Klimakrise und Kipppunkte: "Je länger wir nichts tun, desto größer werden die Schäden"

Stand: 18.09.2022, 20:17 Uhr

Es sind schon jetzt unglaublich viele Schäden entstanden durch die Klimakrise, sagt die renomierte Klimaforscherin Friederike Otto. Warum es dennoch nie zu spät ist, etwas zu tun, erklärt sie im Interview.

Friederike Otto gehört zu den weltweit führenden Klimaforscherinnen und warnt deutlich vor den Effekten der Klimakrise. Sie erforscht am Imperial College in London in der sogenannten Attributionsforschung, welchen Anteil der Klimawandel an Extremwetter-Ereignissen hat. Noch können wir das Schlimmste abwenden, sagte sie in der Aktuellen Stunde.

Sie haben gesagt, die Klimakrise sei KEIN Komet, der auf die Erde zurast, wie es manchmal in Filmen dargestellt wird. Haben wir noch die Chance auf ein Happy End?

Klimaforscherin Friedrike Otto

Klimaforscherin Friedrike Otto

Friederike Otto: Naja, ein Happy End für jeden wird es nicht geben. Die Hauptsache, warum ich sage, dass es eben nicht ein Komet ist, der auf die Erde fällt: Die Klimakrise ist eine Krise, die sich seit Jahrzehnten entwickelt hat. Es sind bisher schon viele Pflanzen und Tierarten ausgestorben aufgrund der Klimakrise. Es sind Menschen gestorben. Es sind unglaublich viele ökonomische Schäden entstanden aufgrund der Klimakrise, bereits heute. Es ist nicht irgendetwas, das irgendwann woanders und in der Zukunft stattfindet.

Aber natürlich heißt das auch, dass es nicht plötzlich irgendwann zu spät ist, etwas zu ändern. Je länger wir nichts tun oder viel zu wenig tun, desto größer werden die Schäden. Aber das heißt auch: Wann immer wir anfangen wirklich gravierend etwas zu tun, können wir noch Schlimmeres verhindern.

Aber wichtige Klimasysteme drohen jetzt schon zu kippen. Was heißt das?

Otto: Kipppunkte im Klimasystem sind Teile im Klimasystem, die - wenn sie sich einmal verändern - sich irreversibel, also unveränderlich, immer weiter verändern. Das geschieht aber jetzt nicht über Nacht. Und das geschieht zwar im Klimasystem, also auf geologischen Zeitskalen extrem schnell, aber auf menschlichen Zeitskalen merken wir das eigentlich nicht wirklich. Also zum Beispiel: Einer dieser Kipppunkte, bei dem die Wahrscheinlichkeit, dass wir den vielleicht schon zum Kippen gebracht haben, relativ hoch ist, sind die großen Eisschilde. Wenn die einmal abschmelzen, führt das zu extrem starkem Meeresspiegelanstieg und das kann man so schnell überhaupt nicht wieder rückgängig machen. Selbst wenn man also das CO2 wieder aus der Atmosphäre herausholen würde – was wir im Moment nicht können.

Aber das merken wir ja nicht auf den menschlichen Zeitskalen. Insofern: Sich jetzt auf diese Kipppunkte zu fixieren, hilft eigentlich wenig bei dem, was wir tun müssen. Denn wir müssen jetzt sofort aufhören, so schnell es irgend geht, fossile Brennstoffe zu verbrennen. Damit können wir noch sehr viel stärkere Klimaschäden verhindern. Und das können wir, wenn wir das heute machen und das können wir auch, wenn wir das morgen machen – aber natürlich sind die Schäden, wenn wir es morgen machen, deutlich größer. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man noch andere dieser Kipppunkte angekippt hat, wird immer größer, je länger wir warten.

Das Interview führte Catherine Vogel in der Aktuellen Stunde.

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