Ein Mann wird von zwei Polizisten in ein Flugzeug begleitet

Mit Abschiebungen allein ist es nicht getan | MEINUNG

Stand: 27.10.2023, 06:00 Uhr

Rascher und einfacher. Die Bundesregierung möchte Abschiebungen schneller durchsetzen. Doch der große Wurf ist das nicht. Und das hat auch mit dem politischen Wettbewerb zu tun, meint Kolumnist Lars Fuchs.

Von Lars Fuchs aus dem ARD-Hauptstadtstudio

Jetzt aber. Die Bundesregierung hat in dieser Woche ihr Rückführungsverbesserungsgesetz auf den Weg gebracht. Unter anderem bekommt die Polizei mehr Befugnisse. Menschen ohne Asyl und Bleiberecht sollen Deutschland so auch gegen ihren Willen schneller verlassen müssen. Gut so, werden viele denken, denn laut ARD-Deutschlandtrend sagen acht von zehn Menschen, dass Deutschland die Abschiebungen schlecht gelingen.

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Und damit sind wir mittendrin in einer Debatte, die in der Politik viel Raum einnimmt. Da sind die Kommunen und die Bundesländer, die kaum noch wissen, wie sie geflüchtete Menschen unterbringen und integrieren sollen. Da sind Politikerinnen und Politiker deren Zustimmungswerte im Sinkflug sind und die das Thema Migration dafür als Ursache ausgemacht haben. Die Zahlen müssen runter, lautet das Ziel.

Und so ist der Bundeskanzler, mit grimmigem Blick, auf dem Cover des Spiegel zu sehen, mit der Bildunterschrift: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben". Das vollständige Zitat im Interview lautet zwar: "Es geht nur mit einem Bündel von Maßnahmen. Und eine wichtige Maßnahme habe ich noch gar nicht genannt. Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben in Deutschland zu bleiben." - die Botschaft bleibt trotzdem markig und klar.

Trippelschritte statt großer Wurf

Gefragt nach der Zahl der Menschen, die ausreisen müssen, weil sie kein Asyl in Deutschland bekommen und bei denen kein Grund gegen eine Abschiebung spricht, antwortete das Bundesinnenministerium, dass es Ende September 50.134 Menschen waren. Hinzu kommen rund 19.000 Menschen, bei denen die Identität unklar ist und sie deshalb nicht abgeschoben werden können. Auch an dem Punkt setzt das neue Gesetzespaket an und die Behörden sollen mehr Befugnisse bekommen, um Identitäten festzustellen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD spricht bei ihrem Gesetzentwurf von einem "Bündel restriktiver Maßnahmen", um irreguläre Migration nach Deutschland "deutlich zu begrenzen".

Doch die rhetorische Schärfe und das zu erwartende Ergebnis passen meiner Beobachtung nach nicht zusammen. Denn zum Beispiel sagen die zuständigen Behörden, dass sie deutlich mehr Personal brauchen, um Abschiebungen beschleunigen zu können. Außerdem braucht es Abkommen mit den Heimatländern, damit sie ihre Staatsbürger auch wieder zurücknehmen. Die gibt es nicht in jedem Fall. Die Bundesregierung hat zwar einen Sonderbeauftragen ernannt und der fliegt Anfang der Woche nach Marokko um über Rückführungen zu verhandeln, doch das ist nicht einfach.

Angesichts von mehr als rund 250.000 Asylbewerbern, die alleine in diesem Jahr bislang kamen, werden Abschiebungen alleine die Überforderung der Kommunen nicht verringern.

Lautstärke und Tonlage verschärfen sich

Beim Thema Migration gibt es nicht die eine Lösung und auch keine schnellen Lösungen, dafür ist das Thema zu komplex. Doch jeder Vorschlag sorgt für eine Erwartungshaltung. Vor allem, wenn er so deutlich vorgetragen wird, wie dieser. Und jede nicht eingehaltene Erwartung sorgt für einen neuen Vorschlag. Im Wettkampf um die Wählergunst verschärfen sich Tonlage und Lautstärke. Das macht die für eine Demokratie grundlegenden Kompromisse nicht leichter.

Gleichzeitig steigt bei Wählerinnen und Wählern der Frust, weil aus ihrer Sicht zu wenig geschieht. Passieren wird das wohl auch beim Thema Abschiebungen

In der Lautstärke geht unter, dass die Bundesinnenministerin selbst, in ihrem eigenen Gesetzesentwurf schätzt, dass die Zahl der Abschiebungen pro Jahr um rund 600 steigen wird, eben weil das Thema so komplex ist. Lars Fuchs

Gemessen an der rhetorischen Schärfe der Ankündigungen ist das nicht viel. Ich kann nachvollziehen, dass Politikerinnen und Politiker unter Druck stehen, Lösungen zu präsentieren. Besser wäre die Präsentation eines ganzen Pakets gewesen: bei dem es nicht nur um Abschiebungen geht, sondern auch um Arbeitsmarktzugänge und die Hilfe für Kommunen.

