Zusammenfassung der Wahlarena
Die Runde der Spitzenkandidaten
Stand: 03.05.2012, 12:39 Uhr
Elf Tage vor der Wahl lieferten sich die Spitzenkandidaten der sechs großen Parteien im WDR Fernsehen eine zeitweise hitzige Debatte. 90 Minuten lang stritten sie in der Wahlarena 2012 live über Schulden, Spritpreise und Schulen. Die Sendung hatte knapp eine Million Zuschauer.
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KommentierenSechs Parteien mit guten Aussichten auf einen Wahlerfolg: Das sind sechs Spitzenkandidaten, die in der Halle Kunstwerk in Mönchengladbach darum stritten, den besten Eindruck bei den Wählern zu hinterlassen. Anderthalb Stunden lang stellten sich Hannelore Kraft (SPD), Norbert Röttgen (CDU), Sylvia Löhrmann (Die Grünen), Christian Lindner (FDP), Katharina Schwabedissen (Linke) und Joachim Paul (Piraten) den Fragen der Moderatoren Jörg Schönenborn und Sabine Scholt. In NRW schalteten 760.000 Zuschauer die Sendung ein, bundesweit waren es 930.000.
Spritpreise und Pendlerpauschale
Als Einstieg hatten die Moderatoren ein echtes Aufregerthema gewählt: Die steigenden Benzinpreise. Gelegenheit für Schwabedissen und Paul, sich für den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr stark zu machen - wenn auch zunächst nur versuchsweise, wie der Pirat einschränkte. Der Beschluss der Bundesregierung, eine eigene Meldebehörde zur Kontrolle der Benzinpreise zu schaffen, wurde weniger hart debattiert als die Pendlerpauschale. Die müsse erhöht werden, wenn die Meldebehörde nicht funktioniere, sagte CDU-Spitzenkandidat und Bundesumweltminister Röttgen. Der Bund verdiene über die Mehrwertsteuer an den steigenden Preisen, da dürften die Berufspendler nicht im Regen stehen gelassen werden. Für Löhrmann war das "kein vernünftiger Vorschlag" und auch Kraft war skeptisch: Sie würde den Pendlern gerne mehr Geld geben, wisse aber nicht, "wo wir das hernehmen sollen."
Vom Sparen und Schuldenmachen
Hitziger wurde die Debatte beim Thema Haushalt und Schulden - das Thema, das der rot-grünen Minderheitsregierung das Aus bescherte. Die SPD wolle gar nicht sparen, sagte Röttgen: "Verschuldung ist die Tradition der SPD in Nordrhein-Westfalen". Lindner schlug in die gleiche Kerbe, kritisierte die Verschuldungspolitik der rot-grünen Landesregierung: "Legen Sie die Legende der guten Schulden endlich zu den Akten!" Der Liberale argumentierte, es gebe Einnahmen in Milliardenhöhe, trotzdem würden Milliardenschulden angehäuft. Er forderte den "bescheidenen Staat" - was Kraft gleich mit dem Verweis auf die FDP- "Steuergeschenke für Hoteliers" konterte und ihr den ersten Beifall des Abends einbrachte.
Ob überhaupt Geld eingespart werden könnte, war heftig umstritten und blieb auch unklar. Löhrmann und Kraft verteidigten ihren Etat und wollten von Röttgen wissen, wo er wie angekündigt 1,6 Milliarden einsparen wolle. Röttgen: "Nicht bei Schulen, Kinder und Kultur". Das genügte Löhrmann nicht: "Sie machen hier abstrakte Vorschläge, aber wenn es konkret wird, ducken Sie sich weg."
