Analyse der Wahlarena

WDR aktuell 03.05.2012 02:13 Min. Verfügbar bis 31.12.2500 WDR

Analyse der Wahlarena

Wenig Kampf in der Arena

Stand: 03.05.2012, 10:47 Uhr

Es gab keine überraschende Koalitionsaussage, keine wirklich neue Position. Und trotzdem ließ die Runde der Spitzenkandidaten bei der Wahlarena einige interessante Schlüsse zu. Wie haben sich die Kandidaten geschlagen? Eine Analyse.

Von Rainer Kellers

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Das Aufeinandertreffen der sechs Spitzenleute der Parteien verlief anders als das Duell zwischen Norbert Röttgen und Hannelore Kraft am Montag (30.04.2012). Während sich die beiden Duellanten nichts schenkten und zum Teil überraschend aggressiv einander beharkten, blieb die Wahlarena weitgehend sachlich. Was unter anderem daran liegen könnte, dass die Umfragen der letzten Tage so aussehen, dass es für keines der möglichen Lager eine sichere Mehrheit gibt. Gut möglich also, dass der Nebenmann, dessen Politik man heute noch geißelt, in zwei Wochen als Koalitionspartner in Frage kommt.

Ein freundlicherer Norbert Röttgen

Besonders auffällig war das bei Norbert Röttgen (CDU). Seine Angriffslust blieb im Vergleich zum Duell deutlich gehemmt – was seinem Auftritt insgesamt aber gut tat. Er wirkte freundlicher, weniger aufgeregt, teilweise auch humorvoll. Als Moderatorin Sabine Scholt ihn mit einem Zahnarzt verglich, der immer nur sage, seine Maßnahmen täten nicht weh, gab Röttgen lächelnd zu, dieses Bild beeindrucke ihn. Er habe selbst Angst vor dem Zahnarzt.

Inhaltlich konnte Röttgen nicht immer überzeugen. Zum Beispiel bei der Frage, warum er als Umweltminister für die Erhöhung der Pendlerpauschale sei ("Die Bürger nicht im Regen stehen lassen") oder warum die CDU das Betreuungsgeld einführen wolle ("echte Wahlfreiheit"). Bei den anderen Themen, Finanzen, Schule, Bildung, lief es besser für ihn. Als die Sprache auf den Schulfrieden kam, ließ er sich kein schlechtes Wort über den Kompromiss entlocken und lobte die Regierung ausdrücklich. Beim Schlussstatement schließlich sagte er, Politik sei bunter geworden, die "Lagersituation" sei zu Ende und deshalb sei es umso wichtiger, eine stabile Regierung zu bilden. Ein Plädoyer für eine Große Koalition? Es klang ein wenig danach.

Kraft attackiert die Piraten

Hannelore Kraft (SPD) zu Gast in der Wahlarena im WDR Fernsehen

Hannelore Kraft

Es versteht sich, dass Hannelore Kraft (SPD) darauf nicht direkt einging und wiederholt ihren Wunsch äußerte, mit den Grünen weiter zu regieren. Sie stand in der Arena neben Sylvia Löhrmann, und es hatte oft den Anschein, dass sie im Geiste gemeinsam stritten. Hin und wieder taten sie das auch ganz praktisch, wenn sie gegen FDP oder CDU austeilten. Kraft war wie immer souverän im Auftritt, konnte aber ihre besondere Stärke, das Menschelnde, nicht so gut ausspielen wie noch im Duell.

Dafür aber hatte sie sich ganz offensichtlich vorgenommen, den Piraten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bei fast jeder Äußerung des Spitzenkandidaten Joachim Paul stellte sie Nachfragen und hatte stets Argumente zur Hand, um die Positionen anzugreifen. Sie hatte sich gut vorbereitet auf den neuen Konkurrenten. Am Ende stellte Kraft fest, eine Koalition mit Piraten komme nicht in Frage. Und die Große Koalition, wenn es für Rot-Grün nicht reicht? Konkretes dazu gab Kraft nicht preis. Allerdings sagte sie, dass sie nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre eine Minderheitsregierung nicht wieder bilden wolle. Und das ist doch schon eine Aussage.

Viel Applaus für Christian Lindner

Norbert Röttgen (CDU) und Christian Lindner (FDP) zu Gast in der Wahlarena im WDR Fernsehen

Christian Lindner

Insbesondere deshalb, weil auch eine Ampelkoalition von keinem der drei Beteiligten ausgeschlossen wurde. Für die FDP und Christian Lindner geht es allerdings am Wahltag vordringlich darum, überhaupt hineinzukommen in den Landtag. Der Auftritt des jungen Spitzenkandidaten hat diesem Ziel zumindest nicht geschadet – eher im Gegenteil. Lindner war souverän, rhetorisch geschickt und meist sehr klar in der Argumentation. Mit am häufigsten bekam er Applaus.

