Analyse des TV-Duells
Für Röttgen hat es nicht gereicht
Stand: 01.05.2012, 00:10 Uhr
Norbert Röttgen (CDU) war motiviert bis in die Haarspitzen. Beim TV-Duell gegen Hannelore Kraft (SPD) versuchte der Herausforderer von Beginn an, die Ministerpräsidentin in die Defensive zu drängen. Es gelang zum Teil, am Ende aber überzog Röttgen. Und Kraft punktete einmal mehr auf der Sympathieebene.
Von Rainer Kellers
Es ist das erste direkte Aufeinandertreffen der beiden Spitzenkandidaten von SPD und CDU in diesem kurzen Wahlkampf. Und für Norbert Röttgen war es womöglich bereits die letzte Chance, die in Umfragen weit enteilte SPD noch einzuholen. Ein klarer Sieg muss her, um die Stimmung im Land doch noch zu drehen. Kein Wunder also, dass der Herausforderer von Beginn an auf Angriff setzt.
Kraft ärgert sich
Die Reihenfolge der Themen spielt ihm dabei in die Karten. Es beginnt mit der Kleinkinderbetreuung. Ein Thema, bei dem die CDU im Bund wegen des Streits um das Betreuungsgeld eigentlich leicht anzugreifen ist. Doch Röttgen weicht auf einen Nebenschauplatz aus, den Kraft ihm erst am Wochenende eröffnet hat. In einem Interview hatte Kraft gesagt, Politik müsse sicherstellen, dass alle Kinder in die Kita gingen. Norbert Röttgen leitet daraus ab, die SPD sei für eine allgemeine Kita-Pflicht. Dem sei nicht so, betont Kraft immer wieder. Doch Röttgen behauptet es weiter, lässt Kraft kaum ausreden. Man sieht es der Ministerpräsidentin an, dass sie sich ärgert.
Der erste Satz geht an Röttgen
Und so geht sie benachteiligt in die Debatte um das gebührenfreie letzte Kindergartenjahr und den schleppenden Ausbau von U3-Plätzen. Es ist ein unvermutetes Bild. Röttgen, der Analytiker, der sonst immer erst nachdenkt, bevor er etwas sagt, greift an. Er ist gut vorbereitet, wirft mit Zahlen um sich, unterbricht seine Kontrahentin oft, hat einen deutlich höheren Redeanteil. Kraft hingegen kommt aus der Defensive kaum heraus. Röttgen wirft der SPD vor, das Land beim Ausbau der U3-Plätze auf den letzten Platz bundesweit geführt zu haben. Und das kostenlose Kita-Jahr helfe vor allem wohlhabenden Familien. Letzteres bestreitet Kraft. Die Schuld am langsamen Ausbau der U3-Plätze gibt sie den Kommunen und der Vorgängerregierung. Wirklich überzeugend ist das nicht. Und als Kraft endlich selbst in die Offensive geht und das Betreuungsgeld als "reinen Wahnsinn" bezeichnet, überrascht Röttgen mit dem Satz: "Es ist in der Union noch nichts entschieden." Thema pariert. Der erste Satz geht eindeutig an Röttgen.
Bei den Finanzen will die Union punkten
Röttgen war angriffslustig
Auch beim zweiten großen Themenblock, der Finanzpolitik, macht Kraft zunächst keine allzu gute Figur. Es ist das Thema, das die Union von Anfang an in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gestellt hat. Beim Haushalt ist die Minderheitsregierung gescheitert. Und auf diesem Feld will die CDU Rot-Grün schlagen. Röttgen rechnet genüsslich vor, dass die Regierung trotz Rekordeinnahmen immer noch neue Schulden mache. Er spricht Kraft jeden Willen ab, sparen zu wollen. Und er geißelt ihre präventive Sozialpolitik als Philosophie des Schuldenmachens.
Kraft verteidigt sich, wird forscher. Die Attacken des Herausforderers auf diesem Gebiet waren erwartbar, und so hat sie sich die Gegenargumente zurechtgelegt. Sie spricht von neuen Aufgaben, die Geld kosteten, vom Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das im Land zu Mindereinnahmen geführt habe. Immer wieder verweist sie auf die Vorgängerregierung, die mit noch mehr Schulden geplant und den Kommunen das Geld weggenommen habe. Allmählich findet sie auch zu ihrem Stil zurück, versucht, sich als Kümmererin darzustellen, die gegen Kettenverträge in der Landesverwaltung vorgegangen ist, die kein Kind zurücklassen will, die gezielt in Bildung investiere und mit Augenmaß statt mit dem Rasenmäher spare.
Röttgens Angriffe sind zu penetrant
Röttgen gelingt es zwar immer wieder, mit markigen Sätzen ihre Argumente auszuhebeln, aber er wirkt immer öfter bemüht. Kaum kann er es erwarten, dass er dran ist. Unruhig tritt er von einem Bein aufs andere. Der Schweiß steht ihm auf der Oberlippe. Beinahe jeden Satz der Ministerpräsidentin kommentiert er. Spätestens jetzt überzieht Röttgen. Seine Angriffe sind zu heftig und zu penetrant. Und als es darum geht, wie denn die CDU sparen will, ist Röttgen wenig überzeugend.
Hannelore Kraft hatte Mühe, ins Duell zu finden
Bei der Sozialpolitik, dem nächsten Themenblock, ist Kraft dann in ihrem Element. Hier kann sie die mitfühlende Politikerin sein, einen allgemeinen Mindestlohn fordern, und die Lohnuntergrenze der CDU als "Mogelpackung" geißeln. "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht der Markt", sagt sie. Röttgen kann da nicht wirklich gegenhalten. Überhaupt wirkt er gegen Ende der Debatte zusehends abgekämpft.
Punktsieg beim Schlussstatement
Beim letzten Thema, der Energiepolitik, wartet er mit Detailwissen und Fachkenntnis auf, kritisiert die Haltung der Regierung zum Kraftwerk Datteln und den zögerlichen Ausbau der erneuerbaren Energien im Land. Aber Kraft ist sicherer geworden. Sie hält dagegen, dass es Röttgen als Umweltminister nicht geschafft habe, einen Masterplan für die Energiewende vorzulegen, und nicht verhindert habe, dass die Solarförderung deutlich gekürzt wird.
Beim wichtigen Schlussstatement schließlich gelingt Kraft ein deutlicher Punktsieg. Der mittlerweile ganz verschwitzte Röttgen gibt sich alle Mühe, noch einmal die "Negativbilanz" der Regierung herauszustellen. Doch Kraft wirkt souveräner, menschlicher, sympathischer. Und darauf, das hat der inhaltsleere Wahlkampf bisher gezeigt, kommt es am Ende an. Norbert Röttgen hat sich gut geschlagen. Aber nicht gut genug, um Hannelore Kraft und der SPD noch einmal gefährlich zu werden.