Mann juckt sich am Kopf, während er auf einen Zug wartet.

"Deutschlandtakt": Die Zukunft der Bahn kommt - aber erst 2070?

Stand: 03.03.2023, 09:52 Uhr

Verspätungen, ausgefallene Züge - nie war Bahnfahren chaotischer als heute. Bis 2030 sollte alles anders werden, mit dem Projekt "Deutschlandtakt". Verzögert sich das Projekt auf 2070?

Wenn mehr Menschen mit der Bahn fahren würden und weniger mit dem Auto - dann könnte das massiv helfen, den Klimawandel zu stoppen, denn der CO2-Ausstoß ließe sich deutlich reduzieren. Einfache Erkenntnis, schwierige Umsetzung: Denn wenn Bahnfahren - wie derzeit häufig der Fall - zum unkalkulierbaren Abenteuer mit offenem Ausgang wird, überlegt sich mancher, doch besser das Auto zu nehmen.

Immerhin: Schon 2018 wollte die vorherige Bundesregierung das Problem angehen. Mit dem "Zukunftsbündnis Schiene" sollte der Eisenbahnverkehr in Deutschland systematisch ausgebaut und verbessert werden. Bis 2030 sollte die Bahn "doppelt so viele Fahrgäste wie heute sicher und umweltfreundlich an ihr Ziel bringen" - so die vollmundige Vision. "Dank abgestimmter, verlässlicher Verbindungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr" sollte die Bahn bis Ende dieses Jahrzehnts zum "Verkehrsmittel der Zukunft" werden.

Diese Vision hat auch einen Namen: "Deutschlandtakt".

Doch der Deutschlandtakt hat möglicherweise Verspätung. Voraussichtliche Ankunft: 2070. Zumindest ließe sich das ableiten aus Informationen aus dem FDP-geführten Bundesverkehrsministerium, sagt das ZDF.

Aus Ziel 2030 wird "Jahrhundertprojekt"

Dem ZDF sagte Michael Theurer (FDP), Staatsekretär und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, das Projekt "Deutschlandtakt" werde "in den nächsten 50 Jahren als Jahrhundertprojekt" umgesetzt. Es sei "immer völlig klar gewesen, dass das Jahrzehnte dauert".

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Am Donnerstag legte Theurer in einer Pressemitteilung nach: Die Meldung, dass sich der Deutschlandtakt extrem verzögern wird, sei schlicht "falsch". Von Anfang an sei klar gewesen, dass es zahlreiche Etappen auf dem Weg zum Ziel geben werde.

Dabei schwärmt die Bundesregierung auf der Homepage zum Deutschlandtakt noch von einem "integralen Taktfahrplan" nach Schweizer Vorbild: "Bereits in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre werden in den größten deutschen Städten alle 30 Minuten Fernverkehrszüge ankommen – und das immer um dieselbe Zeit. Die Verbindungen im Regionalverkehr werden dabei perfekt an die Taktung der Knotenpunkte angepasst."

Auch hierzu äußerte sich Staatssekretär Theurer: "Die nächste große Etappe wird mit der Fertigstellung der Strecke Wendlingen-Ulm, Stuttgart 21 und der Generalsanierung der Riedbahn 2025/2026 abgeschlossen. Sie wird unter anderem den 30-Minuten-Takt zwischen den großen Metropolen Köln, Frankfurt, Mannheim, München, Nürnberg bringen." Kurz: Die Bundesregierung habe nicht zuviel versprochen.

Zu wenig Geld eingeplant

Das Bild zeigt eine Anzeigetafel an einem Bahnhof, auf der Verspätungen angekündigt werden.

Zugverspätungen: Derzeit oft bittere Realität

Die CDU-Opposition im Bundestag sieht das anders: Für das Projekt Schienenverkehr, einst von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zur "Chefsache" ernannt, ist möglicherweise gar nicht genug Geld eingeplant. Das Budget für den Schienenausbau sei seit dem Regierungswechsel kaum erweitert worden, sagte Enak Ferlemann (CDU), ehemaliger Beauftragter der letzten Bundesregierung für den Schienenverkehr, dem ZDF. Mit Blick auf Baukostensteigerungen und Inflation reichten die Etats "um Längen nicht mehr aus".

Die FDP im Verkehrsministerium gibt die Kritik der CDU-Opposition zurück, man habe das Projekt "nicht in tadellosem Zustand" von der Vorgängerregierung übernommen.

Gewerkschaft: Wissing muss jetzt handeln

Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sieht den amtierenden Verkehrsminister Wissing in der Pflicht. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert fordert mehr Geld für den Bahnverkehr: Die Schiene sei im letzten Jahrzehnt immer vernachlässigt worden, sagte er der Deutschen Presseagentur, "jetzt warten alle darauf, ob Minister Wissing seine Ankündigung wahr macht und der Schiene Vorrang gibt". 90 Milliarden Euro seien bis 2027 notwendig, "45 Milliarden Euro frisches Geld".

Die nächsten Monate seien entscheidend, meint Burkert, der auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn sitzt, denn: "Im ersten Jahr war der Verkehrsminister ja eher zurückhaltend unterwegs. Jetzt entscheidet sich, ob er Akzente setzen wird."

Fakt ist: Die Verantwortlichen müssen Gas geben. Laut deutschem Klimaschutzgesetz von 2019 ist das Ziel, bis 2030 die CO2-Emissionen um 65 Prozent zu senken gegenüber 1990. Eine der wichtigsten Stellschrauben dabei: Der Verkehrssektor. Aber bereits 2022 lag Deutschland weit hinter diesem Ziel.

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