Foto des FDP-Flyers

Ärger im Wahlkampf

Brüderle-Broschüre bringt FDP in die Bredouille

Stand: 01.08.2013, 14:03 Uhr

Die FDP-Bundestagsfraktion hat im Bundestagswahljahr 2013 Briefe an Haushalte verschickt. Auch vor der Landtagswahl hatten NRW-Bürger Reklamepost von Rainer Brüderle bekommen. Eine Aktion, die der Verfassungsgerichtshof in Münster erst unlängst rügte.

Von Martin Teigeler

Im Briefkasten landet oft lästige Werbung. Neben Reklamebriefchen für schnelle Internetverbindungen oder supergünstige Lebensversicherungen bekamen nordrhein-westfälische Haushalte im April 2013 auch ein Schreiben von Rainer Brüderle. "Im September endet diese Wahlperiode des Deutschen Bundestags", hieß es in der Nachricht des FDP-Fraktionsvorsitzenden und liberalen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Beigefügt war ein Flyer zum Thema "Vier gute Jahre für Deutschland". Handelt es sich um legitime Information einer Bundestagsfraktion oder um anrüchige Wahlkampf-Agitation?

Fraktionswerbung oder Wahlkampf

Von einer "möglichen Zweckentfremdung öffentlicher Mittel" durch die FDP-Bundestagsfraktion spricht André Stinka, Generalsekretär der NRW-SPD. Der Sozialdemokrat kritisiert, öffentliche Gelder würden "für den Wahlkampf" eingesetzt. Der Bundestag bewertet den Brief anders: Die betreffende Fraktionswerbung sei "nach Einschätzung der Bundestagsverwaltung inhaltlich nicht als eine ausdrückliche Parteiwerbung im Sinne des Parteiengesetzes zu verstehen", teilte die Pressestelle des Parlaments am Donnerstag (01.08.2013) mit. "Ob die Informationsmaterialien, welche die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt hat, den fraktionsrechtlichen Vorgaben entspricht, ist seitens des hierfür zuständigen Bundesrechnungshofs zu prüfen." Ob beim Rechnungshof tatsächlich eine Prüfung läuft, blieb zunächst offen. Anders als Parteien dürfen Fraktionen keinen Wahlkampf machen. Denn sie sind Teil des Staatsorgans Parlament. Darum müssen sie Neutralität wahren, zumal sie vom Steuerzahler finanziert werden. FDP-Parteichef Philipp Rösler darf auf Parteikosten Briefe verschicken so viel er will. Bei Brüderle als Fraktionschef gibt es wie bei allen anderen Fraktionen gesetzliche Beschränkungen.

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, unterhält sich in Düsseldorf auf dem Neujahrsempfang mit dem Landesvorsitzenden der NRW-FDP, Christian Lindner

FDP-Bundestagsfraktions-Chef Brüderle mit FDP-Landeschef Lindner (links)

Tatsache ist, dass die FDP-Bundestagsfraktion bereits im NRW-Landtagswahlkampf 2012 Schlagzeilen mit einem umstrittenen Flugblatt machte. Eine Postwurfsendung von Brüderle zur Schuldenpolitik löste damals einen Rechtsstreit über unzulässige Wahlwerbung aus. Die Grünen und später auch die NPD erhoben bereits damals unter anderem den Vorwurf der unzulässigen Werbung aus Steuermitteln. Die FDP-Bundestagsfraktion führte im Mai 2012 umgehend ein Gegengutachten einer Rechtsanwaltskanzlei ins Feld. Sie stufte den Brief als zulässige Öffentlichkeitsarbeit ein. Die FDP steigerte ihr Ergebnis bei der Wahl 2012 von zuvor 6,7 auf 8,6 Prozent.

Rüge aus Münster

Schließlich befasste sich der NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster mit dem Schreiben. Es "spricht viel dafür, dass die beanstandeten Werbemaßnahmen der FDP-Bundestagsfraktion gegen die Chancengleichheit der politischen Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz verstoßen", entschied das höchste nordrhein-westfälische Gericht am 16. Juli 2013 (Aktenzeichen: VerfGH 17/12). Der Brief sei "sogar gezielt für den Landtagswahlkampf eingesetzt worden". Das ergebe "sich zum einen aus der Verwendung wahlkampftypischer Werbeformen und der Inanspruchnahme auf den Wahlkampf zugeschnittener Versanddienstleistungen unmittelbar vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ohne akuten Anlass auf Bundesebene". Gleichzeitig lehnte es das Gericht jedoch ab, die Landtagswahl des vergangenen Jahres wegen der Broschüre für ungültig zu erklären. Einen Einfluss der Werbemaßnahme auf die Sitzverteilung im Landtag lasse sich nicht nachweisen. Gegen die FDP-Aktion von 2012 läuft auch noch eine Klage der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht.

SPD-Generalsekretär Stinka bezeichnet Brüderle wegen der Briefaktionen von 2012 und 2013 als "Wiederholungstäter" und wirft den Liberalen mehrere Fouls vor. Den FDP-Landesvorsitzenden Christian Lindner fordert der Sozialdemokrat "dazu auf, sich in seiner Partei stärker als bisher für die Einhaltung der demokratischen Spielregeln einzusetzen und dafür zu sorgen, dass diese zweifelhaften Praktiken gestoppt werden". Von der Landes-FDP heißt es lediglich, der Landesverband sei bei der Postwurfsendung "in keiner Weise involviert". Die FDP-Bundestagsfraktion verteidigte auf Anfrage von WDR.de die umstrittenen Brief-Aktionen. "Uns ist wichtig: Es fand keine Information der Bürgerinnen und Bürger nur in bestimmten Regionen oder Ländern statt. Wir informierten und informieren die Öffentlichkeit deutschlandweit und kontinuierlich vor allem über unsere Brot- und Butter-Themen Soziale Marktwirtschaft, Bildung und Bürgerrechte", teilte die Fraktion mit. "Insgesamt wurden in den letzten zwei Jahren vier Briefe von Herrn Brüderle versendet", hieß es. Diese Reihe sei mehrfach vom Bundestagspräsidenten als für die Parteienfinanzierung zuständige Verwaltungsbehörde geprüft und nicht beanstandet worden. Die jeweiligen Kosten unterlägen dem Geschäftsgeheimnis der beauftragten Agentur.