Temperaturanzeige auf einem Thermometer.

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Wieder Hitzesommer - und Deutschland leidet weiter | MEINUNG

Stand: 25.06.2023, 06:00 Uhr

Können wir bitte aufhören, Hitze und Dauersonne zu bejubeln? Die Rekordsommer sind eine echte Gefahr für viele Menschen. Das aber haben wir in Deutschland noch nicht begriffen, meint Caro Wißing.

Von Caro Wißing

Es ist schon faszinierend, wie wir Menschen Risiken wahrnehmen - was uns gefährlich erscheint und was nicht. Neulich sagte ein Freund zu mir, er habe vorgehabt im Spätsommer in Ägypten am Roten Meer Urlaub zu machen. Nachdem da aber ein Tourist von einem Hai attackiert wurde, war das Thema für ihn gestorben. Viel zu gefährlich! Never ever werde er nach Ägypten reisen.

Dabei ist das Risiko von einem Hai gefressen zu werden etwa so hoch wie die Chance, einen Sechser im Lotto zu haben. Hingegen ist es für Risikogruppen - und mein übergewichtiger Freund zählt dazu - wesentlich wahrscheinlicher unter der knallenden Sommersonne Ägyptens einen Hitzschlag zu bekommen. Aber das spielte bei seiner Entscheidung für oder gegen den Urlaub keine Rolle.

Die gesundheitlichen Risiken blenden wir aus

Was Hitze mit unserem Körper anstellt, war lange kein großes Thema in Deutschland. Warum auch: Die Sommer mal warm, mal durchwachsen. Wenn wir es heiß und sonnig wollten, sind wir in den Süden nach Frankreich, Spanien oder in die Türkei gefahren. Mittlerweile aber jagt ein Rekordsommer den nächsten: Höchstwerte bei den Temperaturen, Tiefstwerte beim Niederschlag. An den ersten heißen Tagen jubeln noch alle. "Oh wie schön! Endlich Sommer!" Doch spätestens nach einer Woche Dauerhitze stöhnt ganz Deutschland.

Kreislaufprobleme, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit - nicht wenige leiden unter diesen Symptomen. Und Tausende sterben sogar aufgrund der Hitze. Das ist keine Übertreibung. Caro Wißing

Auch der Sommer 2022 war wieder mal ein Sommer der Rekorde. Noch nie hatten wir so viele heiße Tage in Deutschland und ganz Europa: 15.000 Menschen sind an den Folgen der Hitze gestorben. 4.000 in Spanien, 1.000 in Portugal, 3.200 in Großbritannien. Und die allermeisten Todesfälle - nämlich 4.500 - gab es in Deutschland. Wegen des Klimawandels müssen wir uns auf immer häufiger vorkommende Wetterextreme einstellen. Das kann mal ein Sommer mit sehr viel Regen sein, Klimaforschende aber erwarten auch öfter krasse Hitzesommer.

"Wir müssen dringend verstehen, dass unter all den Gesundheitsgefahren, die mit der Klimakrise auf uns zukommen, die Hitze mit Abstand die gefährlichste ist." Das sagt Eckart von Hirschhausen, Arzt und Moderator. Ihn habe ich letztens zum Interview getroffen. Eigentlich zu einem ganz anderen Thema. Aber wir hatten schon wieder einige Hitzetage hinter uns und er pochte geradezu darauf: "Wir müssen über die Hitze und die schlimmen Folgen sprechen - wir haben eine Gefahrenlage, die in Deutschland kaum gesehen wird."

Eckart von Hirschhausen bei der "NDR Talk Show" in Hamburg.

Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen

Da sind Millionen Menschen mit Übergewicht, Kreislauferkrankungen, Diabetes, Lungenerkrankungen, Allergien - sie alle sind bei Hitze besonders gefährdet. Bei Schwangeren steigt das Risiko einer Fehlgeburt. Hohe Temperaturen wirken sich auch auf die Psyche aus: Hitze verursacht Stress und der führt zu mehr Aggression, mehr Impulshandlungen, mehr Unfällen. Psychische Erkrankungen können sich verschlechtern, mehrere Studien - darunter eine aus den USA von 2018 - zeigten sogar einen Zusammenhang zu mehr Suiziden. Kleinkinder können noch nicht so gut ihre Körpertemperatur regulieren. Genauso ältere Menschen. Und von denen leben in Deutschland bekanntlich sehr viele. Diese vulnerablen Gruppen bei Hitze zu schützen, die Einrichtungen des Gesundheitswesens darauf vorzubereiten, daran scheitern wir bisher, sagt Hirschhausen.

Hitzeresistente Gebäude statt Treibhäuser - wir müssen anders bauen

Schauen wir uns doch mal um. Wie sehen denn Alten- und Pflegeheime in Deutschland aus, oder Krankenhäuser? Große Glasfassaden und Stahlbeton, die sich aufheizen im Sommer. Keine Klimaanlagen, keine Dachbegrünung, keine kühlen Rückzugsmöglichkeiten. Die Pflegerinnen und Pfleger kommen an heißen Tagen an ihre Grenzen, weil sie gar nicht so oft mit dem Trinkbecher hinter den Patientinnen oder Bewohnern herrennen können, wie die zusätzlich trinken müssten.