Millionärs-, Vermögens- und Erbschaftssteuer
Wie mehr Geld in die Staatskasse gespült werden könnte? Dazu haben Linke und Piraten eigene Ideen. Schwabedissen will eine Millionärssteuer, den Spitzensteuersatz anheben und große Erbschaften besteuern: "Wir müssen den Reichen das nehmen, was die Menschen zum Leben brauchen." Ober-Pirat Paul forderte - wie die SPD auch - die Einführung einer Vermögenssteuer: "Deutschland ist Exportweltmeister, aber in Marl streichen die Eltern selbst die Schule an, weil das Geld für die Farbe nicht reicht."
Mindestlohn und "bedingungsloses Grundeinkommen"
Der Mindestlohn, oder, wie die CDU es lieber nennt, die „Lohnuntergrenze“, sorgte auch für Streit. Löhrmann verteidigte ihre Forderung nach einem Stundenlohn von 8,50 Euro, Schwabedissen verlangte 10 Euro ("Das ist bezahlbar"). Röttgen wollte keine feste Summe nennen und Verhandlungen über die Höhe lieber den Tarifpartnern überlassen. Paul hielt den Mindestlohn grundsätzlich für eine Übergangslösung auf dem Weg zum bedingungslosen Grundeinkommen, das Kraft aber vehement ablehnte. Zeit für eine Klärung der ideologischen Unterschiede blieb nicht, wohl aber für einen Seitenhieb Krafts gegen Lindner: "Sie sagen: Sozial ist, was Arbeit schafft. Wir sagen: Sozial ist, was gute Arbeit schafft."
Opernhäuser und Kindergärten
Lindner will auch kein Betreuungsgeld
Große Debatten gab es rund um die Kinderbetreuung. Da ging es zwar auch noch einmal um die "Kita-Pflicht", die die SPD nach Ansicht der CDU gefordert hatte - aber Grünen-Kandidatin Löhrmann nahm Röttgen den Wind aus den Segeln, als sie betonte, niemand wolle die Kinder zwangsweise dahin bringen. Röttgen musste sich auch beim Thema Betreuungsgeld gegen die übrigen in der Runde zur Wehr setzen - und gegen das Studiopublikum, das das Betreuungsgeld in einer Umfrage zuvor zu 76 Prozent abgelehnt hatten. Lindner war sich mit Kraft in vielen Punkten einig, sein Fazit: "Opernhäuser werden auch vom Staat finanziert - und wenn Opern mich nicht interessieren, bekomme ich einen Scheck?" Röttgen konterte mit dem Hinweis, darüber werde gerade erst noch beraten, aber Lindner waren die Lacher sicher.
Schulchaos oder Schulfrieden?
Dafür bekam der FDP-Kandidat Gegenwind, als es um den Schulkonsens ging. Da waren Kraft, Löhrmann und Röttgen voll des Lobes über die erreichte Einigung und dem "Ende jahrzehntelanger Debatten, die nichts bringen". Lindner war dagegen der Meinung, nun werde das Gymnasium peu à peu ausgetrocknet und gegenüber anderen Schulen benachteiligt - was ihm von Löhrmann die spitze Bemerkung eintrug, dem Gymnasium habe die FDP mit der Einführung von G8 geschadet. Aber auch Schwabedissen sah eher "Schulchaos" statt Schulfrieden, wollte lieber eine Schule für alle. Und die Piraten? Mehr Geld für digitale Medien und weniger Verwaltungsaufgaben für Lehrer: "Das sind 16.000 verschwendete Lehrkräfte im Jahr."
Was wäre, wenn...
Zum Schluss wurde die Koalitionsfrage gestellt. Eindeutige Antworten gab es nicht, nur soviel: Kraft kann sich eine Zusammenarbeit mit den Piraten noch nicht richtig vorstellen. Paul ließ offen, ob er eine Minderheitsregierung stützen würde: "Wir würden gerne auf der Oppositionsbank lernen und thematische Koalitionen eingehen." Lindner ging davon aus, dass es eine große Koalition gibt, wenn die FDP wieder in den Landtag einzieht. Für Kraft stand auf jeden Fall eines fest: "Nicht wieder eine Minderheitsregierung."
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