Rohstoffe wie Seltene Erden: So abhängig sind wir von China
Stand: 14.11.2022, 20:40 Uhr
Deutschland ist von China vor allem im Bereich der Rohstoffe und deren Verarbeitung abhängig. Ein Beispiel: Seltene Erden. Das liege auch daran, dass sich Deutschland vor dem Abbau scheue, so ein Experte.
Von Jessica Sturmberg
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner und die gegenseitigen Verflechtungen sind noch immer groß. Ebenso die gegenseitigen Abhängigkeiten. Während die Chinesen weiterhin an deutscher Technologie besonders im Bereich Maschinenbau interessiert sind und als Exportnation einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt brauchen, gilt dies umgekehrt auch für die deutsche Industrie in China.
Vor allem die großen Konzerne wie VW, BASF oder Siemens erwirtschaften einen Großteil ihres Ertrags in China. Der chinesische Absatzmarkt sei zu bedeutend als dass dieser vernachlässigt werden könnte, lautet das Argument.
Viele Mittelständler ziehen sich dagegen immer mehr zurück oder bauen ihr Geschäft nicht mehr weiter aus. Die Entflechtung der Wirtschaftsbeziehungen ist eine neue Entwicklung.
180-Grad-Wende in der Einstellung zu China
Vor zwei Jahren wollten China und die EU ihre Beziehungen sogar noch ausbauen. Kurz vor Jahresende 2020 einigte man sich im Grundsatz auf ein Investitionsabkommen. Doch das liegt seither brach. Denn inzwischen ist viel passiert: der russische Krieg in der Ukraine.
Außerdem setzt China immer mehr auf wirtschaftliche Unabhängigkeit. Zugleich hat das Riesenreich in den letzten Jahren in strategisch wichtige Infrastrukturen in der ganzen Welt investiert, darunter auch in Deutschland.
Was die Zugänge zu den jeweiligen Märkten angeht, monierten Wirtschaftsexperten allzu häufig, dass chinesische Unternehmen sehr viel einfacher strategisch in Deutschland investieren konnten als deutsche Unternehmen in China. Allerdings ändert sich die Einstellung dazu gerade.
Jüngstes Beispiel ist der Anteil an einem Terminal im Hamburger Hafen. Viel diskutiert war auch die Huawei-Technik für den Aufbau der 5G-Netze. In Europa haben die letzten Jahre gezeigt, in welche Schwierigkeiten die Europäische Union und besonders Deutschland kommen kann, wenn die Abhängigkeiten zu groß sind. Der russische Angriffskrieg und zuvor schon die Lieferkettenprobleme haben die Verwundbarkeit der deutschen Industrie an dieser Stelle offengelegt.
Gerade im Bereich der Rohstoffe ist die Abhängigkeit hoch. Eine Studie, die die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt hatte, kommt zu dem Ergebnis, dass von 46 Rohstoffen, die die Analysten als strategisch relevant für Deutschland eingestuft haben, 39 importiert werden müssen. Nicht alles aus China, aber doch ein erheblicher Teil und diese dann fast ausschließlich.
80 Prozent Abhängigkeit bei Seltenen Erden
Seltene Erden
Die Abhängigkeit bezieht sich nicht nur auf die Rohstoffe selbst, sondern auch auf deren Verarbeitung, erklärt der Geologe und Rohstoffexperte Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie: "Gerade bei Seltenen Erden ist diese Abhängigkeit schon bei über 80 Prozent. Auch wenn Rohstoffe irgendwo anders aus dem Bergbau gewonnen würden, müssten diese nach China verbracht werden, um sie so aufzubereiten, dass sie hier in der Industrie genutzt werden könnten."
Europa könnte sich allerdings beim Abbau durchaus unabhängiger machen. Seltene Erden seien nämlich gar nicht so selten, wie oft angenommen werde. Diese kämen auch in Europa vor, müssten aber erst gefunden und dann abgebaut werden:
"Wenn Sie mich als Geologen bitten: Suchen Sie mir eine Seltene-Erden-Lagerstätte! Dann dauert das etwa 15 bis 20 Jahre, bis tatsächlich das Metall bei Ihnen vor der Tür steht."
Abgesehen von der langen Vorlaufzeit, fehle aber auch der Wille dazu.
Soziale Probleme werden ins Ausland verlagert
"Ich finde es auch ein ethisches Problem, dass wir als Deutschland sehr Rohstoff-hungrig sind, aber sämtliche Probleme, die damit einhergehen, ins Ausland verlagern. Wie soziale Probleme, kritische Arbeitsverhältnisse oder Umweltverschmutzung. Diese wollen wir nicht, aber wir kaufen die Rohstoffe billig auf dem Weltmarkt ein."
Schließlich wurde der Strukturwandel weg vom Bergbau und den Hütten etwa im Ruhrgebiet als Errungenschaft angesehen. Zudem war er nicht mehr konkurrenzfähig gegen die billigen, staatlich subventionierten Importe aus China.
Die wenigen Stahlwerke und Hütten, die es noch gebe, könnten in Zukunft aber wichtig werden. Denn sie würden auch gebraucht beim Recycling von Rohstoffen, betont Kolb. Und das werde immer wichtiger.