Irgendwie war es dann doch ein geiler EM-Sommer! | MEINUNG

Stand: 14.07.2024, 06:00 Uhr

Vor sechs Wochen hab ich mich auf das Ende der EM heute gefreut. Witzig, dass ich dem jetzt doch hinterhertrauere - dank ausländischer Gäste, der sympathischen DFB-Elf und dem Internet.

Von Minh Thu Tran

Dieser Sommer hatte eigentlich alle Zutaten, um ein blöder Sommer zu werden: Es gab Hochwasser in Süddeutschland und auch danach ständig Regen und Gewitter. Um mich herum waren alle krank und EM-Vorfreude im Land? Fehlanzeige! Und das ging nicht nur mir so: Laut einer Umfrage von infratest dimap Ende Mai hatte etwa die Hälfte der Befragten signalisiert, bis zu dem Zeitpunkt kurz vor Start des Turniers eher wenig oder kein Interesse für die EM aufzubringen.

Und doch kam alles anders

Trotz allem blühte eine gerade magische Stimmung im Land auf. Zum einen lag das an den tollen europäischen Gästen im Land. Ich fand es schön, unterwegs in Köln überall feiernde Fußballfans zu sehen. Ich habe unzählige High Fives verteilt - im Zug nach Süddeutschland an einen schottischen Fan im Kilt, in der Kölner Innenstadt an belgische und rumänische Fans, bei einem Besuch in Berlin an euphorische türkische Fans nach dem Einzug ins Viertelfinale.

Die Internet-Memes waren mein Highlight

Obwohl ich nicht der größte Fußballfan bin: Diese EM war Gold wert! Es gab brutal witzige Videos von "naar links und naar rechts" hüpfenden orangenen Niederländern.

Von Anhängerinnen und Anhängern verschiedener Fußballnationen, die sich vor allem damit maßen, welches Land die bessere Küche habe. So haben zum Beispiel albanische Fußballfans eine Packung Spaghetti vor ihren italienischen Rivalen durchgebrochen. Vom Saxofonisten, der in der Fanzone für gute Stimmung sorgt. Und natürlich der gute alte Balkonultra, der seine Message „Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen“ inbrünstig aber doch nachbarschaftsfreundlich vom Balkon grölt - und damit selbst bei Pyrotechnikgegnern zumindest für einen Ohrwurm gesorgt hat.

Aber auch die Nationalmannschaft hat mir sehr viel Freude bereitet. Und das lag nicht nur daran, dass sie zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder gut gespielt haben und endlich die Hoffnung aufkam, dass sie es vielleicht ganz weit schaffen könnten (auch wenn ein spanisches Handspiel uns dazwischen kam). Es lag vor allem daran, wie authentisch sich die Mannschaft präsentieren durfte. Die Memes-Maschinerie machte auch vor der deutschen Elf nicht Halt - den Anfang machte Florian Wirtz mit seinem Ranking der Kartoffelgerichte (normale Kartoffeln auf die 1), das sogar zum Ballermann Hit wurde.

Wer hätte auch gedacht, dass sich eine liebenswürdige, aber unfreiwillige Komik entwickelt, wenn man die Youngster und Schlaftabletten der Nation, Florian Wirtz und Jamal Musiala, in Presseauftritten zusammen setzt. Der DFB hat den Spielern bei diesem Turnier viel Freiheit gegeben, Momente der Mannschaft aus dem Trainingslager ins Internet zu posten. David Raum beim Telefonat mit den Großeltern, Joshua Kimmich beim vollbekleideten Sprung in den Pool, Deniz Undav bei der Room-Tour im Trainingslager.

Die Spieler wirkten befreit, entspannt und ganz Internetdeutschland hatte das Gefühl, zusammen mit der DFB-Elf auf Klassenfahrt zu sein. Jetzt ist die Klassenfahrt erstmal vorbei, aber die nächste kommt bestimmt.

Die EM hat uns abgeholt, die Bahn öfter nicht

Natürlich war nicht alles perfekt, bei weitem nicht. Und auch bei einer Klassenfahrt gibts ja schlechtes Wetter - oder man strandet, so wie viele EM-Besucher, wegen der Bahn. Erst letzte Woche ist das der niederländischen Nationalmannschaft passiert, die deswegen in den Flieger steigen musste und eine Pressekonferenz verpasste.

Die Bahn hat einach zu wenig Sonderzüge eingeplant. In Gelsenkirchen brauchten Fans teilweise alleine zum Bahnhof über 2,5 Stunden, und auch am Bahnhof selbst standen sich noch drei Stunden nach Abpfiff Fans die Beine in den Bauch. Beim ersten Spiel der Österreicher in Berlin strandeten dutzende Fans in Passau - Schienenverkehr fuhr nicht, es gab Personen auf der Fahrbahn, und naja, die Österreicher wissen es ja auch: "Die deutsche Bahn ist im Oasch".

Die Bahn sprach von Problemen durch die eingeschränkte Infrastruktur und Hochwasserschäden - da habe man das Maximum rausgeholt. Andererseits hatten sowohl die Lokalbehörden als auch die deutsche Bahn lange Zeit, um sich auf dieses Großevent vorzubereiten. Schade, dass bei vielen Gästen bei der EM der Eindruck vom Deutschlandbesuch durch Verspätungen und Ausfälle getrübt wurde.

Was lief bei dieser EM besser als bei den letzten und was waren Ihre EM-Highlights? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Kommentare zum Thema

  • M.Lechmann 15.07.2024, 11:57 Uhr

    Die Pfiffe gegen Cucurella waren schon peinlich. Fremdschämen.

  • Georg Restle 15.07.2024, 11:50 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • PBMM 15.07.2024, 11:31 Uhr

    Mich hat das Turnier nicht so begeistert. Obwohl es in Deutschland war, waren die Anstoßzeiten eine absolute Katastrophe. Die besten Spiele häufig erst um 21 Uhr unter der Woche. An Menschen, die arbeiten müssen und Kinder hat anscheinend niemand gedacht. Unser Auftritt, ja minimal besser als in den letzten Turnieren. Gegen Dänemark hat uns der Schiedsrichter den Sieg durch Fehlentscheidungen eingebracht, gegen Spanien wurde heftig zugetreten. Auch die Schweizer waren besser. Also so stark, wie in den Medien dargestellt, haben wir nicht gespielt.