Es fließt wieder Gas durch Nord Stream 1

Stand: 21.07.2022, 17:15 Uhr

Es fließt wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Der befürchtete dauerhafte Lieferstopp ist zumindest vorerst ausgeblieben. Allerdings liefert Russland weiter nur einen Teil der vereinbarten Menge.

Die Befürchtungen haben sich nicht erfüllt. Die Routinewartung der Pipeline Nord Stream 1 ist planmäßig beendet und es fließt wieder Gas durch die 1.200 Kilometer lange Leitung zwischen Russland und Mecklenburg-Vorpommern. Netzdaten zufolge hat der Gasfluss durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 am Donnerstagmorgen das angekündigte Niveau erreicht.

In der Stunde zwischen 7 und 8 Uhr wurden nach Daten von der Website der Nord Stream AG mehr als 29 Gigawattstunden geliefert und damit in etwa so viel Gas, wie auf der Seite zuvor angekündigt wurde. In der ersten Stunde des Gastages - also zwischen 6 und 7 Uhr - blieb das Niveau wegen des Hochlaufs unterhalb der angekündigten Menge.

Das dadurch entstehende Minus könne aber mit Überschüssen verrechnet werden, die nach dem offiziellen Lieferstopp vor anderthalb Wochen während des Herunterfahrens noch angefallen seien, erklärte ein Sprecher der Nord Stream AG.

Bundesnetzagentur geht von 40 Prozent Auslastung aus

Inzwischen geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass die Pipeline am Donnerstag wie vor der zehntägigen Wartung zu etwa 40 Prozent ausgelastet wird. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, schrieb am Morgen auf Twitter zunächst, dass die so genannten Nominierungen für Nord Stream 1 bei rund 30 Prozent der Auslastung lägen.

In einem zweiten Tweet korrigierte Müller seine Angabe. Die realen Gasflüsse lägen über der angekündigten Menge. Müller hatte in seinem ersten Tweet darauf hingewiesen, dass eine Nominierung "für die jeweils nächsten 2 Stunden" verbindlich seien. Veränderungen bei den Buchungen innerhalb eines Tages wären sehr ungewöhnlich.

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Weiterhin 60 Prozent zu wenig

Damit bleibt die von Russland gelieferte Menge allerdings weiterhin unter der vertraglich vereinbarten Menge. Müller schrieb, die 60-prozentige Kürzung von Mitte Juni bleibe leider weiterhin bestehen.

Neubaur: "Nicht leichtfüßig werden"

Mona Neubaur (Grüne), NRW-Ministerin für Wirtschaft und Energie

NRW-Energieministerin Mona Neubaur (Grüne)

Die NRW-Ministerin für Wirtschaft und Energie, Mona Neubaur (Grüne), sieht in der Lieferung denn auch nur "eine Zwischenentspannung, aber keinen Grund, jetzt leichtfüßig zu werden." Das Land und die Bürgerinnen und Bürger müssten weiter prüfen, wo Energie gespart und effizienter eingesetzt werden könne.

Die Energieministerin kann in der aktuellen Krise aber auch zwei gute Nachrichten erkennen: Es sei bereits gelungen, die Abhängigkeit gegenüber russischem Gas deutlich zu reduzieren, erkärte Neubaur im WDR. Zudem wäre der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt worden. "Das ist die  entscheidende Schlüsselmaßnahme für die Zukunft, um unabhängig zu sein von fossilen Rohstoff-Importen."

Pipeline 10 Tage außer Betrieb

Die Pipeline Nord Stream 1, die russisches Erdgas nach Europa liefert, war seit dem 11. Juli wegen einer jährlichen Wartung für zehn Tage außer Betrieb. Zuletzt war befürchtet worden, Moskau könne nach der zehntägigen Wartung den Gashahn komplett zulassen und damit die Energiekrise weiter verschärfen.

Dennoch macht sich die deutsche Politik nichts vor. Der russische Präsident Wladimir Putin kann es sich jederzeit anders überlegen und Deutschland den Gashahn zudrehen. Die Folgen wären gravierend.

Gut 40 Prozent der Privathaushalte nutzen Gas

Für private Haushalte ist Erdgas mit Abstand der wichtigste Energieträger. Der durchschnittliche Jahresverbrauch von Wohnenergie - also für Heizen, Warmwasserbereitung, Kochen, den Betrieb von Elektrogeräten - lag 2019 bei gut 8.800 Kilowattstunden pro Person.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge deckte Erdgas 41,2 Prozent dieses Energiebedarfs. In Neubauten kamen Gasheizungen zuletzt immer seltener zum Einsatz. So wurde bei den 2021 fertiggestellten Wohngebäuden Gas nur in gut einem Drittel der Fälle als primäre Heizung genutzt, 2019 waren es noch fast 42 Prozent.

Gas-Krise trifft vor allem Chemie-Branche

Auch in der deutschen Industrie spielen fossile Energieträger nach wie vor eine bedeutende Rolle. Erdgas war 2020 der wichtigste Energieträger mit einem Anteil von 31,2 Prozent am Gesamtverbrauch in der Industrie, gefolgt von Strom (21 Prozent), Mineralölen und Mineralölprodukten (16 Prozent) sowie Kohle (16 Prozent), wie das Statistische Bundesamt erklärte.

Den höchsten Anteil am gesamten Erdgasverbrauch in der Industrie hatte die Chemie mit 36,9 Prozent, vor Nahrungs- und Futtermittelherstellern mit 10,8 Prozent. Weitere 10,3 Prozent entfallen auf Metallerzeugung und -bearbeitung. Den vierten Platz (9,0 Prozent) belegte der Wirtschaftszweig "Herstellung von Glaswaren und Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden", worunter auch die Herstellung von Zement, Kalk und Gips fällt.

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