Anfangs sah es so aus, als stelle er sich auf die Seite Norbert Röttgens, dem er bei den Themen Haushalt und Finanzen beisprang und zwischendurch schon mal mit "aber Norbert" unterbrach. Später aber schoss er auch gegen die CDU, besonders beim Schulkompromiss, der, wie Lindner behauptete, die Gymnasien benachteilige, und beim Betreuungsgeld. Seine Prognose für den 13. Mai: Große Koalition unter SPD-Führung und die FDP als Korrektiv in der Opposition.

Eine angriffslustige Sylvia Löhrmann

Sylvia Löhrmann (Grüne) zu Gast in der Wahlarena im WDR Fernsehen

Sylvia Löhrmann

Das würde Sylvia Löhrmann natürlich gar nicht gefallen. Die Grüne Spitzenkandidatin hat im Land mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen. Und kämpferisch versuchte sie, dem entgegenzuwirken. Ziemlich oft unterbrach sie die anderen mit Zwischenrufen und Nachfragen. So warf sie Röttgen vor, lediglich abstrakte Sparziele zu benennen. Wenn er konkret werden solle, ducke er sich weg. Als Grüne litt Löhrmann darunter, dass das Thema Umwelt in der gesamten Diskussion keine Rolle spielte. Und als es um ihr Hauptthema Schule ging, waren sich die Kandidaten mit Ausnahme von Lindner ziemlich einig. Löhrmann musste also mit anderen Mitteln auf sich aufmerksam machen. Das tat sie vor allem mit Angriffslust, insbesondere wenn es gegen ihre neue Konkurrenz, die Piraten, ging.

Zukunftsvisionen vom Oberpiraten

Diese waren erstmals in einem NRW-Wahlkampf bei einer großen Fernsehdiskussion vertreten, und zwar durch Joachim Paul. Er saß ganz außen, hielt sich zurück und sagte nur dann etwas, wenn er gefragt wurde. Vor ihm auf dem Tisch lag ausgedruckt das Wahlprogramm der Piraten. Im Laufe der Diskussion allerdings half es Paul kaum weiter. Den Vorwurf der thematischen Leere konnte Paul nicht wirklich entkräften. Gleich zu Beginn, als es um die Pendlerpauschale ging, hielt ihm Moderator Jörg Schönenborn gleich drei unterschiedliche Positionen der Piraten dazu vor. "Wir befinden uns in der Entwicklung neuer Standpunkte", gab Paul zu.

Keine Antwort hatte der Spitzenpirat auf die wiederholten Fragen, wie die Forderungen seiner Partei finanziert werden könnten. Stattdessen argumentierte er, das Programm seiner Partei sei eine Zukunftsvision und gerade deshalb gut, weil es teuer sei. "Darauf sind wir stolz, denn der Wert eines Produktes wird über den Preis kommuniziert." Die Piraten, sagte Paul später, hätten nicht auf alle Fragen Antworten, aber sie stellten die richtigen Fragen. Die Konkurrenz fühlte sich bestätigt. "Ich kann mir nicht vorstellen, mit Ihnen im Landtag konkrete Politik zu machen", platzte es aus Kraft heraus. Und Koalitionen? "Das Konzept der Koalitionen bedarf eines Updates", sagte Paul. Man werde thematische Koalitionen eingehen. Ob er auch eine Minderheitsregierung tolerieren würde, wollte Paul nicht sagen.

Außenseiterin Katharina Schwabedissen

Bleibt noch die zweite Außenseiterin. Denn auch Katharina Schwabedissen von der Linkspartei saß ganz außen und hatte inhaltlich wenige Anknüpfungspunkte zu den anderen Parteien. Die junge Politikerin schlug sich nicht schlecht, war ruhig und überlegt, ratterte, einmal in Fahrt, These um These herunter. Sie kritisierte die Hartz-Reformen, forderte zehn Euro Mindestlohn und höhere Einnahmen durch eine Umverteilung von oben nach unten. Altbekannte Thesen also. Altbekannt auch die Koalitionsaussage: "Wir sind bereit, Koalitionen zu unterstützen." Ausgeschlossen seien aber FDP und CDU. Rot-rot-grün in NRW? Wahrscheinlich ist das nicht.

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