Eine Flussmündung, im Vordergrund laufen zwei Röhren über das Wasser, im Hintergrund ein Kraftwerk

Die Emscher – Das blaue Wunder

Stand: 22.04.2021, 11:26 Uhr

Noch vor wenigen Jahren wäre das im Revier ein Ding der Unmöglichkeit gewesen: Eine Gemeinde schmückt sich mit dem Namen der Emscher - freiwillig! Denn bis dahin war alles rund um die Emscher verrucht, verboten, verpestet - und der Fluss selbst eine Kloake, gespeist aus den Abwässern des Ruhrgebiets. Etwas muss also geschehen sein mit der "Köttelbecke", wenn sich Holzwickede - im Kreis Unna - seit 2018 stolz "Emscherquellgemeinde" nennt - und auch gleich die Ortsschilder austauscht.

Der Film von Clemens Gersch und Michael Wieseler erzählt, was es heißt, an der Emscher zu leben und zu arbeiten und dabei die Veränderungen unmittelbar mitzuerleben. Sie sind im "tiefsten Haus von Herne" zu Gast, das durch jahrzehntelange Bergsenkungen inzwischen deutlich unter dem Niveau der Emscher steht.  Sie begleiten den Fotografen Henning Maier-Jantzen bei seinen Einsätzen; er hält seit vielen Jahren mit der Kamera fest, wie sich der Fluss verändert hat.

Ein Fluß, links am Ufer Strommasten, rechts der Oberhausener Gasometer

Strom, Wasser, Gas: In Oberhausen fließt die Emscher unmittelbar am ehemaligen Gasometer vorbei.

Sie folgen Fahrradtouristen aus dem Ruhrgebiet zum BernePark, einem ehemaligen Klärwerk, und übernachten dort in einem Hotel aus Abwasserröhren. Sie besuchen Tina Krachten, die Winzerin des ersten Emscher-Rotweins. Weinbau an der Emscher? Auch von diesem "Wunder" erzählt der Film.

Eine Region im Wandel ...

Ein Mann mit Fahhrad steht an einem Fluss

Begeistert: Wasserbau-Ingenieur Joachim Voigt aus Essen staunt über die Veränderungen und mag den Emscherradweg.

Das Ruhrgebiet verändert sich seit dem Wegfall des Steinkohlebergbaus. Und die Emscher ist dabei eines der auffälligsten Zeichen. Eine Verwandlung vom offenen Abwasserkanal  zum sauberen und renaturierten Fluss: mit Auenlandschaften und neuem Leben für Tiere und Pflanzen. Weil das Ruhrgebiet seit dem Ende des Kohleabbaus nicht mehr weiter absackt, kann das Abwasser zwischen Holzwickede und dem Rhein jetzt unterirdisch durch ein riesiges Kanalsystem abfließen – statt oberirdisch als stinkende Kloake.

Abendstimmung, 5 große beleuchtete Betonröhren unter Bäumen

Moderne Romantik: Die ehemalige Kläranlage im Bottroper BernePark ist heute eine touristische Attraktion. In den fünf Betonröhren können Gäste in den Sommermonaten übernachten.

... und ein Fluss verändert sich

Doch dieses Vorhaben umzusetzen war und ist ein Mammutprojekt. Drei Meter hohe Tunnel wurden wie beim U-Bahn-Bau in bis zu 40 Metern Tiefe durchs Ruhrgebiet getrieben. Drei riesige Pumpwerke gleichen dabei das fehlende Gefälle auf der Strecke aus. Zwei moderne Kläranlagen wurden gebaut und Millionen Kubikmeter Erde bewegt. Und zu guter Letzt wird der gesamte Mündungsbereich der Emscher in den Rhein neu gestaltet und dabei mal kurzerhand um Hunderte Meter nach Norden verlegt.

Ein Warnschild mit der Aufschrift Lebensgefahr und einer gezeichneten ertrinkenden Figur steht neben einem Fluss

Tückisch: Etliche Menschen starben durch Unachtsamkeit in den V-förmigen Profilen des ehemaligen Abwasserkanals.

Jetzt steht das Generationenprojekt nach 30 Jahren kurz vor der Vollendung: Gut 400 Kilometer Abwasserkanäle hat die Emschergenossenschaft bauen lassen. Das gesamte Abwassersystem Emscher mitsamt aller Zuflüsse wurde nach und nach unter die Erde gepackt - unsichtbar und geruchsneutral. Oben fließt jetzt nicht mehr Schmutz-, sondern Quell- und Regenwasser. Wo es sich umsetzen ließ, sogar durch renaturierte alte Betten statt durch die schnurgeraden "Beton-Korsette", deren V-Profil jahrzehntelang das Bild der Emscher prägten.

Die alte "Köttelbecke" ist zum Naherholungsgebiet geworden – mit Rad- und Spazierwegen. Und sogar ein "Emscherkunstweg" führt am Fluss entlang.  Die ehemals "schwatte Emscher" hat ganz offensichtlich ein blaues Wunder erlebt. Und Fachleute aus der ganzen Welt pilgern ins Ruhrgebiet, um sich zeigen zu lassen, wie ihre Kollegen das hinbekommen haben.

Ein Film von Clemens Gersch und Michael Wieseler
Redaktion: Monika Pohl und Beate Schlanstein