In Hagen war ein achtjähriger Junge so durch sein Handy abgelenkt, dass er am Montagnachmittag beim Überqueren einer Straße vor einen Bus gelaufen ist. Laut Polizei hat der 59-jährige Busfahrer zwar sofort eine Vollbremsung gemacht und versucht, dem Kind auszuweichen. Den Zusammenstoß konnte er trotzdem nicht verhindern.
Der Junge hatte Glück im Unglück: Er erlitt nur leichte Verletzungen und konnte von Rettungssanitätern noch an der Unfallstelle an seine Mutter übergeben werden.
Smartphone-Zombies: Smombies
Fälle wie dieser haben in den vergangenen Jahren zugenommen, nicht immer gehen sie so glimpflich aus. Seit 2015 gibt es für Fußgänger, die so sehr in ihr Smartphone versunken sind, dass sie nicht mehr auf ihre Umgebung achten, sogar einen eigenen Begriff: Smombies – eine Kombination aus Smartphone und Zombies. Der Langenscheidt-Verlag wählte es damals zum Jugendwort des Jahres.
Laut einer Studie der Allianz aus dem Jahr 2019 tippen 43 Prozent aller Befragten beim Gehen auf ihrem Handy, rund zwei Drittel telefonieren und etwa ein Viertel hört Musik. Dabei gebe es einen Zusammenhang zwischen Ablenkung und Unfallrisiko. "Die Nutzung elektronischer Geräte erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen Fußgänger, einen Unfall zu erleiden", sagt Studienautor Jörg Kubitzki. So steige das Risiko beim Musikhören um mehr als das Vierfache, beim Texten um das Doppelte.
Keine rechtlichen Konsequenzen
Der besorgniserregende Trend macht sich auch in der Unfallstatistik bemerkbar. "Zwei Drittel aller Unfälle passieren innerorts", erklärt Peter Schlanstein, Vizepräsident der Landesverkehrswacht NRW. Und während die Gesamtzahl seit einigen Jahren eher rückläufig sei, nehme die Zahl der Unfälle durch Unachtsamkeit weiter zu. Fußgänger, die auf das Handy fixiert, gedankenlos die Straße überqueren, seien dabei ein entscheidender Faktor, sagt Schlanstein und beklagt: "Die Polizei hat hierbei aber keine Handhabe."
Für Autofahrer und Radfahrer in Deutschland gilt: Nicht nur telefonieren ist verboten. Anrufe ablehnen, Nachrichten tippen und die sozialen Medien checken sind ebenso tabu und können empfindliche Geldstrafen nach sich ziehen. Fußgänger hingegen haben hier nichts zu befürchten. Lediglich Litauen hat als einziges EU-Land ein entsprechendes Bußgeld eingeführt.
Unfallopfer immer jünger
Umso wichtiger sei es, die Aufklärung weiter hochzuhalten, so Schlanstein. Dabei sei die Polizei ebenso gefordert wie Schulen, Kitas und Eltern. Denn die Smartphone-Nutzer und damit auch die Unfallopfer werden immer jünger, wie nicht nur der Vorfall in Hagen zeigt. Das Universitätsklinikum Leipzig hat Unfälle von Kindern und Jugendlichen aus den Jahren 2008 bis 2018 noch einmal unter die Lupe genommen und auf einen Zusammenhang zur Handynutzung untersucht. Der erste Fall trat demnach 2012 auf, danach stieg die Zahl über die Jahre immer weiter an.
Das Problem ist nicht neu. Doch Aufklärungsversuche wie die Sicherheitskampagne "Lenk dich nicht App" der Polizei NRW haben offenbar ihr Ziel verfehlt. Auch deshalb fordert Schlanstein, die Geschwindigkeit innerorts auf 30 km/h zu begrenzen. "Das wäre der einfachste Hebel, würde im Vergleich zu Tempo 50 nur drei Sekunden Zeitverlust bedeuten, aber für deutlich mehr Sicherheit sorgen, da besser reagiert werden kann, wenn Menschen auf die Fahrbahn laufen", so der Verkehrsexperte.
Ampeln im Boden ohne Wirkung
Von technischen Innovationen wie etwa Ampeln am Boden hält er wenig. Die sogenannten Bompeln halten in immer mehr Ländern Einzug. Vor einigen Jahren haben auch die Kölner Verkehrsbetriebe farbige LEDs an Bahnübergängen installiert, die Handynutzern von unten entgegen leuchten und so am Weitergehen hindern sollten. Gebracht hat es allerdings nichts. Das Projekt wurde nicht weiter verfolgt.
Über das Thema wurde auch in den Nachrichten aus Dortmund im WDR-Hörfunk berichtet.