Buchcover: "Der Ernst des Lebens" von Ulrich Peltzer

"Der Ernst des Lebens" von Ulrich Peltzer

Stand: 13.03.2024, 12:00 Uhr

Vom Spielsüchtigen zum Vermögensverwalter: In seinem neuen Roman erzählt Ulrich Peltzer von einem Mann, der durchs Leben driftet, ohne jemals wirklich anzukommen. Eine Rezension von Dirk Hohnsträter.

Ulrich Peltzer: Der Ernst des Lebens
S. Fischer Verlage, 2024.
304 Seiten, 24 Euro.

"Der Ernst des Lebens" von Ulrich Peltzer

Lesestoff – neue Bücher 13.03.2024 04:50 Min. Verfügbar bis 13.03.2025 WDR Online Von Dirk Hohnsträter


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Späte 90er, Berlin, und frühe Nullerjahre, Köln. Ein Mann auf der Suche nach Geld und Leben: darum geht es, knapp zusammengefasst, in Ulrich Peltzers neuem Roman. Erzählt wird, wie so oft bei diesem Autor, aus der Perspektive des Protagonisten. Er heißt Bruno van Gelderen und stammt von einem Bauernhof am Niederrhein. Als das Buch beginnt, ist er Chief Financial Officer bei einer Investmentfirma. Mit wenigen Strichen zeichnet Peltzer die Welt, in der sich sein Held bewegt:

"Man versteht ziemlich schnell, wie das funktioniert, wie man Vertrauen aufbaut, ein unverfänglicher Scherz, ein kleines Kompliment, Zuhören können. Nur eins darf man auf keinen Fall: durchscheinen lassen, man wüsste, warum sie gekommen sind [...]. Hier bei uns, bei Merkur-Invest, geht es um Business Opportunities und nicht darum, Geld am Fiskus vorbeizuschleusen."

Die nüchterne Weltsicht von Peltzers Protagonisten spiegelt sich in einer knappen, schnörkellosen Erzählweise. Für van Gelderen ist die Kirche ein Geschäftsmodell und die Zeit, die er vor seiner Karriere im Gefängnis verbringen musste, vor allem ein finanzieller Verlust. Süchtig nach Alkohol, Drogen und den kurzfristigen Kicks des Glückspiels, hatte er sich das nötige Geld durch Überfälle besorgt. Er war am Ende:

"Wann es umgeschlagen ist, könnte ich nicht sagen, der Tag, die Woche, als der Drang zu spielen übermächtig wurde, das alltägliche Leben überlagert hat, und es bloß noch darum ging, sich vor einen Automaten zu setzen. Das unvergleichliche Glücksgefühl, wenn man eine Serie hat, die totale Leere, wenn die letzte Münze im Apparat verschwunden ist."

Das Rumrechnen der Eltern, deren Bauernhof trotz harter Arbeit nicht genug abwarf. Die Unzufriedenheit, die sich in ein zwar erfolgreiches, aber allzu geregeltes Leben einschleicht. Die Kümmerlichkeit planlosen Herumdriftens in der Stadt; Peltzer spielt in diesem Roman viele Möglichkeiten durch, und keine behagt seinem Helden. Bis er nach Absturz und Haft lernt, wie man wirklich an Geld herankommt:

"So fing es an, fünf, sechs Jahre her, in denen ich was gelernt habe. Ja, auch einiges verdient, aber das hängt zusammen. Wie viel einsames Kapital in der Welt ist, das Anschluss sucht, reich ihm freundlich die Hand, und es folgt dir willig. Normale Menschen haben keine Idee davon, hatte ich auch nicht, was Wohlstand bedeutet, und damit sind nicht Milliarden gemeint [...], sondern die, nennen wir's unbefragte Selbstverständlichkeit, dass es einem glänzend geht."

Es ist ein urbaner Sound, in dem hier erzählt wird. Mit lässiger Beiläufigkeit denkt dieses Buch nach über das Geld, das Leben, und wie beides zusammenhängt. Was Peltzers Held eigentlich sucht, ist nicht finanzieller Erfolg, sondern einen Fixpunkt jenseits von Selbsttäuschungen und Halbheiten, etwas, das Ruhe reinbringt in sein von Zufällen und Gelegenheiten geprägtes Leben:

"Man stolpert irgendwo rein, und dann ist es doch nicht so übel. Kein Traum, aber auch keine Qual. Wahrscheinlich verbringt die Mehrzahl von uns so ihre Zeit, behilft sich mit Einkäufen und Urlaubsreisen, was weiß ich. Und dann ist es aus, und man hat sein ganzes Leben halb-halb verbracht, wie ein leidlich gepflegter Gummibaum. Immerhin nicht eingegangen und auf dem Kompost entsorgt. Hat jeder mit sich selbst auszumachen."

Ulrich Peltzers fein beobachtender, rhythmisch verschachtelter Roman hält sich gar nicht erst damit auf, Illusionen platzen zu lassen. Sein dahintreibender Held macht sich nichts vor, steht immer wieder auf, findet sich zurecht. Ist das schon alles, was vom Leben zu erwarten ist? Peltzer widersteht der Versuchung, einen Unterton von enttäuschtem Idealismus in seinen Text einzubauen. Genau das macht ihn so stark:

"Wo man hingehört, mit wem, welche Interessen man wirklich hat. Bin immer noch dabei, das rauszufinden, ist nicht einfach. Wenigstens habe ich ein Polster, das zwar nicht für die Ewigkeit reicht, aber ein paar Jahre sicher noch. Irgendwas wird mir schon einfallen."