Bessere Versorgung mit Hausärzten

02:12 Min. Verfügbar bis 22.05.2026

Hausarztpraxen: So soll die ärztliche Versorgung besser werden

Stand: 22.05.2024, 17:27 Uhr

Wer in NRW auf dem Land lebt, kennt das möglicherweise: Bis zur nächsten Hausarztpraxis ist es ein Stück. Gesundheitsminister Lauterbach will das mit einem neuen Gesetz ändern.

Besonders in den ländlichen Gebieten NRWs sind Hausarztpraxen dünn gesät. Mehr als die Hälfte aller Arztpraxen befinden sich hierzulande in städtischen Gebieten mit dichter Besiedlung.

Und dieser Notstand dürfte sich noch verschärfen: In den kommenden Jahren werden viele Hausärzte in Rente gehen. Allein im Gebiet Nordrhein sei mehr als jeder dritte Hausarzt über 60 Jahre alt, hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein zuletzt gemeldet. Bis zum Jahr 2030 könnten hier voraussichtlich 80 frei werdende Hausarztsitze pro Jahr nicht nachbesetzt werden, so die KV

Bis zu 3.800 Patienten pro Praxis

Im Kreis Gütersloh beispielsweise ist eine Hausarztpraxis statistisch gesehen für 3.470 Menschen, im Kreis Borken für 3.791 Menschen zuständig. Anders in den Städten: In Düsseldorf versorgt eine Hausarztpraxis 2.846 Menschen, in Bochum 2.880. Insgesamt ist laut IT-NRW die Zahl der Hausarztpraxen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken.

Im Dezember hatten Hausärzte bundesweit demonstriert. "Die Politik ignoriert jegliches Bemühen der ambulanten Versorger zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung", hatte der Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Nordrhein, Oliver Funken, gesagt.

Jetzt will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) offenbar aktiv werden: Am Mittwoch stimmte das Bundeskabinett für das sogenannte "Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz". Das Gesetz zielt unter anderem auf eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung.

Keine Honorarobergrenze, mehr Zeit für Patienten

Hausärztinnen und -ärzte sollen dafür mehr finanzielle Spielräume bekommen: Geplant ist eine sogenannte Entbudgetierung, bisherige Honorarobergrenzen würden damit wegfallen. Mehrarbeit soll sicher bezahlt werden, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist. Die Arbeit der Hausärztinnen und Hausärzte werde attraktiver gemacht, betonte Lauterbach.

Ein DIHVA untersucht eine Patientin

Praxen sollen wieder mehr Patienten aufnehmen

Gleichzeitig soll der Zugang zu Arztterminen leichter werden: Chronisch Kranke müssten künftig nicht mehr allein aus Abrechnungsgründen jedes Quartal zum Arzt. Stattdessen würden Kapazitäten für akute Fälle frei. Lauterbach hofft auch darauf, dass es sich durch die wegfallenden Honorarbudgets für die Hausärzte wieder lohnt, mehr Patienten aufzunehmen.

Eine neue "Vorhaltepauschale" sollen Praxen bekommen, die bestimmte, noch festzulegende Kriterien erfüllen -  etwa zu Haus- und Pflegeheimbesuchen oder Öffnungszeiten auch abends und an Samstagen.

Hausärzteverband enttäuscht

Nach der Entscheidung herrscht Enttäuschung beim Hausärzteverband Nordrhein. Oliver Funken, Vorsitzender des Verbandes, befürchtet, dass viele Hausarztpraxen schließen werden. Gehofft hatte der Hausärzteverband Nordrhein auf eine Maßnahme, mit der Patienten zunächst den Hausarzt aufsuchen - und nicht direkt eine Facharztpraxis.

Patienten warten im Wartezimmer einer Arztpraxis.

Keine Verbesserung für Patienten?

Mit den neuen Regelungen würden zudem die Sozialabgaben "weiter steigen", warnte Funke, "die freie Arztwahl wird als kostenintensives Modell aufrechterhalten". In der Patientenversorgung seien dadurch keine Verbesserungen zu erwarten. Das als "Revolution" angekündigte Gesetz tauge "nach den Streichtriaden in den letzten Wochen und Monaten nicht einmal mehr zu einem Revolutiönchen", so Funke.

Florian Lanz, Pressesprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), sieht in der Entbudgetierung das "Kernproblem" des neuen Gesetzes: "Am Ende wird es für die Beitragszahler teurer, ohne dass die Versorgung besser wird", sagt er dem WDR am Mittwoch.

Allgemeinarzt beliebte Fachrichtung

Trotz allem ist die Beliebtheit der Fachrichtung Allgemeinmedizin unter Medizinstudierenden in den vergangenen Jahren leicht angestiegen. Nach der Ärztestatistik der Bundesärztekammer ist Hausarzt derzeit sogar die zweitbeliebteste Fachrichtung, die Zahl der Anerkennungen wuchs in den letzten Jahren ständig.

Dennoch zeigen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein: Während in Fachrichtungen wie Haut-, Frauen- oder Augenarzt der Versorgungsgrad in den meisten Regionen bei über 100 Prozent liegt und für junge Ärztinnen und Ärzte keine neuen Sitze mehr zu bekommen sind, herrscht in der Kategorie Hausarzt flächendeckend noch Bedarf.

Verband der Ersatzkassen kritisiert "Gießkannenprinzip"

Der Verband der Ersatzkassen hatte schon im Vorfeld kritisiert, die geplanten Maßnahmen würden "keine spürbare Verbesserung der Versorgung bringen, sie aber deutlich verteuern." Mit mindestens 500 Millionen Euro würden Beitragszahlende zusätzlich belastet, schätzt der Verband.

Schon jetzt bekämen Hausärzte vor allem im ländlichen Bereich sämtliche Leistungen bezahlt. Zum Teil würden die zur Verfügung gestellten Mittel gar nicht ausgeschöpft. Die kritisierte Deckelung geschehe vor allem in Ballungsgebieten. Das Geld für die Bezahlung der Hausärzte solle nicht "mit der Gießkanne", sondern "zielgenau" verteilt werden, fordert der Verband.

Quellen:

  • Hausärzteverband Nordrhein
  • Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein
  • Bundesärztekammer
  • IT.NRW
  • DPA

Über das Thema hat WDR aktuell am 22.05.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet.

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