Asylpolitik: Kritik an Faesers Gesetzesplan

WDR aktuell 25.10.2023 Verfügbar bis 25.10.2025 WDR Von Isabelle Engler

Asylpolitik: Lassen sich Abschiebungen durch ein neues Gesetz beschleunigen?

Stand: 25.10.2023, 13:11 Uhr

Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, sollen schneller aus Deutschland abgeschoben werden. Wie groß ist das Problem? Und kann ein neues Gesetz es lösen?

Die Bundesregierung will die Rückführung von Menschen beschleunigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Dazu hat das Kabinett am Mittwoch in Berlin ein entsprechendes Gesetzespaket auf den Weg gebracht und reagiert damit auf gestiegene Asylbewerber-Zahlen. Die Länder hatten wegen knapp werdender Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in vielen Kommunen Alarm geschlagen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Wochenende gesagt, dass er Geflüchtete ohne Bleibeperspektive nun "endlich im großen Stil" abschieben will.

Konkret: Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams wird von zehn auf 28 Tage verlängert. Das soll Behörden mehr Zeit zur Vorbereitung der Abschiebung geben. Und verhindern, dass Abzuschiebende vor einer Rückführung untertauchen. Die Polizei soll Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte durchsuchen können, um die Identität Betroffener zu klären.

Zudem ist ein härteres Vorgehen gegen Schleuser geplant. Ausländische Mitglieder krimineller Vereinigungen sollen künftig unabhängig von einer individuellen Verurteilung ausgewiesen werden können.

Kommunen hoffen auf Entlastung - Kritik von ProAsyl und Diakonie

In den Kommunen hofft man auf Entlastung. Deshalb befürwortet die Linnicher Bürgermeisterin Marion Schunck-Zenker (SPD) das Gesetzesvorhaben: "Grundsätzlich bringt das Entlastung, weil wir natürlich die Aufgabe haben, dass die Menschen, die ein Anrecht auf Schutz haben, den auch bei uns bekommen." Menschen, die dieses Recht nicht hätten, müssten schneller abgeschoben werden, "damit wir Plätze haben, damit wir Ressourcen haben". Doch Abschiebungen allein würden nicht reichen, so Schunck-Zenker.

Deutliche Kritik an dem Ampel-Gesetz kommt dagegen von Pro Asyl: Das Vorhaben werde "dem Rechtspopulismus weiter Vorschub leisten" und Kommunen nicht wie behauptet entlasten, sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith. Schon jetzt sei "jede zweite Abschiebungshaft rechtswidrig, schon jetzt werden Familien getrennt und Kinder nachts aus dem Schlaf gerissen".

Judith Fisch, die als Referentin beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe für die Abschiebungsbeobachtung zuständig ist, glaubt nicht, dass das Gesetz den erhofften Erfolg bringt: "Es wird für die Behörden sehr viel einfacher, bestimmte Prozesse durchzusetzen, aber relativ wenig Abschiebungen sind möglich." Das Gesetz werde "wenn überhaupt, nur marginal zur Erhöhung von Abschiebungszahlen beitragen".

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Monitor 12.10.2023 09:44 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Julius Baumeister, Herbert Kordes

Opposition lobt den Gesetzesentwurf

Die Opposition ist zufrieden mit dem Maßnahmenpaket: "Es kommt zu spät und es ist zu wenig, aber es sind Schritte in die richtige Richtung, das muss man anerkennen," sagte CDU-Politiker Thorsten Frei dem WDR. "Wenn es gelingt die Zahlen zu verdoppeln, dann werden es trotzdem nur etwa 25.000 Ausreisen sein - im Vergleich zu etwa 300.000 Ausreisepflichtigen, die wir derzeit in Deutschland haben."

NRW-Innenministerium prüft, Grüne skeptisch

Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums erklärte auf WDR-Anfrage, der Gesetzentwurf des Bundes werde noch geprüft - etwa auf mögliche Auswirkungen auf die Polizei.

