Wandel einer riesigen Branche: So geht es Autozulieferern in NRW

Stand: 20.07.2022, 08:11 Uhr

Einer der wichtigsten Industriezweige NRWs steht unter Druck: Automobilzulieferer. Grund dafür ist vor allem die Wende zum Elektroauto. Wie die Firmen mit dem Wandel umgehen und was Arbeitskräfte erwartet.

Von Arndt Brunnert

Mit knapp 200.000 Beschäftigten sind die Autozulieferer in NRW einer der wichtigsten Industriezweige des Landes. Und diese Industrie war selten so unter Druck wie zur Zeit. Gründe dafür sind die Wende zum Elektroauto, die Forderung nach umweltfreundlicher Produktion, Corona, steigende Energiekosten und Risse in der Lieferkette.

Laute Pfiffe, Trommelwirbel und viel Wut. Viele Arbeitskräfte haben schon diverse Arbeitsniederlegungen hinter sich, zuletzt die 200 Beschäftigten des Autozulieferers KDK im sauerländischen Lennestadt. Fest steht: Ihr Werk wird geschlossen. In NRW ist das kein Einzelfall.

Hoher Kostendruck

Unternehmen begründen die Werksschließungen mit dem hohen Kostendruck, unter dem die Branche stehe: Momentan findet der tiefgreifendste Wandel in der Geschichte der Autoindustrie statt – weg vom Verbrenner, hin zum Elektroauto. Und das in einer Zeit, in der die Branche zudem mit Corona-Verlusten und den Folgen des Ukraine-Krieges kämpft.

Da muss viel Geld investiert werden, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach und ergänzt: "Wir rechnen damit, das im industriellen Bereich, im Bereich der Automobilproduktion rund 20 Prozent der Arbeitsplätze weniger notwendig sein werden als bislang." Das wären in NRW laut des Instituts IW Consult in Köln bis zu 25.000 Arbeitsplätze, die wegfallen könnten.

Arbeitnehmer müssen sich anpassen

Viele Arbeitnehmer, die bleiben, müssen umgeschult werden. Denn das E-Auto ist anders: Kein großer Verbrennungsmotor, kein Schaltgetriebe, keine Abgasanlage. Dafür ist Leichtbau wichtig, etwa für eine lange Reichweite.

"Die Bauteile sind nicht mehr so einfach. Wir haben täglich mit Situationen zu kämpfen von Herstellbarkeiten, wo wir sagen, dass kannten wir so bisher noch nicht", sagt Stefan Bieker, der beim Autozulieferer Gedia in Attentorn an Karosserieteilen arbeitet. Dass sich die Arbeitskräfte in der Branche weiterbilden, fordert nicht nur die Gewerkschaft IG Metall. Auch den meisten Unternehmen ist klar, wie wichtig es ist, intern zu schulen.

Unternehmen entdecken neue Felder

Wichtig sind auch die vorausschauenden Firmen, die vor Jahren damit begonnen haben, sich mit neuen Produkten für Elektroautos zu beschäftigen. Bei Gedia oder Kirchhoff in Attendorn sind das etwa kühlende Kästen für Batterien.

Der Mendener Abgasspezialist HJS kümmert sich um den Wasserstoffmotor, erklärt Manager Bernd Lindemann, "der zwar CO2-frei ist aufgrund des Kraftstoffs. Aber er ist immer noch mit Emissionen behaftet. Wir entwickeln Abgasanlagen für den Wasserstoffmotor". Das zweite sei, dass sie sich natürlich auch mit der Brennstoffzelle auseinandersetzen würden. Andere Zulieferer wiederum entwickeln autonom fahrende Minibusse, arbeiten verstärkt für die Luftfahrtindustrie oder bauen Lastenfahrräder.

Klimafreundlichere Produktion

Das größtes Problem für die Firmen sind aktuell die sehr hohen Energiekosten. Obwohl die Firmen das Geld eher in eine klimafreundlichere Produktion investieren müssten. Denn darauf drängen die Autohersteller. Experten sagen, dass gerade in diesem Bereich viele Zulieferer noch großen Nachholbedarf haben.

Gleichzeitig kommen aber auch neue Zulieferer dazu. Der Steckerspezialist Mennekes aus Kirchhundem baut jetzt auch Wallboxen und Ladestationen – dabei sind 280 neue Jobs entstanden. Die Branche verändere sich laut Bratzel sehr schnell: "Die Wertschöpfung der Zukunft liegt im Bereich Software, Daten und Dienstleistungen."

Fehlende Fachkräfte

In Bochum passiert das schon. Auf dem alten Opel-Gelände siedeln sich neue Autozulieferer an, wie die Bosch-Tochter E-Script. Sie kümmert sich um die Sicherheit von IT-Systemen im Auto und sieht eine ganz andere Herausforderung: Fehlende gut qualifizierte Fachkräfte.