Chinas mächtiger Xi Jinping: Was bedeutet seine Bestätigung im Amt für NRW?

Stand: 23.10.2022, 19:10 Uhr

Nach der Wiederwahl Xi Jinpings wachsen Befürchtungen bei Wirtschaftsunternehmen in NRW. Der mächtige Staatschef Chinas könnte die deutsche Abhängigkeit von seinem Land noch größer werden lassen.

Von Nina Magoley

Xi Jinping ist auf dem Parteikongress für weitere fünf Jahre als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas bestätigt worden. Es ist der nächste Schritt zu mehr Macht, fürchten Beobachter. Auch die Wirtschaft wird in China mittlerweile stark von der Politik kontrolliert - und damit von Xi Jinping.

Warum ist die Wiederwahl von Xi etwas Besonderes?

Alle fünf Jahre wird in China neu gewählt. Laut geltendem Gesetz durften Amtsinhaber bisher höchstens zwei aufeinander folgende Amtszeiten lang regieren. Xi Jinping war im November 2012 erstmals zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewählt worden - was gleichzeitig das Amt des Staatschefs bedeutet. 2017 wurde er ein zweites Mal gewählt - und 2023 wäre somit eigentlich Schluss gewesen für ihn.

Doch schon 2018 hatte der Nationale Volkskongress auf Xis Betreiben beschlossen, diese Regel zu kippen. Beobachter waren sich damals einig, dass Xi damit sicherstellen wollte, auch nach 2023 weiter regieren zu können, um seine Macht weiter auszubauen.

Was bedeutet die Entwicklung in China für die Wirtschaft in Deutschland und NRW?

Die Volksrepublik China gehört zu den wichtigsten Handelspartnern und Exportländern Deutschlands - auch Nordrhein-Westfalens. Noch im Oktober 2021 vermeldete das NRW-Wirtschaftsministerium ein Handelsvolumen mit China von rund 44 Milliarden Euro jährlich. Rund 1.200 chinesische Unternehmen seien hier ansässig, allein im vergangenen Jahr seien mehr als 40 neue Firmen hinzugekommen. "Zukunftsthemen" seien dabei vor allem die Bereiche Künstliche Intelligenz, Elektromobilität, Smart Logistics und Biotechnologie.

Laut einer aktuellen Studie des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung sind derzeit fast die Hälfte aller deutschen Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe auf wichtige "Vorleistungen" aus China angewiesen. Das können Einzelteile sein, aber auch der Zusammenbau von Produkten.

Ein Beispiel aus Bocholt

Hamburg, ein China Shipping Seecontainer auf  einem Gueterzug im Hamburger Hafen vor Hafenkraenen am Containerterminal Eurogate.

Warten auf Container aus China

Zum Beispiel der Fahrradhersteller Rose Bikes in Bocholt. Viele wichtige Einzelteile für die Rose-Räder kamen bislang aus China. Als es im Frühjahr wegen der Pandemie und geschlossener Häfen zu Lieferengpässen kam, fehlten plötzlich Kleinteile - Lenker, Sättel oder auch nur spezielle Schrauben. 60.000 Fahrräder konnten erstmal nicht fertiggestellt werden. Inzwischen arbeitet das Unternehmen fieberhaft daran, neue Zulieferer zu finden - außerhalb von China. Der Weg dahin sei aber noch weit, sagt Geschäftsführer Thorsten Heckrath-Rose. Gerade für bestimmte Schaltungen oder Bremsen säßen in China "Fast-Monopolisten" des Weltmarkts.

Wirtschaftsexperten beobachten seit geraumer Zeit, dass sich Chinas Wirtschaft zunehmend auf sich selbst fokussiert. Die Order für diese "Entkoppelungstendenzen" komme von der politischen Führung und sei für deutsche Unternehmend zunehmend eine "Herausforderung", stellt die Industrie- und Handelskammer (IHK) NRW fest. Bei Auftragsvergaben in China würden einheimische Unternehmen bevorzugt behandelt, ein Drittel der deutschen Unternehmen berichtete von Benachteiligungen, so die IHK.