Was meinen Sie, woran hängt es in der Asylpolitik? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

44 Kommentare

  • 44 Sandra Marlies 01.11.2023, 18:23 Uhr

    Seit 2015 haben sich die sogenannten Politiker in Europa keine Gedanken darüber gemacht, etwas Wirkungsvolles zu beschließen. Das ist doch Fahrlässig !!! Sie spielen mit unserer inneren Sicherheit und dem Wohlstand. Es wundert mich nicht, dass es Menschen zur AFD zieht. Ist es doch die Partei, die uns genau das, was wir jetzt sehen, voraus gesagt hat.

  • 43 M. Lechmann 01.11.2023, 12:16 Uhr

    Wenn Geflüchtete wie Abou-Chaker auf TIKTOK posten: „Für mich ist Adolf Hitler besser als Netanjahu“, dann setzt bei mir schon ein Nachdenken ein. Und wenn ich die Zahlen sehe, die rechtsextreme Migranten-Organisaionen an Mitgliedern haben, in absoluten Zahlen mehr als AFD & Co, dann ist Furcht vor Migranten nicht völlig unbegründet. Selbstverständlich muß man da auch differnzieren. Es gibt auch Migranten, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen. Ein afrikanischer Freund von mir setzt sich in seiner Stadt beispielhaft für Demokratie und gegen Rassismus ein. Aber im Ausländerbeirat ist er mit anderen Demokraten nur eine Minderheit gegen Nationalisten und religiöse Fundamentalisten.

  • 40 A. Wilf 31.10.2023, 15:01 Uhr

    Danke für die differenzierte Betrachtung in dieser unsachlichen Debatte, Herr Fuchs, bei der fast jede demokratische Partei, zuletzt auch die FDP, der AfD hinterherhetzt statt den Rechtsextremen programmatisch und argumentativ entgegenzutreten.

  • 39 31.10.2023, 14:42 Uhr

    Name und Kommentar wg. Netiquette-Verstoßes gesperrt. (die Redaktion)

  • 37 @Ylander 31.10.2023, 11:15 Uhr

    In welchen Staat wir leben, wollen Sie wissen (#22). Wenn man die hier geposteten Beiträge liest, ist die Antwort erschreckend: In einem Staat, in dem die Furcht vor Geflüchteten das Nachdenken außer Kraft setzt. Wo Teile der Bevölkerung Menschenrechte für Migranten verweigern. Wo manchen nötig scheint, einen "gärenden Haufen" (A. Gauland) rechtsradikaler Demokratieverächter zu wählen, weil sie die härtesten Maßnahmen gegen Migranten versprechen (#7). Zum Glück sind die Kommentare (noch) nicht repräsentativ.

    Antworten (3)
    • @@Ylander 01.11.2023, 10:06 Uhr

      ...in einem Staat, in dem die Furcht vor Geflüchteten durchaus berechtigt ist, da ein Teil dieser Geflüchteten nicht Willens sind, die hier geltende Ordnung und das Rechtssystem anzuerkennen (Köln Sylvester / Clankriminalität). In einem Land, in dem die Flüchtlinge Menschenrechte nicht akzeptieren. In einem Land, in dem Migranten sich tagelange Strassenkämpfe liefern, ohne dafür bestraft zu werden. In einem Land, in dem viele Migranten die Demokratie verachten, jedoch sehr gerne dessen Vorteile genießen.

    • Ylander 01.11.2023, 12:33 Uhr

      @ @Ylander: Ich teile Ihre Meinung in keiner Weise, da sie aus meiner Sicht ohne tragfähige Grundlage ist. Die Realität sieht komplett anders aus, als Sie es darstellen.

    • Herbert Runde 01.11.2023, 13:46 Uhr

      Es gibt kein Menschenrecht bei politischer Verfolgung sich ein Land seiner Wahl auf der Erde mit besseren Sozial- und Lohnniveau auszusuchen. „Wir müssen Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen", zitiert Ralph Sina den Altbundespräsidenten Gauck in der Kolumne bei ImPuls vom 22.09.2023.

  • 33 Anonym 30.10.2023, 22:23 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er beleidigend ist. (die Redaktion)

  • 32 Maria.Anna.P. 30.10.2023, 19:22 Uhr

    An die Redaktion: ich habe meine Meinung zu diesem Thema geschrieben, wie ich dieses Thema Flüchtlinge erlebe in der Öffentlichkeit. Was dabei "diskriminierend " sein soll verstehe ich nicht! So weit ist es gekommen für uns Deutsche, bin Jahrgang 1958 . Solange man Ihre Meinung hat ,danke . MfG.

  • 31 Anonym 30.10.2023, 16:48 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er beleidigend ist. (die Redaktion)

  • 30 Maria.Anna.P. 30.10.2023, 15:20 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er diskriminierend ist. (die Redaktion)

  • 29 M. Lechmann 30.10.2023, 12:08 Uhr

    Eine bessere Integrationspolitik wäre notwendig. Ein Beispiel sind Ausländer/Integrationsbeiräte. Seit Gründung der Ausländerbeiräte stehen diese Organe mehrheitlich eher für eine Förderung von Parallelgesellschaften als Integration. Angesichts der Äußerungenvon Erdogan, verstehe ich nicht weshalb die Arbeitsagetur die DITIP für Integrationskurse bezahlt. Werden von der Politik zu oft Organisationen gefördert, deren Politik sich gegen die Werte des Grundgestzes richtet?

  • 28 Anonym 30.10.2023, 10:22 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er beleidigend ist. (die Redaktion)