Spiritualität ja, Kirche nein

Aktuelle Stunde 14.11.2023 UT Verfügbar bis 14.11.2025 WDR

Kirche: Nur noch jeder Fünfte glaubt an Gott

Stand: 14.11.2023, 16:25 Uhr

Nur noch jeder fünfte Deutsche gibt an, gläubig zu sein. Das Vertrauen in die Institution Kirche ist am Boden. Das ist das Ergebnis der sechsten Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung.

Von Oliver Scheel

"Der Glaube an Gott droht zu verdunsten." Dies sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, im September 2023. Wie die aktuelle sechste Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung belegt, lag Bätzing mit seiner Einschätzung ziemlich richtig.

Seit mittlerweile fünf Jahrzehnten lässt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Einstellungen in der Bevölkerung zu Religion und Kirche untersuchen. Das Ergebnis: Religiosität und das Vertrauen in die Kirche nehmen ab.

Nur noch jeder Fünfte bezeichnet sich als religiös

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa fragte 5.282 Personen aus allen Bevölkerungsschichten und Glaubensrichtungen. Nur noch jeder Fünfte ist religiös, 56 Prozent der Befragten bezeichneten sich als nicht religiös. Selbst unter den Kirchenmitgliedern gab ein Drittel an, nicht religiös zu sein.

Massenhaft Austritte in NRW

Was ist los in Deutschland? 2022 waren nur noch 49,7 Prozent der Bevölkerung katholisch oder evangelisch. Das ist eine historische Zäsur. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche ist die Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht mehr Mitglied einer der beiden großen christlichen Kirchen.

NRW macht bei diesem Trend keine Ausnahme. Waren im Jahr 2001 noch 73,7 Prozent Teil der evangelischen oder katholischen Kirche, waren es 2020 nur noch 59,3 Prozent. 2022 kehrten allein in Köln mehr als 20.000 Menschen der Kirche den Rücken. Im ersten Halbjahr 2022 beendeten in NRW 111.235 Menschen ihre Kirchenmitgliedschaft, im gesamten Jahr 2021 waren es 155.322. 

So werden die Konfessionslosen voraussichtlich im Jahr 2027 die 50-Prozent-Marke überschreiten und damit auch die absolute Bevölkerungsmehrheit stellen.

Warum treten die Menschen aus?

Die Studie zeigt vor allem für die katholische Kirche eine Vertrauenskrise. Katholiken vertrauen der evangelischen Kirche mehr als ihrer eigenen Kirche. Aus Sicht der Konfessionslosen liegt die katholische Kirche auf dem letzten Bewertungsplatz, gleichauf mit dem Islam. Nur 9 Prozent haben Vertrauen in die katholische Kirche.

Evangelische Christen treten der Studie zufolge vor allem deshalb aus, weil ihnen das Thema Religion und Kirche in einem längeren biografischen Prozess gleichgültig geworden ist. Bei den Katholiken spielen hingegen Emotionen wie Zorn und Wut über die eigene Kirche eine viel größere Rolle als eine schleichende Gleichgültigkeit.

Im Zeitraum 2023 bis 2025 sei mit dem Austritt von insgesamt fast einer Million evangelischer Kirchenmitglieder zu rechnen, im Zeitraum bis 2030 mit dem Austritt von insgesamt 3,2 Millionen Menschen. Außerdem verliere die Kirche zusätzlich auch durch den demografischen Wandel und durch sinkende Taufquoten an Mitgliedern. Und: Je jünger die Menschen sind, umso seltener sind sie gläubig.

Kirche braucht Reformen - genießt aber noch Vertrauen

80 Prozent aller Protestanten stimmen der Aussage zu, dass sich die Kirche grundlegend verändern muss, wenn sie eine Zukunft haben will. Bei den Katholiken sind es sogar 96 Prozent. 95 Prozent der befragten Katholiken würden es befürworten, wenn Priester heiraten dürften. 86 Prozent aller Katholiken, stimmen auch der Segnung von homosexuellen Paaren zu.

Beratungsstellen und die Arbeit im sozialen Bereich wird wertgeschätzt. Auch die Caritas und die Diakonie genießen Vertrauen. Eine Mehrheit der Befragten findet das Engagement der Kirche für Geflüchtete gut. Anders sieht es für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen aus: Diesen lehnt eine Mehrheit der Konfessionslosen (71 Prozent) ab.

Benutzte Quellen:

  • Agentur EPD
  • fowid (Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland)
  • WDR-Korrespondenten

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