KOLUMNE

Wir bluten - und das ist auch gut so!

Stand: 19.08.2022, 09:00 Uhr

Schluss mit Periodenscham, fordert Caro Wißing. Wir müssen offen sprechen über die Blutung, die Schmerzen aber auch die positiven Aspekte.

Von Caro Wißing

Tief vergraben in einem Päckchen Taschentücher, zur Sicherheit auch noch den Aufdruck abgeklebt - so habe ich im Alter von 13 Jahren eine Packung Tampons zu einer mehrtägigen Klassenfahrt geschmuggelt. Tatsächlich verhielt ich mich wie eine Drogenschmugglerin. Vor jedem Gang zur Toilette holte ich heimlich die Packung "Taschentücher" aus dem Zimmer. Dann der Kontrollblick unter die WC-Kabinentüren: War auch wirklich keiner da, der was mitbekommen könnte? Niemand sollte wissen, dass ich blutete. Nicht einmal meine Freundinnen.

Tabu-Thema "Periode"

Obwohl meine Familie einen recht lockeren Umgang mit dem Thema hatte (meine Mutter hat mich schon als Kind regelmäßig Binden kaufen geschickt und ich wäre im Laden am liebsten im Boden versunken), habe ich Jahre - ja sogar fast zwei Jahrzehnte - gebraucht, um einfach frei raus sagen zu können: Ich habe meine Tage. Ist das nicht absurd? Schließlich bin ich damit ja nicht allein. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung menstruiert über einen gewissen Zeitraum im Leben, an jedem Tag sogar mehr als 300 Millionen Menschen gleichzeitig. Und trotzdem wird das Thema Periode mit all seinen Facetten und Auswirkungen ganz tief vergraben in der Schamkiste - fast so wie meine Tampons in der Taschentücherpackung.

Es kommt mir vor, als hätten wir das uralte Stigma noch längst nicht hinter uns gelassen: Die angebliche Strafe für die vom Sündenapfel naschende Eva, die sie an uns weitergegeben hat. Das Märchen von der Unreinheit der Frau, der Schwäche des weiblichen Körpers. Seit jeher schwingt da mit: Weil es etwas Schmutziges, Ekeliges und fast schon Unnormales ist, sollten wir besser nicht explizit darüber sprechen. Wir erfinden Umschreibungen wie "Erdbeertage" oder "Besuch von Tante Rosa". Und erst recht vermeiden wir zu zeigen, worum es geht.

Blut am Finger - nicht zumutbar?

In der Werbung war Periodenblut jahrzehntelang blau. Erst 2021 hat sich ein Bindenhersteller getraut, eine rote Flüssigkeit zu verwenden. Im gleichen Jahr hat ein deutsches Start-Up tatsächlich Investoren für eine zweifelhafte Idee gefunden: Mit dem Verkauf von Pinky Gloves (pinke Handschuhe) wollten sie erreichen, dass sich keine Frau mehr mit bloßen Fingern im Intimbereich anfassen muss und niemand mehr den Anblick eines blutigen Tampons im Mülleimer zu ertragen braucht. Sie haben dafür viel Kritik geerntet und haben ihr Projekt eingestampft. Aber es zeigt die immer noch vorhandene Grundhaltung - nicht nur von Männern.

Gerade deswegen finde ich es super wichtig und toll, dass es aktuell verschiedene Anlässe gibt, bei denen die Tage mal auf die Tagesordnung kommen: In Schottland ist jetzt ein Gesetz in Kraft getreten, das städtische und Bildungseinrichtungen dazu verpflichtet, kostenlos Menstruationsprodukte wie Tampons und Binden auszulegen. Hintergrund ist, dass die monatlichen Ausgaben für diese Produkte eine große finanzielle Belastung darstellen können. Laut einer Umfrage von 2017 betrifft Periodenarmut jede zehnte menstruierende Person in Großbritannien.

Kostenlose Tampons und Binden in Düsseldorf

Auch in Deutschland gibt es Menschen, die etwa Sozialleistungen empfangen und daher nur wenig Geld im Monat für Gesundheitspflege zur Verfügung haben. Immerhin hat eine Initiative 2020 bewirkt, dass der Mehrwertsteuersatz für diese Produkte von 19 Prozent (voller Satz) auf sieben Prozent (Satz für Produkte des täglichen Bedarfs) gesenkt wurde.

In Düsseldorf hat der Stadtrat nun beschlossen, das Auslegen von Menstruationsprodukten an weiterführenden Schulen zu bezahlen. Nicht nur wegen des finanziellen Aspekts finde ich das super. Es zeigt den Jugendlichen, dass die Periode auch im Schulalltag Platz hat, dass sie sich darauf verlassen können, versorgt zu sein, falls die Tage mal unerwartet kommen.

"Das ist ein guter Anfang, aber ich würde empfehlen, dass man auch andere Sachen einführen würde wie Wärmflaschen", sagt eine Düsseldorfer Schülerin. Und sie hat völlig recht. Denn die Periode ist mit der Benutzung eines Tampons oder einer Menstruationstasse nicht einfach abgehakt (auch wenn die Werbung uns das gerne glauben machen will). Krämpfe, Unwohlsein, Stimmungsschwankungen, Migräne, Rückenschmerzen - das sind oft lästige Begleiter. Manche merken kaum etwas. Anderen geht es so schlecht, dass sie das Bett nicht verlassen, nicht zur Schule, in die Uni oder zur Arbeit gehen können.

