Umweltbundesamt: Algen "plausibelste" Ursache für Oder-Fischsterben

Stand: 30.09.2022, 10:14 Uhr

Deutsche Experten halten die Ausbreitung einer giftigen Alge für die wahrscheinlichste Ursache des Fischsterbens in der Oder. Greenpeace macht die polnische Bergbauindustrie verantwortlich.

Für die deutschen Behörden ist eine durch eine hohe Salzkonzentration ausgelöste Algenblüte die wahrscheinlichste Ursache für das massenhafte Fischsterben in der Oder in diesem Sommer. Dies sei die "plausibelste Hypothese", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Umweltbundesamts. Demnach lösten die von der Alge "Prymnesium parvum" gebildeten Giftstoffe das Fischsterben aus.

Die Voraussetzungen für eine Algenblüte seien in der Oder im Sommer grundlegend gegeben. Zu diesen gehören unter anderem Licht- und Temperaturverhältnisse, erhöhte Nährstoffkonzentrationen, Niedrigwasser und ein geringer Abfluss. Als "primärer Auslöser" für die Algenblüte sei aber die Salzkonzentration anzunehmen.

Quellen der Salze "unklar" - Greenpeace beschuldigt Bergbauindustrie

Wie es genau zu dieser hohen Konzentration kam, konnten die Experten jedoch nicht herausfinden. "Unklar sind die Quellen der Salze, anderer Elemente und Chemikalien", heißt es im Bericht. Es sei von "multikausalen Wirkmechanismen" auszugehen, die das Fischsterben ausgelöst hätten.

Greenpeace macht Salzeinleitungen der polnischen Bergbauindustrie verantwortlich. Darauf weisen nach Angaben der Umweltschutzorganisation vom Donnerstag die Ergebnisse von Wasser- und Bodenproben hin, die Greenpeace-Aktivisten Ende August zwischen dem brandenburgischen Schwedt und der polnisch-tschechischen Grenze auf etwa 550 Kilometer Flusslänge genommen hatten.

Salzgehalt um das 40-fache über empfohlenen Werten

In vier Proben von Flusssedimenten waren demnach Schwermetallwerte erhöht. Die höchsten Salzwerte fanden laut Greenpeace an einem Rückhaltebecken des Bergbaukonzerns KGHM in Gmina Polkowice. Dort habe der Salzgehalt um das 40-fache über den für Süßwasser empfohlenen Werten gelegen.

Ebenfalls auffällig waren demnach hohe Salzwerte flussaufwärts am Gliwice-Kanal, über den Greenpeace zufolge andere Bergwerke ihr Abwasser in die Oder beseitigen.

In der Oder hatte es im August ein Fischsterben gewaltigen Ausmaßes gegeben, das sich nach und nach bis zur Mündung des Flusses ins Stettiner Haff ausbreitete. Nach Schätzungen sollen 200 bis 400 Tonnen Fische verendet sein. Laut dem Institut für Binnenfischerei handelt es sich dabei um 25 bis 50 Prozent aller Fische in der Oder.

Greenpeace: Katastrophe war vermeidbar

Auch Greenpeace geht davon aus, dass das salzhaltige Wasser giftige Algenarten wie "Prymnesium parvum" begünstigt. Das Toxin der Alge habe "fatale Folgen für Fische oder Muscheln, die damit in Kontakt kommen und durch Schwermetalle bereits vorgeschädigt sind""Diese Umweltkatastrophe war vermeidbar", erklärte Greenpeace-Sprecherin Nina Noelle.

Die Organisation fordert von der polnischen und der deutschen Regierung, "den Fluss künftig zu renaturieren, rund um die Uhr zu überwachen und das Einleiten von schädlichen Substanzen, wie Salzen und Schwermetalle, zu verbieten". Auch der WWF dringt auf einen unverzüglichen Stopp der Ausbauarbeiten an der Oder. Die Bundesregierung möchte die Oder auch gar nicht ausbauen, das ist aber ein Streitpunkt mit Polen.

Kein gemeinsamer Bericht von Polen und Deutschland

Am Donnerstag hatten bereits die polnischen Behörden einen vorläufigen Untersuchungsbericht veröffentlicht. Auch diesem zufolge war die Algenblüte verantwortlich für das Fischsterben. Industrieabwässer schlossen die Behörden hingegen als Ursache aus.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte sich zunächst mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa auf einen gemeinsamen Bericht geeinigt. Dieser hätte laut "Spiegel" von polnischen sowie deutschen Expertinnen und Experten veröffentlicht werden sollen. Kurz vor der Veröffentlichung sei es aber zum Eklat gekommen. Die Stimmung sei schlecht und nicht mehr kollegial gewesen, berichtete der RBB.

Weitere Themen