Seit 52 Jahren sind Brigitte und Jürgen Kaminski aus Essen verheiratet. Genauso lange trinken sie schon gemeinsam Kaffee. „Heute mal ohne Zucker“, witzelt Jürgen Kaminski am Wohnzimmertisch. Doch eigentlich ist ihnen gar nicht zum Lachen zu mute. Vor kurzem war Brigitte beim Friseur. „Du kommst mit dem Geld gar nicht mehr aus. Bei mir waren das letztes Mal 28 Euro und jetzt 35 Euro. Also ich denke das ist schon ein ganz schöner Satz nach oben“, sagt sie.
Alles wird teurer. Vor allem merken sie das bei der Miete. Für knapp 64 Quadratmeter zahlen die Kaminskis ab Januar 721 Euro warm. Beide beziehen Rente. Der Brief mit der Mieterhöhung, den Jürgen in einen Aktenordner sortiert hat, kam vor drei Wochen.
Eigener Lebensstandard sinkt
Noch mehr Sorgen macht sich das Ehepaar über die Nebenkosten. 200 Euro zahlen sie im Monat. Dieser Betrag ist in den letzten Jahren bereits deutlich gestiegen und droht weiter zu steigen. Denn das Heizen wird teurer, die Beleuchtung für den Flur und der Hausmeister. Ab nächstes Jahr gehen auch die Abwasser- und Müllgebühren in Essen kräftig nach oben. Es sind doch immer nur ein paar Euro, könnte man sagen. Aber auch die tun weh, sagt Jürgen Kaminski: „Weil man einen anderen Lebensstandard dadurch hat.“
Auch die Müllgebühren in Essen steigen
Die hohen Kosten haben ihren Preis. Die beiden gehen viel seltener ins Museum oder in die geliebte Therme. Die Tageszeitung haben sie nur noch in einem Sparabo abonniert. Sie kommt nur noch am Freitag, Samstag und Montag, damit Jürgen den Sportteil lesen kann. „Das Sportabo kostet 34 und das normale Abo kostet 51. Das sind 17 Euro und mit 17 Euro kann man gegebenenfalls irgendwo eine Kulturveranstaltung besichtigen oder ins Kino gehen“, sagt Jürgen. Seine Frau ergänzt: „Es geht nicht anders. Wir kaufen auch keine gebundenen Bücher mehr, obwohl mein Mann eine echte Leseratte ist. Er geht jetzt immer zur Stadtbücherei.“
Nebenkosten steigen immer weiter
Laut dem Verband der privaten Eigentümer Haus & Grund könnten die Nebenkosten bald sogar die Kaltmiete einholen. Doch wie will die Politik die Kosten wieder einfangen?
Bei einer Sache sind sich die Parteien im Düsseldorfer Landtag einig: Die Energiepreise müssen runter, denn sie machen den Großteil der Nebenkosten aus. „Dies ist zu erreichen, wenn wir kurzfristig günstiges Gas importieren, mittelfristig einen breiten Energiemix anstreben und langfristig den Ausstieg aus der Kernenergie rückgängig machen“, sagt Carlo Clemens von der AfD-Fraktion. Aus der SPD-Fraktion heißt es hingegen: „Der Ausbau der Förderung im Bereich der energetischen Sanierung ist dringend erforderlich.“ So würden zum Beispiel die Heizkosten runter gehen.
Die FDP ist gegen mehr Förderprogramme. Sie will lieber Bürokratie abbauen: „Wir können nicht nur auf den Neubau setzen, sondern wir müssen auch auf die Bestände schauen. Wenn wir dort unrealistische Anforderungen an Sanierung vorschreiben, dann erreichen wir eben genau das Gegenteil, das eben nicht sein energetisch saniert wird", sagt Angela Freimuth, Sprecherin für Wohnen in der Fraktion.
Entlastung bei der Grundsteuer?
Eine andere Idee wäre bei der Grundsteuer zu entlasten. Die dürfen Vermieter bisher zu 100 Prozent an die Mieterinnen und Mieter umlegen. Der Mieterbund kritisiert das schon lange. Auch die Grünen würden das, allerdings als einzige Partei im Landtag, gerne ändern. Der Sprecher für Bauen und Wohnen, Arndt Klocke, sagt: „Zukünftig sollte die Grundsteuer von den Vermietern und nicht mehr den Mietern getragen werden.“
Ministerin Ina Scharrenbach (CDU)
Ihr Koalitionspartner CDU winkt ab. Ministerin für Heimat, Kommunales und Bau, Ina Scharrenbach (CDU): „Wenn man jetzt bestimmte Kosten raus aus der Nebenkostenabrechnung, dann bleiben sie bei der Vermieterin, beim Vermieter. Dann werden sich immer weniger Vermieterinnen und Vermieter finden, die Wohnraum zur Vermietung schaffen, weil es für sie einfach immer unwirtschaftlicher wird.“
Keine konkreten Ideen
Wie kommunale Abgaben wie etwa Müll- oder Abwassergebühren herunter gesetzt werden können, wissen auch die Landtagsfraktionen nicht. Das sei eben kommunale Sache.
Am Ende gibt es also keine konkreten umsetzbare Ideen. Ministerin Scharrenbach fasst so zusammen: „Es gibt nur eine mittelfristige Perspektive".
Eine schnelle Entlastung bei den Nebenkosten gibt es also nicht. Das Ehepaar Kaminski aus Essen ist darüber wütend. Sie wollen mehr Energie und somit mehr Geld sparen. Gleichzeitig rät die Ministerin „zu prüfen, ob man Wohngeld anspruchsberechtigt ist und dann auch den Antrag zu stellen."
Unsere Quellen:
- Landtagsfraktion der AfD, CDU, FDP, Grüne, SPD
- Interview mit Ministerin Ina Scharrenbach
- Studie Haus & Grund
- Interview Ehepaar Kaminski
Über das Thema berichten wir auch in der Sendung Westpol am 24.11.2024 um 19:30 Uhr im WDR Fernsehen.