Brand im Teheraner Evin-Gefängnis

Stand: 16.10.2022, 19:27 Uhr

Bei einem Feuer im Evin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt sollen mehrere Menschen gestorben sein. Die Anstalt gilt als berüchtigter Ort für Folter und Misshandlungen, viele Regime-Kritiker sitzen derzeit dort ein. Einige Beispiele.

Das Feuer in dem Gefängnis sei am Samstag nach einem Streit zwischen Gefangenen ausgebrochen, die dort in einer Näherei arbeiteten, hatte der Gouverneur von Teheran, Mohsen Mansouri, am Sonntagnachmittag mitgeteilt. Mindestens vier Gefangene seien ums Leben gekommen, 61 weitere Menschen seien verletzt.

Das Evin-Gefängnis im Norden der iranischen Hauptstadt Teheran gilt landesweit als der Ort für Misshandlung und Folter besonders von politischen Gefangenen. In den vergangenen vier Wochen sind dort offenbar auch viele Demonstranten inhaftiert worden, die an den systemkritischen Protesten auf den Straßen iranischer Städte teilgenommen hatten.

In einem von der iranischen Menschenrechtsorganisation IHR geposteten Tweet waren am Samstagabend Straßen voller hupender Autos zu sehen. Das Hupen gilt seit Tagen als Solidaritätsbekundung mit den Protestierenden. Medien berichteten über hunderte Menschen, die am Samstagabend zum Gefängnis gelaufen seien, darunter viele Angehörige der dort Inhaftierten.

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Die iranischen Behörden hätten immer wieder ihre Nichtachtung gegenüber dem menschlichen Leben gezeigt, sagte der Direktor des Zentrums für Menschenrechte im Iran (CHRI), Hadi Ghaemi, am Samstagabend. "Wir sind extrem besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden könnten."

Was weiß man über den Brand im Evin-Gefängnis?

Wie genau es dazu kam, lässt sich bisher offenbar nicht unabhängig verifizieren. Die staatliche Agentur Irna hatte am Samstagabend zunächst von einer Auseinandersetzung zwischen "Hooligans und Randalierern" mit den Gefängniswärtern berichtete. Das Textillager der Anstalt sei in Brand gesteckt worden, hieß es weiter. Die Lage sei jedoch nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle gebracht worden.

Augenzeugen hatten berichtet, dass am Samstagabend laute Explosionen und Schüsse aus dem Gefängnis zu hören gewesen seien. Bis Mitternacht seien Flammen zu sehen gewesen. Nach Darstellung der Staatsanwalt Teherans handelte es sich um einen internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben. Mit den anhaltenden systemkritischen Protesten und den dabei Inhaftierten gebe es keinen Zusammenhang. Menschenrechtler bezweifeln diese Version in den sozialen Medien.

Für Empörung sorgte dort ein Bericht des iranischen Staatsfernsehens, demzufolge nachts um zwei Uhr bereits wieder friedliche Ruhe auf den Gängen des Gefängnisses geherrscht haben soll. Der Moderator zeigte schlafende Gefangene.

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Wer sitzt in Evin ein?

Viele langjährige politische Gefangene und mittlerweile auch hunderte bei den Protesten der vergangenen Wochen festgenommene Demonstranten. Darunter viele Studierende der Teheraner Scharif-Universität.

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Der 37-jährige iranische Blogger Hossein Ronaghi Maleki war im Oktober verhaftet worden. Berichten zufolge wurden ihm im Gefängnis beide Beine gebrochen. Auch den Sänger Shervin Hajipour nahmen die Sicherheitskräfte fest. Sein Song "Baraje" ("Dafür") war auf Instagram millionenfach angesehen worden und gilt mittlerweil als Hymne der Proteste.

Die Journalistin Niloofar Hamedi, die für die Zeitung "Shargh Daily" als allererste über den Fall der getöteten Mahsa Amini berichtet hatte, wird ebenfalls in Evin gefangen gehalten.

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Donya Rad hatte Ende September zusammen mit ihrer Schwester in einem Teheraner Café gesessen - beide Frauen ohne Kopftuch. Tage später war sie von Polizeikräften in ihrem Haus festgenommen worden. Ihre Schwester schrieb daraufhin auf Twitter, Donya habe sie aus dem Evin-Gefängnis angerufen und gesagt, sie sei jetzt in die berüchtigte Abteilung 209 gebracht worden. Mittlerweile soll Donya Rad aus dem Gefängnis entlassen worden sein.

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Ende September war der ehemalige iranische Nationalspieler Hossein Mahini festgenommen und ins Evin-Gefängnis gebracht worden, nachdem er sich auf Twitter mehrfach mit den protestierenden Frauen solidarisch erklärt hatte. Das schrieb die iranische Nachrichtenagentur Irna. Mahini soll gegen eine Kaution von umgerechnet 30.000 Euro aus der Haft entlassen worden sein.

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Auch die 63-jährige Wissenschaftlerin Fariba Abdelkhah ist im Evin-Gefängnis inhaftiert - wegen Verbreitung regimefeindlicher Propaganda.

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Im vergangenen Sommer hatte die Menschenrechtsorganisation CHRI mehrfach darüber berichtet, dass politischen Gefangenen, die sich im Evin-Gefängnis mit Corona infiziert hatten und schwer erkrankt waren, medizinische Behandlung verwehrt worden sei. Darunter der Filmemacher Jafar Panahi oder die Menschenrechtsanwältin Amirsalar Davoudi.

Die ebenfalls inhaftierte Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi schrieb im August in einem Brief aus dem Gefängnis, dass trotz hoher Infektionszahlen in der Frauenabteilung keine Separierung der Infizierten erfolge. Quarantäne sei unmöglich aufgrund der Überbelegung des Gefängnisses.

Proteste im Iran - was ist dieses Mal anders? I nah dran

nah dran – die Geschichte hinter der Nachricht 14.10.2022 17:02 Min. Verfügbar bis 14.10.2027 WDR Online


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