Climate Trace: Klimaschädliche Emissionen in Echtzeit tracken
Stand: 22.11.2022, 14:10 Uhr
Klimasünder sollen sich nicht mehr verstecken können: Ein neues Online-Tool namens "Climate Trace" macht den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen sichtbar – live. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb erklärt die Hintergründe.
Von Jörg Schieb
Die vor wenigen Tagen in Ägypten zu Ende gegangene Weltklimakonferenz hat es mal wieder deutlich gemacht: Die Menschheit steht vor einer gewaltigen Aufgabe. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase, vor allem CO2 und Methan, müssen schnell und deutlich reduziert werden.
Doch in den öffentlichen Debatten müssen sich Politik und Gesellschaft allzu häufig auf die Angaben verlassen, die Fabriken, Agrarwirtschaft, Flughäfen oder Industrie öffentlich machen. Niemand kann wissen, ob diese Angaben zu Emissionen stimmen.
Online-Tool macht Schadstoffausstoß sichtbar
Doch seit kurzem gibt es ein öffentlich zugängliches Online-Tool, das in nie gekannter Genauigkeit und Auflösung über 80.000 verschiedene globale Quellen von Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas – die führenden Treibhausgase – visualisieren kann. Weltweit. Schon bald sollen es Hunderttausende von Quellen sein, die sich auf diese Weise überwachen und anschaulich visualisieren lassen. Die Daten werden mithilfe von KI (Künstlicher Intelligenz) bewertet.
Ein Tool, das die "Climate Trace" Koalition entwickelt hat. Der Begriff "Trace" steht nicht nur für das Überwachen von Aktivitäten und Daten, sondern auch für "Tracking Real-time Atmospheric Carbon Emissions", also das Nachverfolgen von atmosphärischen Kohlenstoffemissionen in Echtzeit. Die Koalition hat über zwei Jahre an dem Werkzeug gearbeitet – und vor kurzem der Öffentlichkeit vorgestellt.
Interaktive Weltkarte
Auf einer interaktiven Weltkarte können Besucher ganz präzise die aktuellen und kumulierten Emissionen einzelner Fabriken oder sogar Schiffe nachschauen und nachvollziehen. Dazu werden Daten von diversen Satelliten verarbeitet, die immer präziser und höher aufgelöst ausgestoßene Schadstoffe erkennen und melden können. Hunderte solcher Satelliten umkreisen die Erde – und viele stellen die Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Das Online-Werkzeug wurde unter anderem von Ex-Vize-US-Präsident Al Gore mit entwickelt, der schon lange als Umweltaktivist gilt. Das Tool macht es ausgesprochen einfach, öffentlich gemachte Angaben zu Emissionen zu überprüfen, aber auch Umweltsünder an den Pranger zu stellen. Industrie und Unternehmen werden sich künftig öfter rechtfertigen müssen. Denn nie war es leichter für Politiker, sich ohne großen Aufwand zu informieren, wie es in einem größeren Betrieb aussieht. Entscheider und Klimaaktivisten können mit dem Tool Klimamaßnahmen überwachen.
Sich zu verstecken, geht jetzt nicht mehr. Fehlerhafte oder unwahre Emissionsmeldungen fliegen auf.
Auch Datenmaterial verfügbar
Die Macher des Tracing-Tools weisen darauf hin, dass es zur Erreichung der im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziele essenziell sei, nicht nur die kumulierten Emissionen von Staaten zu kennen, sondern auch die von einzelnen Sektoren wie Industrie, Agrarbetrieb, Flughäfen oder Energieversorgern.
Die durch das Tool bereitgestellten Informationen zu einzelnen Einrichtungen wie Fabriken sind ein mächtiges Werkzeug. Damit lässt sich beispielsweise ermitteln, welche Emissionen auf ganzen Lieferketten entstehen. Auch können User nachschauen, welche Emissionen in unmittelbarer Umgebung entstehen, etwa in Kraftwerken oder Industrieanlagen und Flughäfen.
Doch die Daten können nicht nur anschaulich visualisiert werden, sie lassen sich auch herunterladen: Alle Daten stehen – nach Sektoren unterteilt – auch in Form von CSV-Daten zum Download bereit.
Über den Autor
WDR-Digitalexperte Jörg Schieb
Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.