Überflutete Felder erschweren die Arbeit der Landwirte

Klimawandel macht Rekordernten in Zukunft unwahrscheinlich

Stand: 02.07.2024, 06:00 Uhr

Der Klimawandel bleibt für die Landwirtschaft nicht folgenlos. Experten erklären, was man tun kann und worauf man sich einstellen muss. Rekordernten wird es wohl kaum noch geben.

Die zuletzt starken Niederschläge in Deutschland gefährden nach Einschätzung des Bauernverbands die Ernte in Deutschland. Beim Getreide werde man mit rund 42 Millionen Tonnen das Vorjahresergebnis knapp verfehlen, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied am Montag bei einem Betriebsbesuch in Frankfurt. Landwirtschafts-Experten erklären im WDR-Gespräch, welche Klimafolgen zu erwarten sind und was man tun kann.

Mehr Nach- als Vorteile durch klimatische Schwankungen

Während der Bauernfunktionär Rukwied angesichts von Überschwemmungen, Hochwasser und Staunässe bei steigenden Temperaturen mehr Pflanzenschutzmittel einsetzen will, um etwa die Kartoffel vor Kraut- und Knollenfäule zu schützen, sehen Experten viel größere Herausforderungen auf seinen Berufsstand zukommen.

Von Jahren mit Rekordernten wird man sich verabschieden müssen. Professor Harald Laser von der Fachhochschule Südwestfalen

Einig sind sich alle, dass die extremeren klimatischen Schwankungen mit Extremwetterereignissen die landwirtschaftliche Produktion unberechenbarer machen und zu geringeren Erträgen führen können. Professor Harald Laser vom Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Südwestfalen weiß zwar, dass der Klimawandel auch Vorteile wie längere Vegetationsphasen mit sich bringt, aber unter dem Strich sei "der Schaden höher".

Experte Laser betont Bedeutung der Humuswirtschaft

Das mit Wasser gut versorgte Nordrhein-Westfalen treffe es nicht so hart wie andere Bundesländer. Aber mit Ernteeinbußen von 10 bis 20 Prozent müsse man rechnen, so Laser - je nachdem, was man anbaue. Man könne sich allerdings wappnen: Landwirte müssten vor allem ihre Bodenbearbeitung und die Fruchtfolgen anpassen. Nur Raps, Weizen und Gerste sei zu wenig - es brauche mehr Sorten.

Laser rät dazu, deutlich weniger zu pflügen und für mehr organisches Leben im Boden zu sorgen: "Es wird in Zukunft weniger Wasser geben, es wird trockener sein - wie gehen wir damit um." Das ist laut Laser die entscheidende Frage. Die Antwort sei ein Boden, der Wasser gut aufnimmt und auch halten kann. Dafür brauche er vor allem viele Regenwürmer und eine dicke Humusschicht. "Eine vernünftige Humuswirtschaft ist das A und O", sagt Laser.

Trend geht zu mehr Roggen und weniger Weizen

Natürlich können auch genügsamere Pflanzen eine Lösung sein. So mag der "anspruchsvolle Weizen" weder regenarme noch regenreiche Jahre. "Roggen ist der genügsame kleine Bruder. Man muss davon abgehen, sich am Weizen zu orientieren", sagt Martin Schädler, Ökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Denn eins sei klar: "Wir werden nicht aus weniger Wasser mehr Biomasse machen. Da wird kein biologisches Wunder geschehen." Also müsse man auf trockenresistentere Arten setzen.

Die Landwirtschaftskammer bestätigt, dass die Landwirte bereits reagiert hätten. So habe der Roggenanbau 2016 in NRW noch bei rund 16.500 Hektar gelegen, 2023 habe die Anbaufläche bereits 44.500 Hektar betragen. Die Fruchtfolge werde bereits erweitert oder angepasst, versichert Pressesprecher Jan-Malte Wichern. Der Weizen dominiert in NRW mit 23 Prozent der Anbaufläche aber noch eindeutig. Roggen liegt bei vier Prozent.

Das einzige, was sicher ist, ist, dass die Unsicherheit zunimmt. Professor Harald Laser

Das handwerkliche Wissen, um ein hohes Ertragsniveau mit weniger Wasser zu halten, sei vorhanden, so Laser, der Landwirten empfiehlt, sich beraten zu lassen. Dr. Kirsten Florentine Weber vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage sieht auch schnelle Möglichkeiten, um Klimafolgen einzudämmen: "Kurzfristig können Temperaturen und Feuchtigkeit durch künstliche Bewässerung angepasst werden." Langfristig verweist sie wie Schädler auf Sorten, die Trockenheit besser vertragen.

Chancen für Landwirtschaft durch Folgen des Klimawandels?

Durch die Folgen des Klimawandels ergeben sich vielleicht auch Chancen für die Landwirtschaft. So verweist Laser etwa auf den Sojaanbau in Ostwestfalen, den er vor 20 Jahren noch für ausgeschlossen gehalten hätte, der nun aber Realität ist. Zudem hätte er mit seinen Studenten in Soest schon erfolgreich Kichererbsen angebaut. Früher oder später werde es auch Erdnüsse geben. "Es gibt Arten, die wahrscheinlicher werden und solche, für die es schwieriger wird", sagt Laser.

Die Landwirtschaftskammer ergänzt, dass Betriebe immer wieder neue Wege und Kulturen im Anbau ausprobieren. So seien in NRW bereits Melonen angebaut worden. "Inwiefern der Anbau großflächig erfolgt, bleibt abzuwarten", so Wichern.

Professor Vanderborght fordert Nachhaltigkeit

Prognosen über die Zukunft der Landwirtschaft sind schwierig, weil man auch die Effizienz der Anpassungsprozesse abwarten muss, aber ein paar Dinge sind laut Laser recht sicher: "Verhungern werden wir nicht, aber Lebensmittel werden teurer, und der Konkurrenzkampf mit dem Ausland wird größer." Und weil Boden in Deutschland teuer sei und die Lohnkosten hoch, könne das für die Landwirtschaft insgesamt existenzbedrohend werden.

Um die deutsche Landwirtschaft zukunftstauglich zu machen, wird Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung sein, sagt Professor Jan Vanderborght, Direktor des Instituts für Bio- und Geowissenschaften/Agrosphere des Forschungszentrums Jülich: "Langfristig müssen wir bedenken, dass kurzfristige Problembekämpfung den Klimawandel verstärken und weitere Sektoren wie den Gesundheitssektor beeinflussen kann. Eine nachhaltige und ganzheitliche Herangehensweise ist entscheidend, um langfristig die Resilienz der Landwirtschaft zu stärken und die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern."    

Unsere Quellen:

  • Professor Harald Laser von der Fachhochschule Südwestfalen
  • Martin Schädler, Ökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
  • Professor Jan Vanderborght, Direktor des Instituts für Bio- und Geowissenschaften/Agrosphere des Forschungszentrums Jülich
  • Dr. Kirsten Florentine Weber vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage
  • Landwirtschaftskammer NRW
  • Nachrichtenagentur dpa