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Frauenfußball ist der bessere Fußball | MEINUNG

Stand: 30.07.2023, 06:00 Uhr

Fußball ist nicht schlechter, nur weil der Ball von Frauen getreten wird - das ist sogar wissenschaftlich bewiesen. Vor allem aber sieht man beim Frauenfußball, worum es beim Sport wirklich geht, meint Kolumnistin Minh Thu Tran.

Von Minh Thu Tran

Wie zur Hölle ist das physikalisch überhaupt möglich? Das habe ich mich gefragt, als das 2:0 beim Auftaktspiel der deutschen Frauen bei der WM in Australien gefallen ist. Alexandra Popp fällt gerade weg vom Tor auf den Boden, und trotzdem schafft sie es irgendwie, die Hereingabe von Klara Bühl mit ihrem Ohr oder Hinterkopf ins Tor zu bugsieren. Deutsche Popp-Kultur vom Feinsten. 6:0 stand es am Ende des Fußballfests der deutschen Frauen gegen Marokko.

Trotzdem hat der Frauenfußball immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Er sei langweilig, weniger temporeich, die Frauen würden zimperlicher spielen als die Männer. Dass Frauen physisch anders gebaut sind als Männer und zum Beispiel nicht so schnell sprinten können, das verneint ja keiner. Dass die Spiele der Frauen deswegen qualitativ schlechter seien? Ist absoluter Humbug. Das beweist auch ein Experiment aus der Schweiz. Das kommt zu dem Schluss, dass die Vorurteile gegen Frauenfußball vor allem auf verinnerlichten Geschlechterklischees beruhen.

Männerfußball sollte sich mehr am Frauenfußball orientieren!

Ich finde: Wir sollten aufhören Frauenfußball ständig mit dem Männersport zu vergleichen. Vielmehr sollten sich die Männer einiges von den Frauen abschauen! Für mich ist Frauenfußball oft viel attraktiver. Schon vor Jahren hat sich Fußballtrainer Julian Nagelsmann als Fan des Frauenfußballs erklärt - "weil es ein viel ehrlicherer Sport ist als Männerfußball." Oder, wie es Nationalspielerin Sophia Kleinherne in einem Interview letztens ausgedrückt hat:

Mir ist kein weiblicher Neymar bekannt. Ich kenne zum Beispiel keine Spielerin, die zwei oder drei Minuten liegen bleibt. Nationalspielerin Sophia Kleinherne

Frauen können ziemlich kompromisslos tacklen, das sehen wir eindrucksvoll bei jedem Einsatz der deutschen Abräumerin Lena Oberdorf. Trotzdem kommt es viel seltener zu unsportlichen Situationen als bei den Männern. Das ist jedenfalls meine Beobachtung - dass es zum Beispiel deutlich seltener Spielerinnen gibt, die bei der Schiedsrichterin jammern und minutenlang diskutieren. Und auch die unschöne Spuckerei auf dem Platz? Gibt's bei den Fußballfrauen fast gar nicht.

Positives Image der Frauen im Fußball

Seit einigen Jahren gibt es fußballtechnisch einfach wenig zu feiern, wenn man nur den Männern zuguckt. Bei der WM der Männer in Katar langweilten die deutschen Herren vor allem mit ideenlosem Ballbesitzspiel und schieden mehr als verdient schon in der Vorrunde aus. Und das Bierhoffsche Branding der Nationalelf in "Die Mannschaft" konnte kaum darüber hinwegtäuschen, dass in der Männer-Nationalelf seit Jahren wenig Teamgeist zu spüren ist. Das Rebranding wurde inzwischen wieder eingestampft. Die DFB-Männer befinden sich in einer schweren Krise. Bei den letzten zwei Testspielen gegen Polen und Kolumbien haben sie jeweils krachende Niederlagen kassiert.

Klara Bühl hält den Häkel-Koala namens Waru in der Hand

Klara Bühl mit ihrem WM-Glückskoala Waru

Ganz anders bei der Frauen-Elf. Die aktuellen Vize-Europameisterinnen wirken nahbar, auf ihren privaten Social-Media Kanälen. Auf Instagram und TikTok teilen die Spielerinnen Videos, in denen sie gemeinsam tanzen und auf dem Weg zum Spiel singen. Kultstatus unter Fans hat jetzt schon Koalabär "Waru", den Nationalspielerin Klara Bühl als Glücksbringer gehäkelt hat. Sie präsentieren sich sympathisch - und das Ganze wirkt nicht so, als stünde ein 15-köpfiges PR- und Social-Media-Team dahinter, das alles sorgfältig orchestriert.