Während ich diesen Text hier schreibe sind es draußen 25 Grad - in meinem Homeoffice allerdings zeigt das Thermometer 27 Grad. Ich habe keine Chance, die Wärme aus meinen Räumen rauszuhalten. Sie schleicht sich einfach rein. Und bleibt dank der aufgeheizten Wände für Tage.

Wir sprechen gerade viel über klimagerechte Gebäudesanierungen. Dabei denken wir dann an kalte Winter, in denen wir hoffentlich weniger heizen müssen. Dass wir umgekehrt aber genauso Gebäudesanierungen brauchen, damit sich unsere Wohnungen im Sommer nicht in Backöfen verwandeln, darüber spricht kaum jemand: kleinere Fenster, weniger Stahlbeton, gut isolierte Wände mit atmenden Materialien, weiße Fassaden.

Ein Extrembeispiel dieser Tage, bei dem ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen soll: Das Genoveva-Gymnasium in Köln macht seit Tagen nur noch Unterricht im Freien. Denn im Schulgebäude ist schon morgens eine Temperatur von 40 Grad erreicht. Und wir sprechen hier nicht von einem alten, maroden Gebäude. Wir sprechen von einem Neubau, vier Jahre alt. Die Architekten haben über Innenhof und Treppenhaus ein lichtdurchlässiges Luftkissen-Dach gebaut. Sieht toll aus, keine Frage. Mit den ersten Sonnenstrahlen aber heizt sich der Bau auf. Die Planer haben die Schule also quasi in ein Treibhaus verwandelt. Und haben dafür auch noch einen Preis bekommen. Na Bravo!

Auch die Städte sind keinesfalls so gestaltet, dass die Hitze schnell wieder verschwindet. Gerade in NRW ist das ein Problem. Fast die Hälfte der Menschen hier lebt in urbanen Räumen. Und da fehlt es an Grünflächen, an Frischluftschneisen, an Wasserflächen und Bäumen, die ein wenig für Abkühlung sorgen. Alles ist zubetoniert und zugepflastert. Busse und Bahnen sind selten klimatisiert. Sich in der Stadt zu bewegen, ist im Sommer eine Qual. Ich habe Freunde, die aus Mittelmeerländern oder von der arabischen Halbinsel kommen. Sie wissen, was erbarmungslose Hitze ist. Aber selbst sie sagen: In Deutschland ist das nicht auszuhalten!

Frankreich macht vor wie Hitzeschutz aussehen kann

In genau solchen Ländern könnten wir uns ja etwas abgucken. Frankreich zum Beispiel hat nach einem tragischen Rekordsommer 2003 mit 70.000 Toten in Europa einen Hitzeschutzplan für jede Kommune eingeführt. Und der greift schon, bevor die Hitze anrollt und sich die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode schwitzen. Sind heiße Tage angekündigt, informieren Ärzte ihre gefährdeten Patienten. Über alle möglichen Kanäle werden Pläne mit kühlen Orten an die Menschen herausgegeben: Wo ist ein Park mit vielen Bäumen, wo ist ein klimatisierter Supermarkt, wo ist eine alte Kirche, in der man für ein paar Stunden runterkühlen kann?

Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD hat jetzt solch einen Hitzeschutzplan auch für Deutschland auf den Weg gebracht. Erfahrungsgemäß dauert es dann aber noch lang, wenn nicht Jahre, bis der in allen Kommunen umgesetzt wird. Was können wir bis dahin tun? In diesem Sommer schon? Wie wäre es, wenn wir die gefährdeten Menschen in unserem Umfeld ansprechen, Hilfe anbieten? Oder wie wäre es, wenn parallel zum Wetterbericht in Radio, Fernsehen und auf Websites immer auch Hinweise gegeben werden: Viel trinken, nicht so viel bewegen, schattige kühle Räume aufsuchen! Ältere Menschen vergessen so einfache Regeln.

Auch Arbeitgeber können ihren Angestellten mehr Freiheiten einräumen, mehr Pausen. Die Siesta in Spanien ist nicht aus Faulheitsgründen entstanden. Manche Berufsgruppen bringen sich in echte Gefahr. Oft genug schon habe ich Dachdecker ohne Kopfbedeckung in der prallen Mittagssonne Dachpappe verschweißen sehen. Hitze von allen Seiten. Das ist schon tödlich geendet. Eckart von Hirschhausen erzählt mir von so einem Fall in Augsburg. Der Dachdecker sei mit einer Körpertemperatur von 43 Grad ins Krankenhaus eingeliefert worden "Ein einmal gekochtes Ei kriegste auch nicht wieder flüssig. Genauso verhält sich das Eiweiß in unserem Hirn bei Temperaturen ab 42 Grad."