China entwickelt eigene Normen und Standards

Auch das NRW-Wirtschaftsministerium räumt ein: Der Import aus China habe sich durch die "politischen Ausrichtung auf wirtschaftliche Unabhängigkeit" verringert. Dabei ist China aber auch als Absatzmarkt bedeutend für Deutschland: 2,7 Prozent der gesamten deutschen Wertschöpfung sei von der Nachfrage aus China abhängig, so die Ifo-Studie.

Und es gibt ein anderes, ebenfalls politisch gesteuertes Problem, mit dem deutsche Firmen laut IHK NRW zunehmend kämpfen: China entwickele derzeit eigene Normen, auch für Produkte, die auf den Weltmarkt gehen. In Europa und besonders in Deutschland sind Normen und Standards bei der Herstellung vieler Produkte aber wichtige Kriterien für Qualität, die auch den Wettbewerb mit beeinflussen. In Bereichen wie 5G, künstlicher Intelligenz oder Elektrofahrzeugen drohten dabei europäische Unternehmen im Wettbewerb ins Schleudern zu geraten.

"Es wächst die Sorge, dass China weiterhin einen staatlich gesteuerten Ansatz bei der Festlegung technischer Standards verfolgen wird", sagt Björn Fägersten, Direktor des Europa-Programms am Schwedischen Institut für Internationale Angelegenheiten. Ziel Chinas sei dabei, "ein weltweit führender Anbieter strategischer Technologien zu werden".

Vor allem deutsche Dax-Konzerne sind von China abhängig

Der deutsche Mittelstand sei bereits vorsichtiger geworden beim Engagement in China, sagt Politikjournalist Steffen Wurzel. Inzwischen sei vielen klar: "In China kann man sehr schnell viel Geld verdienen, aber auch sehr schnell ausgeschlossen werden vom Geldverdienen." Abhängig von China seien aber vor allem einige große deutsche Dax-Konzerne - darunter BMW, VW, Mercedes und BASF.

Wird sich mit China wiederholen, was wir derzeit mit Russland erleben?

Bei der Firma Weidmüller aus Detmold, Hersteller elektronischer Komponenten auch in China, ist man besorgt. Die Spannungen zwischen China und Taiwan seien überhaupt nicht kalkulierbar, sagt Vorstandssprecher Volker Bibelhausen. "Der Worst Case sind Sanktionen oder Verbote, wie wir sie jetzt auch in Russland erleben."

Auch in der Fahrrad-Industrie seien die Beziehungen zwischen China und Taiwan sehr eng, sagt Rose-Bikes-Geschäftsführer. Er könne nur hoffen, "dass alle besonnen damit umgehen". Künftig müsse man bei der Auswahl der Zulieferer und Lieferketten auch solche Aspekte stärker berücksichtigen.

Politologe Sandschneider: China ist nicht Russland

Aus der Ifo-Studie geht hervor, dass bereits fast jedes zweite Unternehmen plane, die Importe aus China in Zukunft zu reduzieren. Allerdings ließen sich einige Industrieprodukte und Rohstoffe, die Deutschland aus China bezieht, bislang nur schwer ersetzen. Unternehmen müssten "Ansiedlungskooperationen" mit Ländern wie Indien oder Indonesien aufbauen, sagt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (DIW) in Köln. Um bei der Herstellung hochmoderner Industrieprodukte unabhängiger von China zu werden.

China gleichzusetzen mit Russland sei aber falsch, sagte der Politologe Eberhard Sandschneider in der Aktuellen Stunde des WDR am Samstag. Es gebe viele Signale dafür, dass innerhalb der Kommunistischen Partei die Widerstände gegen Xi Jinping wüchsen.

Weitere Themen