Yazgülü Zeybek, Co-Landesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen NRW

Grünen-Co-Landeschefin Zeybek

Skeptisch äußerte sich die Landesvorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Yazgülü Zeybek, zu den Plänen der Bundesregierung (an der ihre Partei beteiligt ist). Den Kommunen würden schärfere Abschieberegeln kaum weiterhelfen. "Die Maßnahmen zur Rückführung sind wirkungslos, solange Herkunftsländer sich weigern, Abgeschobene aufzunehmen. Wir brauchen deshalb endlich faire und sichere Rückführungsabkommen." Zudem betonte die Grünen-Politikerin: "Die meisten Menschen, die hierher kommen, fliehen vor Krieg und Terror und haben einen Anspruch auf Schutz."

Wie viele Menschen wurden bislang abgeschoben?

Im ersten Halbjahr 2023 gab es 279.098 Ausreisepflichtige in Deutschland - davon hatten 224.768 laut Bundesregierung eine Duldung zum Verbleib. Eine Abschiebung war also nur in einem von fünf Fällen möglich.

Bleiben können Betroffene nur dann, wenn die Sicherheitslage im Herkunftsland schlecht ist, Kinder eine Aufenthaltserlaubnis haben oder eine Berufsausbildung ansteht. Fehlende Pass- und Reisedokumente können eine Abschiebung verhindern.

Von den 54.330 möglichen Abschiebungen habe man 7.861 durchgeführt - das sind 27 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 2022 wurden 23.377 geplante Abschiebungen abgebrochen - aus medizinischen Gründe oder wegen kurzfristiger Streichungen von Abschiebeflügen. In knapp 7.000 Fällen habe man Ausreisepflichtige nicht auffinden können.

Knackpunkt bleiben aufnahmebereite Herkunftsländer

Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Bundesregierung

Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Bundesregierung

Der Gesetzesentwurf muss zunächst durch den Bundestag. Ob die neuen Befugnisse aber Abschiebungen beschleunigen oder ihre Zahl erhöhen, wird wohl auch von den Erfolgen von Joachim Stamp abhängen. Der FDP-Politiker war von 2017 bis Juni 2022 Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW und ist jetzt Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung - sein Auftrag: Migrationsabkommen mit Ländern abzuschließen.

Bei Ländern wie Syrien und Afghanistan, wo die mit Abstand meisten Flüchtlinge herkommen, ist das schwierig. Gespräche führt Stamp derzeit nach Angaben aus dem Innenministerium mit Georgien, Moldau, Kenia, Kolumbien, Usbekistan und Kirgistan - Länder, aus denen bis August 12.000 der mehr als 220.000 Asylbewerber kamen.

Bisherigen Abkommen mangelt es an Praxistauglichkeit

Entscheidend ist laut Stamp die Praxistauglichkeit künftiger Abkommen. Es existieren bereits viele Rückführungsabkommen, an die sich die Länder aber nicht hielten. Migrationsforscher Gerald Knaus sprach in diesem Zusammenhang bereits im Frühjahr von der "größten Herausforderung für die deutsche Diplomatie". Man müsse dafür sorgen, dass die Herkunftsländer ein Interesse an der Einhaltung solcher Abkommen hätten - und schlug Visa-Erleichterungen oder Stipendien für Studierende an deutschen Unis vor.

Migrationsforscher empfiehlt Partnerschaften mit Herkunftsländern

Gerald Knaus, österreichischer Soziologe, Migrationsforscher und Gründer der Berliner Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative".

Migrationsforscher Gerald Knaus

Knaus betont, wie wichtig es ist, dass sich künftig weniger Menschen, die keinen Schutz brauchen, auf den Weg nach Europa machten. Dafür seien Migrationspartnerschaften der Bundesregierung mit Ländern wie dem Irak oder Nigeria nötig. Wichtig sei, dass die Ampel-Koalition bis Jahresende Beschlüsse zur Eindämmung der irregulären Migration fasse, die dann 2024 tatsächlich zu einem Rückgang führen.

"Man redet viel über Migration, man klagt viel, aber dann ändert sich nichts", sagt der gebürtige Österreicher, der in Berlin die Denkfabrik European Stability Initiative (ESI) leitet. Wäre dies in Deutschland bis zur Europawahl im Juni 2024 auch so, wäre das politisch fatal, sagte der Soziologe. In Österreich habe die FPÖ davon profitiert, in Deutschland könnte es die AfD sein.

Schneller abschieben? Faesers Pläne und die Reaktion

WDR 5 Mittagsecho 25.10.2023 12:41 Min. Verfügbar bis 24.10.2024 WDR 5


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