Dass Kind und Karriere nicht nur möglich sind, sondern eine Selbstverständlichkeit, auch das zeigt die deutsche Frauen-Elf. Nationalspielerin Melanie Leupholz stand im Vorrundenspiel gegen Marokko auf dem Platz und war mit ihrem gerade mal neun Monate jungen Sohn nach Australien gereist. Bundestrainerin Voss-Tecklenburg erzählt: "Er wird hofiert, er wird betüdelt. Ich glaube, manchmal denkt er sich: Was wollen die ganzen Frauen hier von mir?" Die Nationaltrainerin spricht von einem "Riesenmehrwert", den das Baby der Mannschaft gibt. Die deutsche Fußballelf zeigt: Karriere und Familie unter einen Hut bringen, klappt am besten, wenn alle im Team mitmachen - auch bei der Arbeit.

Frauenfußball zeigt, wo auch die Herren hinmüssen - zurück zu den Wurzeln

Vor allem aber zeigt der Frauenfußball, wie der Sport aussehen könnte, wenn er sich wieder auf seine Wurzeln besinnt. Weg von den Riesen-Millionen-Geschäften und vom Gigantismus wie in Katar. Weg von absurden Millionenablösesummen für Spieler, die sich Vereine kaum mehr leisten können. Klar, auch der Frauenfußball ist in den letzten Jahren extrem gewachsen und hat sich immer weiter professionalisiert. Trotzdem bleiben seine Heldinnen bodenständig und stehen für sich und ihre Werte ein - wie die neuseeländische Spielerin Ali Riley, die sich als Protest gegen das Verbot der One Love Binde einfach ihre Nägel in Regenbogenfarben lackierte.

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Für die Fußball-WM der Frauen mussten in Australien und Neuseeland übrigens keine Stadien von Bauarbeitern in sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen aus dem Nichts hochgestampft werden, die danach keiner mehr braucht. Denn die Fußball-WM der Frauen zeigt, worum es in diesem ganzen Geschäft wirklich gehen sollte: um den Sport.

Fiebern Sie bei der WM schon mit? Was glauben Sie: Welche Platzierung ist für Deutschland drin? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

79 Kommentare

  • 79 Walter Knoch 05.08.2023, 16:24 Uhr

    Wer trägt eigentlich zu einem Gutteil dazu bei, dass die Bundesliga diese unvorstellbaren Gagen bezahlen können: Es ist der ÖRR, der die Bundesligarechte für seine Sportschau und das Aktuelle Sportstudie gekauft hat. Wer hat wesentliche Rechte für dieWM in Katar mit riesigen Summen gekauft. Ganz nebenbei, der Männerfußball im Spitzenbereich - international und international - macht nicht den Männerfußball aus. Da ist der riesige Jugend- und Schülerbereich, das sind Klassen mit Zehntausenden von Aktiven Regionalliga abwärts, wo ein erstklassiger Fußball gespielt wird. Ein Fußball, bei dem im direkten Vergleich Männlein-Weiblein, der Frauenfußball nach 90 Minuten plus als Verlierer vom Platz geht. Zugegeben Männer tanzen in ihren Medienauftritten nicht. Das ist aber auch kein Kriterium, wenigstens bis jetzt nicht, kann ja noch kommen. Aber, Vorschlagen: Lassen wir Männer- gegen Frauenmannschaften antreten und die Ergebnisse für sich sprechen. Punkt!!!!

  • 78 Walter Knoch 05.08.2023, 15:07 Uhr

    Nach obigem Kommentar weiß ich, was dem Fußball fehlt. Wir müssen eine Kürnote einführen, die um fasst Überbezahlung (Minuspunkte), Schauspielerei (Minuspunkte), schöne Tore (Pluspunkte), Bellafigura (Pluspunkte). Mit Verlaub: Ich habe selten einen Kommentar gelesen, der so am selbstgewählten Thema vorbeigeht und sich in lobpreisender Propaganda verirrt. Auf den Punkt gebracht: Lasst die die Deutsche FrauennatonalMANNSCHAFT gegen die die B-Jugend-männlich von Bayern München spielen. Es wird ein Ergebnis geben, aber der Frauenfußball ist dennoch besser. Ich glaube der Autorin des WDR (Satire Aus) Nochmals und klar auf den Punkt: Der Frauenfußball wird nach 90 Minuten plus 8 immer als Verlierer vom Platz gehen. PS: Obiges hindert mich nicht Frauentennis, Frauenbasketball, Frauenfußball zu schauen, genauso wie ich auch sonntags die Spiele meines Heimatvereins (A-Klasse) ansehe.

  • 77 Peter Madei 04.08.2023, 12:11 Uhr

    Wo ist die Lust am (Zusammen)Spiel? - bei den Männern schön länger und jetzt auch bei den Frauen. Stattdessen sehe ich Kampf und Krampf, das beste Spiel allerdings von den Japanerinnen.

