EZB erhöht den Leitzins auf 1,25 Prozent: Was bedeutet das für uns?

Stand: 08.09.2022, 14:19 Uhr

Die Europäische Zentralbank hat erneut den Leitzins erhöht. Er steht jetzt bei 1,25 Prozentpunkten. Das hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Menschen in NRW.

Mit einer erneuten Erhöhung des Leitzinses um 0,75 Prozentpunkte reagiert die Europäische Zentralbank auf die Rekordinflation. Es ist die größte Zinserhöhung ihrer Geschichte. Bereits im Juli hatte die EZB den Leitzins aus eben diesem Grund angehoben - erstmals seit elf Jahren. Seitdem lag er bei 0,5 Prozentpunkten.

Mit der aktuellen Erhöhung auf 1,25 Prozent, gibt die EZB auch dem Druck nach, der in den letzten Wochen immer mehr zugenommen hatte. Denn die Inflation in der Euro-Zone erklimmt inzwischen immer neue Höchstwerte. Im August stieg sie auf 9,1 Prozent und ein Abklingen des Teuerungsschubs ist angesichts der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs nicht in Sicht.

Wir klären, welche Auswirkungen die Leitzinserhöhung konkret auf das Leben der Menschen in NRW hat.

Lohnt es sich jetzt wieder, Geld anzusparen?

Ja. Im Wesentlichen profitieren diejenigen, die sparen. Also Menschen, die jetzt mehr Zinsen auf ihr Konto bekommen werden. Dennoch warnt Prof. Bernd Kempa, Direktor des Instituts für Internationale Ökonomie der Universität Münster, angesichts der immer noch hohen Inflation vor zu großer Euphorie:

"Wenn ich zwar jetzt einen geringen Zins bekomme, aber im nächsten Jahr deutlich mehr für die Güter bezahlen muss, wenn ich die Zinsen ausbezahlt bekomme, dann ist mir damit am Ende auch nicht wirklich geholfen." Prof. Bernd Kempa, Direktor des Instituts für Internationale Ökonomie der Universität Münster

Schon die erste Zinserhöhung wertete er als Anreiz, langfristig wieder mehr anzusparen. Schon im Juli ging Kempa davon aus, dass die EZB mit der Zeit weitere Zinserhöhungen in den Markt geben würde.

Was ändert sich für eine vierköpfige Familie mit schmalem Budget?

Für eine vierköpfige Familie mit knappem Budget ändert sich zunächst nicht viel. Sie muss zurzeit allerdings mit den steigenden Lebenshaltungskosten klarkommen. Die Inflation wird durch die Zinserhöhung der EZB nicht direkt gestoppt. Sollte die Familie in finanzielle Schieflage geraten und einen Kredit benötigen, dürfte der jetzt aber noch einmal teurer werden.

Bei einem schon bestehenden Kredit, zum Beispiel für ein Auto, dürfen die Zinsen aber nicht im Nachhinein nach oben angepasst werden. Anders sieht es aus, wenn eine Anschlussfinanzierung für einen Immobilienkredit ansteht. Bei Neufestsetzung dürften auch dafür die Zinsbelastungen steigen.

Was kann ein 70-jähriger Rentner mit Erspartem erwarten?

Ein 70-jähriger Rentner mit Erspartem auf einem Tagesgeldkonto, das er für seinen Lebensabend einsetzen möchte, hatte in den vergangenen Jahren wenig Freude, weil die Zinsen immer niedriger wurden und die meisten Banken inzwischen auch ein Verwahrentgelt verlangen.

Bereits durch die Zinsanhebung der EZB im Juli fielen "Strafzinsen" teilweise weg. Mit der erneuten Anhebung steigen nun auch die Sparzinsen weiter. Spürbare Effekte wird der Rentner kaum feststellen, weil die Zinsen nur in sehr kleinen Schritten angehoben und durch die derzeit hohe Inflation aufgefressen werden.

Was kann ein junges Paar angespartem Vermögen erwarten?

Für ein junges Paar, das bis jetzt ein Vermögen von 50.000 Euro aufgebaut hat, verhält es sich ähnlich wie bei dem Rentner. Niedrige Sparzinsen und Verwahrentgelt haben dem Vermögensaufbau nicht gutgetan.

Das Paar hat bisher aber gute Renditen mit einem 25 Euro-Sparplan in einen Indexfond erzielt. In Zukunft dürften die Aktienmärkte sich aber eher seitwärts entwickeln, weil viele Anleger aus Aktien in festverzinste Anlagen umschichten.

Welche Auswirkungen haben höhere Zinsen für die Finanzierung eines Eigenheims?

Für Menschen, die einen Neukredit bei einer Bank aufnehmen wollen, wird es ab sofort noch einmal teurer. Damit wird das Bauen eines Eigenheims oder der Erwerb von Immobilien und Grundstücken insgesamt teurer.

Das betrifft genauso die Finanzierung von Autos und Küchen. Auch Konsumenten-Kredite werden weiter anziehen im Preis. Also Schuldner werden verlieren, wenn sie sich Geld bei den Banken ausleihen möchten.

Was bedeutet die Zinswende für Unternehmen?

Wer ein Start-Up-Unternehmen gründet und dafür einen Kredit benötigt, der zahlt erstmal drauf. Insbesondere für kleine Ein-Personen-Betriebe, die nicht sonderlich liquide sind, wird das möglicherweise zum Problem.

Vorab muss klar sein, dass genügend Erträge absehbar sind, um die Banken dazu zu bewegen, diesen Start-Ups Kredite zu gewähren. Der Zinssprung wird das Unternehmertum möglicherweise etwas zurückdrängen, befürchtet Prof. Dr. Bernd Kempa.

Kann eine Inflation durch höhere Zinsen begrenzt werden?

Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger leisten können. Andere große Notenbanken wie die Fed in den USA und die Bank of England haben als Reaktion auf hohe Inflationsraten ihre Leitzinsen bereits mehrfach angehoben.

Denn mit höheren Zinsen kann die steigende Inflation bekämpft werden - zumindest, wenn diese durch eine hohe Nachfrage getrieben ist. Vereinfacht gesagt: Höhere Zinsen sorgen dafür, dass Kredite teurer werden. Unternehmen und Verbraucher können sich dann nicht mehr so billig Geld leihen - und weniger ausgeben. Dann geht der Konsum zurück und damit fallen die Preise.

So beeinflusst der Leitzins die Inflation

Was bedeuten höhere Zinsen bei einer Inflation durch Knappheit - wie aktuell bei uns?

Im Euroraum sieht die Situation derzeit allerdings anders aus. Getrieben werden die Preise hier nicht von einer hohen Nachfrage - sondern vor allem von einem knappen Angebot an Gütern.

Beispielsweise Energie-Rohstoffe sind derzeit knapp. Das liegt einmal am russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Aber auch Probleme in den Lieferketten durch Corona verringern das Angebot. Öl beispielsweise wird vielfach via Schiff transportiert - doch wenn in einem Hafen die Arbeit wegen eines Lockdowns ruht, kann der Rohstoff nicht verschifft werden.

Daran kann die EZB nichts ändern. Aber: Sie kann die Lage trotzdem beruhigen - allein damit, dass sie mit einer Zinserhöhung Bereitschaft zum Gegensteuern signalisiert.

Weitere Themen