Rechtsruck bei Italien-Wahl: Gefahr für Europa?

Stand: 26.09.2022, 15:32 Uhr

Der Sieg von Giorgia Meloni bei Wahl in Italien löst in der EU eine Angst vor einer neuen Blockadefront aus. Was kommt auf Europa zu durch den Rechtsruck in Italien?

Der Rechtsruck in Italien entzweit die EU: Während Politikerinnen und Politiker aus dem linksliberalen Lager am Montag eindringlich vor einer Regierung unter der rechtsradikalen Politikerin Giorgia Meloni warnten, jubeln die Europaskeptikerinnen und -skeptiker - und das nicht nur bei der AfD. In Brüssel geht das Schreckgespenst einer neuen Blockadefront um Italien, Ungarn und Polen um.

Nicola Beer: "Schwarzer Tag für Europa"

"Schwere Zeiten in Europa" befürchtet die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD). Ähnlich äußerte sich ihre Amtskollegin Nicola Beer von der FDP: "Schwarzer Tag für Europa", twitterte Beer. "Postfaschistische Panikmache und antieuropäischer Weg - dies kann niemals eine Lösung sein, um Krisen in der EU zu überwinden."

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Tschechiens Regierungschef: "Glückwunsch"

Manche konservative Politikerinnen und Politiker in Europa haben indes wenig Berührungsängste: "Glückwunsch an Giorgia Meloni zu ihrem Wahlsieg", twitterte etwa der liberalkonservative tschechische Regierungschef Petr Fiala. "Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit in der Europapolitik", schrieb Fiala, dessen Land noch bis Jahresende den Vorsitz im EU-Ministerrat hat.

"Wenn sich die Dinge in eine schwierige Richtung entwickeln, haben wir Instrumente zur Verfügung." Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Auf ähnliche Gratulationen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kann Meloni lange warten. Bereits vor der Wahl gab es einen Vorgeschmack auf den künftigen Ton zwischen Brüssel und Rom. Die deutsche Kommissionschefin betonte vergangene Woche bei einem Auftritt an der US-Eliteuniversität Princeton, Brüssel habe im Fall von Problemen mit Italien "Instrumente" zur Hand. Sie verwies dabei auf Ungarn und Polen, gegen die die Kommission im Rechtsstaats-Streit mit milliardenschweren Mittelkürzungen und Rechtsverfahren vorgehen will.

Würde es so kommen, könnte das Italien finanziell schwer schaden. Denn das Land ist dringend auf die Milliarden aus Brüssel angewiesen. Allein aus dem Corona-Aufbaufonds der EU soll das Land mehr als 191 Milliarden Euro erhalten. Die ersten 25 Milliarden Euro wurden im August überwiesen. Nicht zu vergessen ist aber auch: Der drittgrößte Staat in in der EU gehört zu den Nettozahlern - Italien zahlt also mehr Geld nach Brüssel als es von dort zurückerhält.

Wird Meloni EU-Reformen blockieren?

Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechtsextremen Partei Brüder Italiens

Wahlsiegerin Giorgia Meloni

Ein schlechtes Omen dürfte der Wahlsieg der italienischen Rechten für den Wunsch der Bundesregierung sein, EU-Reformen voranzubringen. Niemand rechnet in Brüssel damit, dass eine Regierung Meloni dem Verzicht auf Vetorechte in der Außen- oder Finanzpolitik zustimmen würde, wie ihn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert.

Auch der ungarische Regierungschef Viktor Orbán und das nationalkonservativ regierte Polen sind gegen solche Machtabstriche. In Brüssel wird nun vor allem befürchtet, dass Budapest und Warschau mit Rom gemeinsame Sache gegen Migranten oder Minderheiten machen.

Sanktionen gegen Russland - zieht Italien weiter mit?

Matteo Salvini, Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni

Von links: Matteo Salvini, Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni

Auf das Prinzip Hoffnung setzt die EU dagegen bei den Sanktionen gegen Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Einstimmigkeit erfordern. In Brüssel wird auf die kritische Haltung Melonis gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und ihre Unterstützung für die Ukraine verwiesen - auch wenn Matteo Salvini, Chef der rechtsnationalen Lega, sich immer wieder pro-russisch äußert. Salvinis Lega bildet mit dem langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und dessen konservativer Forza Italia das Bündnis um Meloni.

Die Bonner Europaabgeordnete Alexandra Geese (Grüne) schaut trotzdem mit Sorge auf Italiens künftigen Umgang mit Russland. Gerade bei Menschen innerhalb des rechtsnationalen Bündnisses gebe es sehr enge Verwebungen mit dem Kreml, sagte sie am Montag dem WDR.

Banger Blick auch auf Finanzmärkte

Ob durch den Rechtsruck in Italien auch neue Turbulenzen an den europäischen Finanzmärkten drohen, ist noch ungewiss. 2011 war Italien unter Berlusconi in massive Schwierigkeiten geraten, die Zinsen auf Staatsanleihen schossen in die Höhe. Am Montag reagierten die Börsen verhalten positiv auf Melonis Wahlsieg. Vor allem in Mailand waren die Kurse im Plus.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber rief die neue italienische Regierung deshalb auf, "ein klares Zeichen" zu setzen, dass sie zu Europa und zu dem Reformkurs unter dem bisherigen Regierungschef Mario Draghi stehe. Vor allem mit den Milliarden aus dem Corona-Aufbaufonds der EU stehe einiges auf dem Spiel, mahnte Ferber.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Weitere Themen