Bundesaußenminister im Wahlkreis Bonn
Guido Westerwelle auf Stimmenfang
Stand: 06.09.2013, 06:00 Uhr
Ämter machen Leute: Auf kein anderes Regierungsmitglied trifft dies besser zu als auf Guido Westerwelle (FDP). Einst schrill, jetzt fast schon still. Fernab der Brandherde Syrien und Ägypten will der Außenminister im beschaulichen Bonn die Stimmen holen.
Von Fabian Wahl
Die FDP lädt zum liberalen Sommerjazz. Auf dem Dach der Bonner Bundeskunsthalle will man die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes einläuten. Der personifizierte Hauptakt erscheint in Begleitung von Personenschützern und trägt eine gelbe Krawatte zum dunklen Anzug. Guido Westerwelle ist angekommen in seinem Wahlkreis Bonn. Direkt bildet sich ein Knubbel um ihn. "Freut mich sehr, Sie kennenzulernen", lächelt Westerwelle, während er reichlich Hände schüttelt.
Sein Mitarbeiter muss ihm neue Autogrammkarten zustecken. Im Gegenzug darf er Visitenkarten von Bürgern entgegennehmen, wie die vom Vize-Präsidenten des Fußballvereins Bonner SC, der Westerwelle zu gern auf seiner Zuschauertribüne sitzen sehen würde. "Bis zum 22. September habe ich leider keine Zeit mehr", vertröstet der Außenminister.
Der Genscher-Pullover
Es ist ein großes Hallo auf dem Museumsdach. Westerwelle tänzelt zwischen Bierbänken und gelb-blauen Sonnenschirmen umher, drückt weiter fleißig Hände und lässt sich geduldig mit aufgeregten Bürgern fotografieren. Die Piraten machen Wahlkampf mit Cryptopartys, die SPD geht Klinken putzen und die FDP feiert sich und den Wahlkampf beim Sommerjazz auf der Bundeskunsthalle. Die Männer stecken oft in Hemd und Jackett, manche auch in einem hellgelben Pullover à la Dietrich Genscher. Plötzlich steht ein ehemaliger Schulkamerad da. "Mit dem bin ich zur Schule gegangen", erzählt Westerwelle. "Aber er sah damals - wie ich auch - dünner aus." Es wird gelacht. Das Stichwort heißt Bürgernähe.
Bonn ist Westerwelles Heimat. Im benachbarten Bad Honnef ist er geboren, in der früheren Bundeshauptstadt hat er Jura studiert. Von hier aus kletterte er die parteiinterne Karriereleiter hoch, und hier tritt der FDP-Politiker traditionsgemäß als Direktkandidat der Liberalen an. Bei der letzten Wahl 2009 holte er 19,1 Prozent der Erststimmen. Damals war er noch FDP-Spitzenkandidat für den Bundestag. In diesem Jahr ist der 51-Jährige nur noch Spitzenkandidat der NRW-FDP. Der FDP-Spitzenkandidat im Bundestag ist Rainer Brüderle (68).
"Zahllose Länder bereist"
Bei Sonnenschein ergreift Westerwelle das Mikrofon, hinter ihm liegt das bürgerliche Bonn. Seine etwa 20-minütige Ansprache ist gespickt mit Verweisen auf sein Außenamt. Er hat etwas vorzuweisen, und das will er auch zeigen. "Meine Damen und Herren, wir leben zurzeit in sehr ernsten Zeiten", beginnt er. In Syrien gebe es Entwicklungen, "die uns besorgen und unser Herz auch beschweren". Dann geht es um den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Russland und US-Präsident Barack Obama.
Das Außenamt - das ist sein Trumpf. "Ich bin, so wie viele Jahre vorher Klaus Kinkel, sehr viel in den letzten vier Jahren als Außenminister in der Welt unterwegs gewesen", sagt der deutsche Chefdiplomat, um dann direkt zu untermauern: "Ich habe zahllose Länder bereist." Es ist die Verwandlung des Guido Westerwelle. Früher hat er polarisiert, gepoltert und auf die anderen Parteien Attacken gefahren, jetzt schlägt er milde Töne an und gibt sich als Versöhner. Zu seinem Wortschatz gehören jetzt Begriffe wie Besonnenheit, Bedauern und Bestürzung.
Neuland Außenministerium
Westerwelle musste sich 2009 an den neuen Umgangston gewöhnen. Zunächst schimpfte er noch auf das Sozialsystem, das zu "spätrömischer Dekadenz" einlade. Dann gab es Kritik an der Auswahl seiner Reisebegleiter. Einen BBC-Journalisten ermahnte er, seine Fragen auf Deutsch zu stellen, weil man eben in Deutschland sei. Von der naturgemäßen Beliebtheit eines Außenministers konnte Westerwelle nicht profitieren. Später musste er den Parteivorsitz an den aufstrebenden Philipp Rösler übergeben. Heute hat sich Westerwelle mit sich selbst arrangiert, fernab der innerparteilichen Streitigkeiten. Über seine Widersacher Rösler und Brüderle verliert er in Bonn kein Wort.
Auf Westerwelles Wahlplakaten ist "Bonn in die Regierung - Das geht nur mit uns" zu lesen. Die Bonner FDP ist stolz auf Westerwelle, der zum einen Außenminister ist und zum anderen als Bundestagsabgeordneter ihre Anliegen in Berlin vertritt. Doch wie funktioniert das, wenn Westerwelle, wie er selbst sagt, permanent in der Welt herumreist?
In seiner Rede streift er Bonn nur minimal. Die Bundesstadt müsse ein Beethoven-Festspielhaus bekommen. Wie das finanziert werden soll, sagt er nicht. Ein anderes Thema, das nahezu alle Bonner bewegt, klammert er dagegen aus: Es ist das umstrittene Bonn-Berlin-Gesetz, jenes Gesetz, das der Bundesstadt einen Großteil der Arbeitsplätze der Bundesministerien garantiert.
Bekommt der Bundestagsabgeordnete Westerwelle überhaupt mit, was in Bonn passiert? "Sie sehen ja an den vielen Begegnungen mit den Bürgern, die ich habe, dass Bonn meine Heimat ist", sagt er zu WDR.de. "Da weiß man schon, was zuhause los ist und wo der Schuh drückt."
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