Gasspeicher zu 90 Prozent gefüllt: Reicht das für den Winter?

Stand: 21.09.2022, 10:20 Uhr

Trotz des russischen Lieferstopps im August haben die deutschen Gasspeicher einen Füllstand von 90 Prozent erreicht. Kommen wir damit über den Winter?

Aus den Daten der europäischen Speicherbetreiber geht hervor: Am vergangenen Sonntag waren die deutschen Gasspeicher zu 90,07 Prozent gefüllt - obwohl die russischen Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 unterbrochen sind. Was bedeutet das? Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Was bedeuten die 90 Prozent für unseren Zeitplan?

Das gesetzte Ziel wird damit übertroffen - zu diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung hat bereits nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gesetzgeberisch eingegriffen: Das im März verabschiedete Gasspeichergesetz macht den Unternehmen verbindliche Vorgaben.

Die darin formulierten Einspeicherziele wurden mittlerweile weiter angehoben. Demnach sollen die Gasspeicher zum 1. Oktober mindestens zu 85 Prozent und zum 1. November zu 95 Prozent gefüllt sein. Am 1. Februar soll der Füllstand noch 40 Prozent betragen.

Wie haben wir unsere Gasspeicher gefüllt?

Die Regierung hatte ein eigenes Ankaufprogramm gestartet, das mittlerweile abgeschlossen ist. Laut Wirtschaftsministerium wurden 950 Millionen Kubikmeter Erdgas erworben und eingespeichert. Aus Russland kommt mittlerweile kein Gas mehr in Deutschland an. Wichtigster Gaslieferant ist nun Norwegen, das seine Lieferungen aufgestockt hat.

Auch durch Pipelines aus den Niederlanden und in kleinerem Umfang Belgien fließt mehr Gas als vorher. Die Niederlande bauen laut Wirtschaftsministerium ihre Anlandekapazitäten für Flüssiggas (LNG) weiter aus und verfügen zudem über Transportkapazitäten, um die Einspeisemengen nach Deutschland weiter zu steigern.

Wie schwierig werden die letzten fünf Prozent?

Die Bundesregierung strebt für den Winter an, die Speicher bis Anfang November zu 95 Prozent gefüllt zu haben. Diese Gasmenge entspricht etwa dem deutschlandweiten Verbrauch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022. Ob auch die fehlenden fünf Prozent noch eingespeichert werden können, hängt von verschiedenen Faktoren ab - nicht zuletzt von der Höhe des Verbrauchs in der Heizsaison.

Rein praktisch betrachtet nimmt die Einspeichergeschwindigkeit bei höheren Füllständen aus technischen Gründen ab. Es wird also verhältnismäßig länger dauern, bis die Speicher ganz gefüllt sind. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dafür überhaupt Gas zur Verfügung steht.

So sieht die weitere Planung für neues Gas aus: Frankreich will "voraussichtlich ab Herbst" Gas liefern. Die Bundesregierung setzt außerdem auf eigene Importterminals für Flüssiggas etwa aus den USA. Zum Jahreswechsel sollen die ersten zwei vom Bund gecharterten schwimmenden LNG-Terminals an der Nordseeküste in Betrieb gehen.

Ein privat betriebenes LNG-Terminal soll außerdem im Dezember in Lubmin an der Ostsee mit der Einspeisung beginnen. Weitere derartige Projekte werden voraussichtlich erst Ende 2023 fertig.

Kommen wir mit den Reserven über den Winter?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, mit einem Füllstand von 90 Prozent habe Deutschland - trotz fehlender russischer Gaslieferungen - die Chance, gut durch den Winter zu kommen. Dafür müssten allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

In Deutschland müsste viel Energie eingespart werden und man müsse Glück mit dem Wetter haben. Im Winter solle das Gas aus den Speichern zur Verfügung gestellt werden. "Das heißt aber auch, dass die Speicher dann am Ende des Winters wieder leer sein werden, in diesem Fall richtig leer, weil wir das Gas nutzen werden." Dann müsse man wieder schnell einspeichern.

Was plant die Politik, falls das Gas ausgehen sollte?

Bereits Mitte Juli hatte die Bundesregierung beschlossen, mit Steinkohle oder Öl betriebenen Kraftwerken aus der sogenannten Netzreserve wieder den Betrieb zu erlauben, um so Erdgas einzusparen. Die Verordnung gilt vorerst bis Ende April 2023. Grundlage dafür ist der Notfallplan Gas, dessen Alarmstufe im Juni von Habeck ausgerufen wurde.

Ergänzend sollen zwei der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis zum nächsten Frühjahr als Reserve für die Stromversorgung bereitstehen. Die beiden Kraftwerke Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern sind als "Einsatzreserve bis Mitte April 2023" vorgesehen.

Außerdem existiert ein Gas-Notfallplan der EU - als Rahmen für die nationalen Notfallpläne für Gas. Reicht das europäische Gassparen auf freiwilliger Basis nicht aus, soll ein "Unions-Alarm" dies erzwingen können. Die EU-Länder können einen solchen Alarm auf Antrag von fünf Mitgliedsstaaten ausrufen. Die Kommission müsste nach einem solchen Aufruf Notstandsmaßnahmen in die Wege leiten, die die EU-Staaten dann mit qualifizierter Mehrheit beschließen müssten.

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