitarbeiter sind hier aktuell noch beschäftigt, für die Regelungen und Lösungen gefunden werden müssen.

Heiko Deterding, verantwortlich für Infrastruktur und IT Sicherheit am Kraftwerk Heyden 4

Heiko Deterding, verantwortlich für Infrastruktur und IT Sicherheit

Darüber hinaus gibt es auch noch eine ganze Reihe Betroffener in den Zulieferer- und Monteurbetrieben. Nicht zuletzt war das Kraftwerk über all die Jahre hinweg ein bedeutender Gewerbesteuerzahler für die Kommune.

Was kommt nach dem Kraftwerk?

Was also gibt es für Ideen für die Zukunft? Cord Bredthauer, zuständig für die Nachnutzung des Kraftwerkstandorts, gibt sich optimistisch: "Es wird nur der Steinkohleblock stillgelegt und nicht der Standort, das heißt, es gibt definitiv eine Zukunft hier."

Kraftwerksbetreiber Uniper hat angekündigt, bis zum Ende des Jahrzehnts komplett aus der Kohleverstromung auszusteigen und auf regenerative Energien zu setzen. Zurzeit befindet man sich noch in der Planung, der Standort Petershagen biete jedoch viel Potenzial, so dass über viele mögliche Ideen diskutiert wird, sagt Bredthauer.

"Unsere Hoffnung ist, dass dann daraus eine Keimzelle entsteht, aus der sich dann immer mehr entwickeln wird." Cord Bredthauer, zuständig für die Nachnutzung des Kraftwerkstandorts
Cord Bredthauer, zuständig für die Nachnutzung des Kraftwerkstandorts

Cord Bredthauer, zuständig für die Nachnutzung des Standorts

Die Ideen seien vielfältig und reichten von Batteriespeichern, über Bio-Methan, bis hin zu synthetischen Kraftstoffen. Nach dem aktuellen Bebauungsplan darf jedoch nur ein Kraftwerk an dem Standort stehen. Auch deshalb ist das Unternehmen, laut Bredthauer, in einem sehr intensiven Austausch mit der Stadt Petershagen und dem Stadtrat.

Der Weg zur Energiewende

Die Menschen in Petershagen erleben die Energiewende hautnah mit, direkt vor ihrer Haustür. Viele stehen der Veränderung melancholisch oder kritisch gegenüber. Und bis die Zukunftskonzepte Arbeitsplätze schaffen, wird noch viel Zeit vergehen.

Allerdings sind längst nicht alle in Petershagen traurig über die Veränderung. Bei Facebook steht unter einem Foto des Kraftwerks: "Na, glorifiziert doch dieses Kraftwerk nicht so. Das ist doch auch mit Emissionen verbunden."

Auch einige Menschen auf der Straße in Petershagen befürworten die Schließung wegen der hohen CO2-Emissionen der Steinkohle. Bei einer Umfrage des WDR spricht ein Bürger von "Dreckschleudern. Auch die geplanten neuen Projekte werden zum Teil noch kritisch betrachtet, aber auch hier findet man Zuspruch, besonders was den Ausbau erneuerbarer Energien, wie Windenergie, betrifft.

"Wir wohnen nicht weit weg von Windrädern, aber man hört nichts! Das stört nicht." Carolin Kruse-Brink, Bürgerin aus Petershagen

Über dieses Thema berichtet am Donnerstag, 29.09.2023, auch die Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen um 18:45 Uhr.