Buchcover: "Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris" von Georg Ringsgwandl

"Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris" von Georg Ringsgwandl

Stand: 13.07.2023, 19:50 Uhr

"Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris" ist der erste Roman vom bayerischen Musiker, Kabarettisten und Theatermacher Georg Ringsgwandl. Er verbindet rasant fiktional Indiskretes mit Autobiographie - ein Buch über den Rock’n‘Roll und das Leben, knackig und tiefsinnig zugleich. Eine Rezension von Udo Feist.

Georg Ringsgwandl: Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris
Roman, dtv

"Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris" von Georg Ringsgwandl

Lesestoff – neue Bücher 20.07.2023 05:22 Min. Verfügbar bis 19.07.2024 WDR Online Von Udo Feist


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Georg Ringsgwandl singt bissig-heitere Songs

So haben wir Georg Ringsgwandl aus Bad Reichenhall Ende der 80er Jahre schätzen gelernt. In neon-schrillen Outfits und mit ins Exaltierte getriebener Karl Valentin-Bühnenpräsenz nahm er in seinen Songs bissig-heiter nicht bloß Starkonzerte und den Durchschnittsmenschen, sondern vieles mehr und stets auch sich selbst auf die Hörner.

Diesseits der saturierte Liedermacher- und Protestrockszene à la BAP und Konstantin Wecker waren das erfrischend andere Töne. Wenig später stand Ringsgwandl selbst auf großen Bühnen - und lieferte zudem gefeierte, erfolgreiche Theaterarbeiten ab.

Ein Buch über seine ersten Künstler-Jahrzehnte

Auch davon erzählen "Die unvollständigen Aufzeichnungen", die zwar als Roman daherkommen, aber vor allem ein Buch über seine ersten Künstler-Jahrzehnte sind, in denen er anfangs noch als Kardiologe parallel im Krankenhaus arbeitete.

"Kurz vor acht setzt mich R an der Schule ab und zehn Minuten später geht er im weißen Kittel auf die Intensivstation. Die Kollegen beobachten ihn argwöhnisch, weil sie wissen, dass er am Abend einen Auftritt in München hatte. Als Oberarzt darf er sich keinen Schnitzer leiten, nicht den geringsten. Ich prüfe seinen Kopf zwar immer, aber manchmal hat er trotzdem noch ein paar Körnchen Diskoglitzer in den Haaren."

Zu den Ringsgwandls kam Doris mit zehn als Babysitterin

Notiert Ich-Erzählerin Doris, da bereits als Tourbegleiterin. Zu den Ringsgwandls kam sie mit zehn als Babysitterin. Und mit zwölf verkauft sie bei Auftritten schon die Platten, sie macht das "Merch" - das Merchandising, und wird über die Jahre zur engen Weggefährtin. Am Ende, da ist sie schon eine nicht mehr ganz junge Frau, machen sie einen Schweiz-Trip, bei dem sie sich für einige Stunden trennen. Doris hält danach fest:

"Neben mir auf dem Beifahrersitz ist Georg eingeschlafen. Ein Kompliment. Er fühlt sich mit mir am Steuer sicher. Oder hat ihn seine klandestine Unternehmung so mitgenommen, dass er kein Auge mehr offen halten kann? Das alte Rätsel. Du warst 20 Jahre mit jemand unterwegs, hast seine jämmerlichen, verzweifelten Momente genauso erlebt wie die glänzenden, und kennst doch nur seine äußere Schicht."

Ist Doris erfunden?

Ringsgwandl schreibt im Nachwort, er sei nur Herausgeber ihrer beim Aufräumen gefundenen Aufzeichnungen. Gekürzt habe er vor allem Kritisches. Doch das ist eine Finte: Es ist sein Roman - und darum ist vielleicht auch die Doris erfunden, die er über sich erzählen lässt. Das spiegelt Abstand vor, versteckt aber nichts. Mit dem aus Interviews und Reportagen Bekannten stimmt alles überein und geht zudem teils drastisch darüber hinaus.

"Steht in keinem Feuilleton und keinem Fanmagazin, dass der Frontmann nach einem langen Tag mit Autofahrten, Soundcheck und Auftritt nach Mitternacht eine Kloschüssel ausräumen muss, die sein heroinsüchtiger Bassist nach zehn Tagen entzugsbedingter Verstopfung mit steinhartem Kot zugeschissen hat. – Tja, meinte Georg, ein munterer Freund, den du dir da ausgesucht hast."

Unterhaltsame Tourprosa

Doris' "Aufzeichnungen" sind ein Reigen von Fragmenten, der unterhaltsam Tourprosa, das Coming of Age der Chronistin, Rock’n’Roll- und Kulturwelt-Anekdoten mit tiefer Ringsgwandl-Selbstbetrachtung verquickt. Temporeich, fiktional indiskret, aber zugleich fesselnd wahrhaftig.

"Tourschlampe" nennen Doris abwertend Männer

"Tourschlampe" nennen Doris abwertend Männer. Sie beschließt, es als Kampfnamen zu nehmen, und geht ihren eignen Weg. Im Roman jedenfalls, in dem der Autor aus ihrer Warte auch über seine Haltung schreibt.

"Abgesehen davon, dass er Herzspezialist ist und kein Orthopäde, weiß man bei ihm nie, ob es Ernst ist oder ein verdrehter Scherz. Lächerliche Dinge ernst und ernste komisch nehmen ist sein Lieblingssport."

Für Ringsgwandl-Fans ist das Buch ein Muss. Und bisher von ihm Unbeleckte könnten dadurch welche werden.