Deutschlandweit fehlen 378.000 Plätze in Kitas - so ist die Lage in NRW

Stand: 09.05.2023, 11:12 Uhr

Trotz Rechtsanspruch fehlen in Deutschland offenbar rund 378.000 Kitaplätze. Mehr als ein Viertel davon entfällt allein auf NRW. Warum sich die Lage noch verschärfen könnte und was sich ändern muss.

Bundesweit fehlen für das laufende Jahr rund 378.000 Plätze in Kitas. Und das, obwohl seit mittlerweile zehn Jahren ein Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern ab einem Jahr besteht. Das geht laut Medienberichten aus einer Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor.

Der Ausbau der Kitas liegt allerdings in der Zuständigkeit der Länder. Wie ist also die Lage in NRW? Ein Blick auf das aktuelle "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann-Stiftung zeigt: Nirgendwo sind die Probleme größer als hierzulande. In NRW fehlen dem Monitoring zufolge etwa 100.000 Plätze - was in dieser Erhebung mehr als einem Viertel der bundesweiten Anzahl entspricht.

Klaus Bremen, Vorsitzender des Landesverbands NRW beim Deutschen Kitaverband

Klaus Bremen, Vorsitzender des Landesverbands NRW beim Deutschen Kitaverband

Das liege zwar auch an der hohen Bevölkerungsdichte im Land. Die Wurzeln des Übels lägen jedoch tiefer, sagt Klaus Bremen, Vorsitzender des Landesverbands NRW beim Deutschen Kitaverband. So sei das Kindergartensystem jahrzehntelang von einem inzwischen überholten Familienbild geprägt gewesen. "Demnach gehörten Kinder maximal bis zur Mittagszeit in eine Betreuung. Mit der Einführung des Rechtsanspruchs hat sich dann plötzlich die Welt geändert."

Personalmangel verschärft die Situation

Doch die Landesregierung habe es verpasst, sich rechtzeitig darauf einzustellen und das Angebot dem Bedarf entsprechend auszubauen. Nun werde die Situation noch verschärft durch den zunehmenden Personalmangel in den Betreuungseinrichtungen.

Im vergangenen März kam es zu einem Höchststand in NRW: Etwa 2.600 Einrichtungen meldeten, dass zu wenig Personal da war. In mehr als 2.200 Fällen mussten Kitas zum Teil schließen oder ihre Betreuungszeit reduzieren. In 92 Fällen blieben die Türen komplett zu. "Wir müssen also befürchten, dass wir selbst die Plätze, die wir aktuell haben, nicht halten können. Denn die Kitas arbeiten an der Grenze der Belastbarkeit", sagt Bremen.

Kinderschutzbund warnt vor Übergriffen

Der Kinderschutzbund warnt deshalb vor einem weiteren Problem: "In Kitas haben wir das Problem eines eklatanten Fachkräftemangels. Solche Stresssituationen können Formen von Gewalt verschärfen", sagt die Vize-Vorsitzende Martina Huxoll-von Ahn. Hintergrund ist eine aktuelle Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Aufsichtsbehörden.

Demnach gab es im vergangenen Jahr in einigen Bundesländern mehr Meldungen von pädagogischem Fehlverhalten in Betreuungseinrichtungen. In Nordrhein-Westfalen listeten die Behörden 2022 insgesamt 271 Fälle auf, 46 mehr als im Jahr davor. Das Ausmaß der Gewalt zu erfassen sei schwierig. "Zu vermuten ist: Statt Prügel oder Ohrfeigen wird psychische Gewalt angewendet - also Kinder niederbrüllen, erniedrigen, sozial isolieren", so Huxoll-von Ahn.

Kita-Verband fordert Task-Force

Um dem Personalmangel in Kitas entgegenzuwirken, fordert der Landesverband NRW die Landesregierung auf, eine Task-Force zu gründen. Die Fachkräfte bräuchten "das klare Signal, dass ihre Belastung wirklich wahrgenommen wird, dass konkrete Verbesserungen auf den Weg gebracht werden", heißt es in einem Appell.

Demnach müssten "alle gesetzlichen und organisatorischen Möglichkeiten" genutzt werden, um weitere Einschränkungen in der Betreuung zu verhindern. Dazu gehöre die Verbesserung des Umstiegs aus anderen Berufsgruppen sowie stärkere Unterstützung und Beratung der Kita-Leitungen.

In der Landesregierung ist man sich des Problems bewusst. Familienministerin Josefine Paul (Grüne) spricht von einer "derzeit dramatischen Situation". Das Ministerium hat im Februar ein entsprechendes Paket auf den Weg gebracht. Doch der Mangel habe sich über Jahre aufgebaut und sei nicht über Nacht zu beheben, so Paul.