Wenn wir nicht schnell was tun, um mit den Hitzesommern besser zurechtzukommen, werden wir den alten Rudi Carell-Schlager wahrscheinlich aus Sehnsucht bald umdichten:

"Wann wird’s mal wieder ein schlechter Sommer? Ein Sommer, wie er früher einmal war. Ja, mit Regen von Juni bis September. Und nicht so warm und nicht so tropisch wie im letzten Jahr…"

Was denken Sie? Wie können wir hier in Deutschland besser mit den Hitze-Sommern umgehen? Welche Maßnahmen wären wichtig? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

168 Kommentare

  • 168 @Manfred 1960 01.07.2023, 23:47 Uhr

    Unsere grüne Annalena sagt sich : Was der Robert kann; das kann ich auch: Was bei Robert der teure Leibfotograf ist; das ist bei der Annalena die teure Kosmetikerin , natürlich auch finanziert von unserem Geld in Höhe ca. 7000 ,- Euro p.M., die sie sogar ständig rund um die Uhr begleitet auf allen Reisen: Hauptsache ; das Make up ist tadellos und die Frisur sitzt ! Das muß einem Rentner , der 45 Jahre vollschichtig gearbeitet hat zum Durchschnittslohn, ständig ffentl. Abgaben gezahlt hat und dann am Lebensabend aktuell mit ner vom Staat Rente nur im Schnitt in Höhe Euro 1152 ,- p.M. abgespeist wird , geradezu wie eine Bestrafung seiner Lebensleistung vorkommen. Politiker erhalten auch schon mit 57 Jahren Alterspension, die und 3 Male höher als Renten sind. .

  • 167 Monika 01.07.2023, 10:58 Uhr

    Was ist jetzt in Deutschland anders als als noch vor 3 Jahren? Oh nein was machen denn die ganzen heißen Länder? Sind dort all die Menschen schon an Hitze gestorben? Oder sind sie einfach klug genug um mit der Situation umzugehen? .Genügend trinken, langsam machen, Siesta usw. Nur Maulwürfe, vampire und Diebe verabscheuen das Sonnenlicht.... Photosynthese ganz wichtig für das Leben hier auf Erden. Lasst euch doch nicht so viel Angst einjagen. Fängt an selbst zu denken und zu fühlen. Z B. Wo fühlt ohr euch wohler im Keller oder auf der Sonnigen Terrasse?

  • 166 Da Markus 01.07.2023, 10:21 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er beleidigend ist. (die Redaktion)

  • 164 Anonym 01.07.2023, 07:07 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er beleidigend ist. (die Redaktion)

  • 163 Hubert Weber 01.07.2023, 01:25 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er sich nicht auf das Thema der Diskussion bezieht. (die Redaktion)

  • 162 Jack A. Lope 30.06.2023, 23:42 Uhr

    Hier ist überhaupt gar kein "Hitzesommer" (allein, diese infantile Wortschöpfung😬)! Die Temperaturen waren im Juni ganz normal - mit ein paar heißen Tagen, aber im wesentlichen normal. Sogar hat es nachts meist immer noch empfindlich abgekühlt. Und geregnet hat es auch. Es gab heiße Jahre in meiner Erinnerung: 1976, 1983, 1992, 2003, 2018. Alles andere hab ich als ganz normale Sommer in Erinnerung - in denen es meist dann auch immer mal ein paar heiße Tage gab - das schätze ich auch nicht so, aber das erträgt man eben mal. Hört endlich auf mit dieser Wetterpanik. Ist ja nicht zum aushalten. Wir haben wirklich andere Probleme. Jedoch gebe ich eines zu bedenken: Ja, ich habe auch den Eindruck, dass sich etwas geändert hat: Wir haben mehr Sonnenschein. In meiner Erinnerung kommt es mir so vor, als wäre der Himmel früher oft grauverhangen gewesen, heute ist er öfter blau. Vielleicht liegt es daran, dass mehr gegen Luftverschmutzung getan wird?

  • 161 Ruth Philippi 30.06.2023, 23:04 Uhr

    Dieser Kommentar wurde mehrfach abgegeben und daher an dieser Stelle gesperrt. (die Redaktion)

  • 160 Ruth Philippi 30.06.2023, 23:01 Uhr

    Wie wäre es, wenn Sie endlich einmal mit dieser Angst- und Panikmache aufhören? Es gibt ganz andere Probleme auf dieser Welt!

  • 159 nobody 30.06.2023, 22:56 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er sich nicht auf das Thema der Diskussion bezieht. (die Redaktion)

  • 158 Achim 30.06.2023, 22:41 Uhr

    Den Artikel meinen Sie doch nicht etwa ernst - soll das Satire sein? "...Wo ist ein Park mit vielen Bäumen, wo ist ein klimatisierter Supermarkt, wo ist eine alte Kirche, in der man für ein paar Stunden runterkühlen kann?..." Mal abgesehen davon, dass JEDER weiß, wo sich o.g. Dinge befinden, ist der Park oft Schauplatz von Gewalt, der Supermarkt zu teuer und die Kirche im Dorf geschlossen. Sie machen sich lächerlich. Wer ist Hirschhausen? Einer, der den "vulnerablen" Gruppen vorschreibt, was sie tun sollen? Ich bitte Sie...

  • 157 Bern 30.06.2023, 22:40 Uhr

    Wo ist mein Kommentar?

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