"Ein Sohn von zwei Müttern" von Franz Dobler
Stand: 20.02.2024, 12:00 Uhr
Ein Geheimnis hat Franz Dobler nie daraus gemacht, aber jetzt erstmals ein Thema: Er ist Adoptivkind. In "Ein Sohn von zwei Müttern" erzählt der Augsburger Schriftsteller die Geschichte dazu in Form eines Romans. Eine Rezension von Udo Feist.
Franz Dobler: Ein Sohn von zwei Müttern
Tropen, 2024.
224 Seiten, 22 Euro.
Franz Dobler aus Augsburg ist Autor, DJ und Musikkenner. Seine Johnny Cash-Biographie "The Beast in Me" ist Legende, und seine Country-Kolumnen "Auf des toten Mannes Kiste" sind es ebenfalls. Krimis hat er auch geschrieben. Zwei bekamen Preise.
In diesem Jahr wird er 65. Für Dobler offenbar endlich an der Zeit, über seine Adoption zu schreiben. Ein Geheimnis hat er daraus nie gemacht, bis jetzt allerdings auch kein Buch.
"Keine einfache Geschichte, deswegen wollte er nie darüber schreiben. Was für anscheinend immer mehr Autor:innen das höchste der Gefühle war – das eigene Leben bis zum skandalösen Krümel Gras in Opas Nachtkasten zu erforschen -, langweilte ihn. Dummerweise hatte er über die Jahre einen Berg Notizen gesammelt, der mit seiner Adoption zu tun hatte und von dem er eines Tages das dumme Gefühl hatte, ihn aus dem Weg räumen zu müssen."
Er nennt die Geschichte denn auch Roman, geschrieben in der dritten Person. Das schafft Abstand. Dass sein Held ihm nahe steht, ist trotzdem klar: Der Provinzjunge aus Oberbayern wird Autor, genauso einer wie Dobler.
Die Erzählung seines Lebens beginnt mit einem Flug zur leiblichen Mutter nach New York. Da ist der Held schon sechzig und seine Adoptivmutter, die er stets nur Mama nennt, gerade gestorben. Und er ist nervös.
"Das Flugzeug hatte ein Problem: Es würde nie dort ankommen. Mit dem Gefühl, dass es seine letzte wäre, zündete er sich eine Zigarette an. Und hatte sofort ein neues Problem. Einer dieser Typen, die sogar auf dem Flug zur Hölle ihre Stimme erhoben, um die Einhaltung einer unwichtigen Verordnung einzufordern."
Der Protagonist reagiert ruppig: Cowboy-Haltung und klare Prosa im Chandler-Ton sind Doblers Markenzeichen. Er schreibt dennoch mit viel Empathie – besonders für jene, die dem Helden gut getan haben, indem sie keinen Unterschied machten zwischen leiblichem und angenommenem Kind. Für seinen Papa etwa, den er als Patriarchen schildert. Pubertätstypische Konflikte gibt es zwar reichlich, aber:
"Selbst als die Brücke zum Adoptivsohn vollständig unpassierbar geworden war, hatte der Sohn nie einen Zweifel, dass der Papa sofort da wäre, wenn der Sohn um Hilfe rufen würde, auch wenn er die Art der Hilfe natürlich selbst entscheiden würde. Genau der Vater, der den Sohn, der von miesen Drogendealern gefangen gehalten wurde, nur mit einer Axt bewaffnet herausholte."
Auf die Adoptiv-Mama lässt er schon gar nichts kommen. Er kam mit vier Monaten in die Familie. Gezeugt bei einem One-Night-Stand von einem jungen Perser, der verschwand. Die leibliche Mutter gab ihn zur Adoption frei. Ein Freund, der einen Text des gebürtigen Oberbayern in eine Sammlung aufnimmt, benennt seine Identität im Buch einmal so:
"'Du bist doch das beste Beispiel, dass diese Blut-und-Boden-Denke totaler Quatsch ist. Du bist ein Kanake, der kein Kanake ist.' Er fand die Position großartig: ein Kanake, der kein Kanake ist. Er war vierzig, als in der Anthologie erstmals seine unreindeutsche Herkunft genannt wurde."
Ein Hieb gegen jene, die Sauerkraut und Sperma zu völkischer Identität verrühren. Für Dobler merklich ein Anliegen. Er hält den Roman dagegen: Herkunft spielt keine Rolle. Der Held wächst geborgen in einer Eisenbahnersiedlung auf, mit Eltern, die für ihn da sind. So, wie das sein soll. Dass die von langen Haaren oder dem Faible für Punk, Jazz und Literatur irritiert sind, haben andere Eltern auch erlebt.
Dobler erzählt angenehm pathosfrei in Einzelepisoden und auch mit Grübeleien, wie der Held zu dem wurde, der er nun ist: ein eigenwilliger und engagierter, höchst anregender Zeitgenosse, mit dem man sofort ein Bier trinken würde.
Franz Doblers "Ein Sohn von zwei Müttern" ist eine Geschichte darüber, dass es darauf ankommt, wie man miteinander umgeht. Auf dem Flug nach New York spricht die Frau des nervösen Helden mit dem darüber:
"Aus dieser Geschichte willst du nie ein Buch machen, hast du immer gesagt. [...] Und bin dann doch irgendwie reingeraten. Man geht nur einen Schritt in dieses Haus rein, will nur schnell einen Blick reinwerfen, die Tür fällt zu, und du kommst nicht mehr raus. [...] Und genauer gesagt war es was? [...] Man wird alt."
Gut, dass – und wie Franz Dobler sie jetzt aufgeschrieben hat. Ein Lebens-Roman mit viel bundesrepublikanischem Zeitkolorit aus den 60er, vor allem aber aus den 70er und 80er Jahren, der einen richtig mitreißt. So landet man beim Lesen denn auch schnell beim Nachdenken über das eigene Leben und die eigene Identität.