In Spanien wird deswegen gerade darüber diskutiert, ob ein Gesetz ermöglichen soll, dass jemand mit sehr starken Menstruationsbeschwerden bis zu drei Tage im Monat zusätzlich bezahlten Urlaub bekommen kann. Aus verschiedenen Gründen gibt es Widerstand gegen diese Gesetzesinitiative. Eine Abgeordnete sagte, sie befürchte eine Stigmatisierung der Frauen in der Arbeitswelt.

Ist das der Grund, warum wir über die Begleiterscheinungen der Regelblutung so wenig sprechen, frage ich mich? Ist es die Angst davor, man(n) könnte uns deswegen weniger zutrauen, weil wir Verletzlichkeit zeigen? Dabei wäre es so wichtig, sich auszutauschen, wie sich der Körper während der Tage verhält. Es geht um unsere Gesundheit.

In dieser Doku (siehe unten), erzählt eine Frau, 30 Jahre alt: "Bis vor einem Jahr wusste ich nicht, dass es Frauen gibt, die auch ohne großartige Schmerzen durch ihre Tage kommen." Und so wusste sie auch nicht, dass sie an der Erkrankung Endometriose leidet, die Schätzungen zufolge 15 Prozent aller Menstruierenden haben. Ihre Schleimhaut hat sich auch im Bauchraum ausgebreitet. Das führt zu Verwachsungen und eben wahnsinnig starken Schmerzen vor und während der Blutung. Sie hätte schon viel früher behandelt werden können. Jetzt helfen ihr nur noch Operationen.

Der Zyklus ist mehr als eine Blutung!

Die Periode ist lästig, die Periode ist manchmal schmerzvoll, sie kostet uns Geld. Trotzdem wäre es mir auch wichtig, dass wir über positive Aspekte des weiblichen Zyklus mehr sprechen. Er ist die Voraussetzung dafür, dass wir Kinder bekommen können. Sollten wir deswegen nicht schon eine positive Grundeinstellung zur Periode haben? Sie zeigt uns außerdem an, ob es uns grundsätzlich gut geht. Bei psychischen oder körperlichen Erkrankungen, bei Überbelastung oder Depressionen können die Tage ausbleiben.

Und: Der Zyklus ist mehr als die Blutung. Im Laufe des Monats sorgen die Hormone zwar dafür, dass wir mal miese Laune haben und sehr empfindlich oder müde sind. Dann aber gibt es auch die Phase, in der die Hormone uns einen Push geben können. Wir sind leistungsfähiger, kreativer und ausgelassener. Im Leistungssport zum Beispiel halten diese Erkenntnisse allmählich Einzug in Trainingspläne.

Es liegt in unserer Hand

Wenn wir selbst als Menstruierende anfangen, über all das mehr zu sprechen, haben wir auch selbst in der Hand wie das Narrativ ausfällt. Dann gibt es hoffentlich bald kein Stigma mehr, keine Scham. Es lohnt sich also auf so vielen Ebenen die Periode und alles drum herum endlich aus der Tabu-Zone zu holen!

Was meinen Sie? Bloß nicht drüber reden - das ist zu intim! Oder war das Thema für Sie - auch als Mann - noch nie ein Tabu? Denken Sie, wir bräuchten noch viel mehr Aufklärung über die Menstruation? Lassen Sie uns diskutieren. Schreiben Sie uns - in den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

  • Caro Wißing 23.08.2022, 11:13 Uhr

    Das ist schön, wenn Sie da nie solche Scham-Barrieren erlebt haben. Aus vielen Gesprächen aber weiß ich, dass das nicht immer so ist - egal in welcher Generation.

  • Anonym 21.08.2022, 07:23 Uhr

    Die Schwerkraft wirkt nach unten, Sonnenaufgang ist im Osten, Wasser ist nass, Frauen kriegen ihre Tage, Männer kriegen Haarausfall. 99,9% aller Menschen kommen mit diesen naturgegebenen Fakten zurecht oder arrangieren sich damit. Die anderen brauchen solche Kolumnen. Diese Themen müssen weder enttabuisiert, noch in den Vordergrund gezerrt werden, weil sie nämlich offensichtlich sind.

    • Caro Wißing 23.08.2022, 11:04 Uhr

      Wenn es aber doch so ist, dass aus einem Schamgefühl heraus bestimmte Aspekte der Periode nicht angesprochen werden, Wissen fehlt, Austausch fehlt, gesundheitliche Aufklärung Grenzen hat, dann sollten wir das Thema vielleicht doch in den Vordergrund rücken.

  • Gabriele 20.08.2022, 21:56 Uhr

    Ich bin vor kurzem 60 Jahre alt geworden Nach meinem 2.Kind trafen sich die Frauen meiner Familie zum Einmachen Meine Mutter fragte mich ob ich schon wieder menstruiere Nach meiner Antwort ja gerade zu erster Mal wollten mich die älteren Frauen aus meiner eigenen Küche werfen mit der Begründung damit die Einmachgläser nicht aufgehen Ich habe mir damals geschworen meine Tochter offen und ohne Vorurteile zu erziehen Leider hat die Gesellschaft mehr erreicht als ich