  • 76 Hans H. 04.08.2023, 11:17 Uhr

    Bestimmt nicht besser aber gleichwertig, beide Nationalteams sind in der Vorrunde ausgeschieden. Immerhin haben es die Frauen vermieden durch überzogene Aktionen und Diskussionen aufzufallen, für die man den Sport nicht instrumentalisieren sollte, egal auf welcher Seite man dazu steht. Der peinliche Kontrast bei den Männern zwischen vorzeitiges Ausscheiden und Diskussionen abseits vom Sport war auch abschreckendes Beispiel. Im Nachhinein und in dem Punkt können sich die Männer „mehr am Frauenfußball orientieren“, aber nachher ist man immer schlauer. Am sportlichen Ergebnis ändert das nichts, jetzt muss ich nicht mehr „glauben“, „welche Platzierung ist für Deutschland drin“ ist. Diese Weltmeisterschaften sind versemmelt aber das ist und bleibt Nebensache, auch wenn es für manche die schönste Nebensache der Welt ist

    Antworten (1)
    • Walter Knoch 05.08.2023, 15:12 Uhr

      Lieber Hans H., schreiben Sie nicht etwas am Thema vorbei. Im Fußball (schlechter-besser) zählt das Ergebnis nach 90 Minuten plus. Wer wird wohl als Sieger vom Platz geben. Es gibt da schöne Beispiele: US-FrauennationalMANNSCHAFT gegen eine Jugendmannschaft (B-Jugend). Desaströs. Nicht für die Jungens. Und ... die USA waren damals Weltmeister!!!!

  • 75 Kopfball 04.08.2023, 10:33 Uhr

    Denke mal, Südkorea ist uns digital und lndustriell weit überlegen, aber bestimmt nicht im Herrenfußball. Thema Bildung und Desindustrialisierung brennen in Bundesrepublik Deutschland aber gewiss nicht Frauenfussball.?? Ergebnisse auf diesen Feldern fallen noch desaströser aus? Man sollte es mal so "übertragen" wie Fußball, wäre spannend??!

  • 69 Ylander 03.08.2023, 19:57 Uhr

    Nun, die Frauen haben sich wohl die Männer als Vorbild genommen. Auch mit der kleinen WM ist nun also nach der Vorrunde bereits Schluss. Was bleibt nun dem deutschen Michel? Es gibt eine Perspektive: Die Fußball-Bundesliga ist in Sicht!

  • 68 Frank 03.08.2023, 18:09 Uhr

    Wieder eine öffentlich-rechtliche Lobeshymne auf etwas, das keine drei Tage hält. Hauptsache es isch ebbes gschwätzt.

  • 67 Paul voss 03.08.2023, 17:40 Uhr

    DFB mal wieder raus.... Super... Nur noch woke Moral und gender bunte Ideologie.. Aber keine Leistung auf dem Platz...

  • 66 Conny 03.08.2023, 17:01 Uhr

    Oh man Leute, lasst doch die Mädels einfach mal machen, was sie am besten können, nämlich "Fussball spielen"!!! Die "schlauen Analysen" vor u. schlimmer noch nach den Spielen, sind für uns als Zuschauer schon nervig genug, möchte nicht wissen, wie sie die Spielerinnen negativ triggern!!! Typisch deutsch: alles in diesem Land muss wieder u. wieder "durchgekaut" werden! Am besten, der DFB legt einen Zettel mit vorgegebenen Spielzügen aufs Spielfeld, den die Mädels "akribisch abarbeiten", um "typisch deutsch perfekt" zu sein!!! Merkt eigentlich niemand der Verantwortlichen, dass den deutschen Fußballern/innen eines völlig abhanden gekommen zu sein scheint, nämlich "frei aufspielen" zu können??? Also, Martina (tolle Trainerin!) u. ihre Mädels (tolle Spielerinnen!) einfach mal machen lassen!!! Nur so werden sie ihre Qualität unter Beweis stellen u. Siege erzielen können!!! Bestimmt nicht, wenn sie von irgendwelchen "Schlaumeiern" permanent "mit der Lupe beäugelt u. gegängelt" werden!!!

  • 65 Clemens Freiburg 03.08.2023, 15:06 Uhr

    „Frauenfussball ist der bessere Fussball“ kann man als woker Mensch so sehen. Schaut man auf das Ergebnis in Australien… „Mir ist kein weiblicher Neymar bekannt. Ich kenne zum Beispiel keine Spielerin, die zwei oder drei Minuten liegen bleibt“. Zum Glück können wir mit dem Südkoreaspiel unseren Horizont erweitern und haben auch Frauen kennenlernen dürfen, die zwei Minuten oder drei Minuten liegen bleiben…

  • 64 Hans-Dieter 03.08.2023, 14:16 Uhr

    So, Deutschland ist raus bei der WM und der Hype hat ein Ende. Jetzt freuen wir uns alle auf den Beginn der Männer Bundesliga und im nächsten Jahr auf die EM in unserem Land.

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