Lästern über Chefs: Fristlose Kündigung

Aktuelle Stunde 24.08.2023 32:01 Min. UT Verfügbar bis 24.08.2025 WDR Von Alexander Roettig

Gericht: Kündigung nach WhatsApp-Chat über Chef ist rechtmäßig

Stand: 24.08.2023, 16:42 Uhr

Den Chef bei WhatsApp beschimpft - und dann die Kündigung: Beschäftigten drohen bei Beleidigungen Vorgesetzter in privaten Chatgruppen arbeitsrechtliche Konsequenzen. Was das Bundesarbeitsgericht am Donnerstag entschieden hat.

Von Peter Hild

Nur in begründeten Ausnahmefällen könnten sie sich auf Vertraulichkeit berufen, entschied das Bundesarbeitsgericht am Donnerstag. Geklagt hatten mehrere Arbeitnehmer, denen nach beleidigenden Äußerungen in einer "WhatsApp"-Gruppe außerordentlich gekündigt wurde, nachdem der Vorgesetzte davon erfahren hatte.

In dem Verfahren geht es um die Frage, ob eine kleine "WhatsApp"-Gruppe eine Art geschützter, privater Raum ist, in dem Vertraulichkeit gilt und Beschimpfungen oder Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Sanktionen ausgetauscht werden können.

Worum geht es genau in dem Fall?

Bis zu sieben befreundete Arbeitskollegen bildeten über Jahre eine "WhatsApp"-Gruppe und tauschten zahlreiche Nachrichten über ihre privaten Smartphones aus. Ihr Arbeitgeber geriet in Turbulenzen, Umstrukturierungen standen an. Mitglieder der Chatgruppe sollten vergangenes Jahr in eine Transfergesellschaft wechseln.

Monate davor wurde ein Teil ihres Chat-Verlaufs mit wüsten Beschimpfungen eines ihrer Chefs kopiert und gelangte zunächst an den Betriebsrat und dann an den Personalchef - immerhin ein 316-seitiges Dokument. Dessen Echtheit bestätigte einer der Beteiligten schriftlich, wie aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen von Dezember 2022 hervorgeht. Hintergrund soll ein Arbeitsplatzkonflikt gewesen sein.

Um was für Äußerungen geht es?

Die Chats enthielten beleidigende, rassistische, teilweise menschenverachtende und sexistische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt. Unter anderem ist von "in die Fresse hauen" die Rede.

Wie hat der Arbeitgeber reagiert?

Der Arbeitgeber der Beschäftigten sprach gegenüber den Beteiligten außerordentliche Kündigungen aus, denen der Betriebsrat zugestimmt hat. Dagegen wehren sich die Geschassten seitdem in mehreren Instanzen vor Gericht.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Mitglieder geschlossener Chatgruppen könnten sich nur im Ausnahmefall auf den Schutz durch Vertraulichkeit berufen, urteilten die Erfurter Richter. Das hänge von der Art der Nachrichten und der Größe der Gruppe ab.

Die Richter wiesen den Fall an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurück. In ihrer Begründung heißt es: "Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben." Dies sollen die gekündigten Mitarbeiter nun vor dem Landesarbeitsgericht erläutern.

Wie haben Gerichte bisher entschieden?

Das Arbeitsgericht Hannover und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen urteilten zugunsten der pöbelnden Arbeitnehmer. Zur Begründung hieß es vom Landesarbeitsgericht: "Äußerungen in einer privaten Chatgruppe genießen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht, wenn der Äußernde auf die Wahrung der Vertraulichkeit vertrauen durfte."

Wie bewerten Arbeitsrechtler die Sachlage?

"Bei kleinen, geschlossenen Chatgruppen wie oft bei WhatsApp ist die bisherige Rechtssprechung der Arbeitsgerichte unterschiedlich", sagt der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing. Die Beleidigungen im aktuellen Fall seien allerdings krass und menschenverachtend. Beleidigungen mit betrieblichem Bezug sind laut Thüsing ein klassischer Grund für außerordentliche Kündigungen.

Für Fachanwalt Martin Felser aus Brühl sind die Umstände der Äußerungen entscheidend: "Es kommt auch drauf an, in welcher Branche ist welcher Ton üblich. Auf dem Bau gehts zum Beispiel ja auch gerne ruppiger zu, ohne dass jemand wirklich beleidigen will." Bei nicht gravierenden Beleidigungen müsste ein Arbeitnehmer zunächst abgemahnt werden, bevor eine Kündigung folgt.

Angesichts der bisherigen Fälle vor Gericht müssten sich Arbeitnehmer bewusst machen, dass solche privaten Chatgruppen letztlich nicht sicher seien. Denn in nahezu allen Fällen bisher seien Betroffene von anderen Chatmitgliedern verpfiffen worden.

Mit Material der dpa.

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