Nach Massaker von Oradour-sur-Glane
Anklage gegen 88-jährigen Kölner
Stand: 08.01.2014, 17:11 Uhr
Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Mordanklage gegen einen 88 Jahre alten Kölner wegen Beteiligung an dem Massaker von Oradour-sur-Glane erhoben. Der Mann soll im Zweiten Weltkrieg an der Ermordung von 624 Einwohnern beteiligt gewesen sein.
Dem früheren Maschinengewehrschützen wird gemeinschaftlich begangener Mord an 25 Menschen und Beihilfe zum Mord an mehreren hundert Menschen vorgeworfen. Dies teilte das Landgericht Köln am Mittwoch (08.01.2014) mit.
Der Rentner soll Angehöriger der 3. Kompanie des I. Bataillons des SS-Panzergrenadier-Regiments 4 "Der Führer" gewesen sein. Die Tat geschah am 10. Juni 1944. Der Angeklagte war zur Tatzeit 19 Jahre alt. Daher habe eine Strafkammer des Kölner Landgerichts nun als Jugendkammer darüber zu entscheiden, ob das Hauptverfahren eröffnet werde, hieß es. Laut Anklage sollen die Soldaten den Befehl zur Ermordung erhalten haben, um eine vermeintliche Entführung eines Bataillonskommandeurs zu sühnen und die Bevölkerung abzuschrecken. Unter den 624 Getöteten waren 254 Frauen und 207 Kinder.
Ermittlungen gegen sechs weitere Personen
In einer Vernehmung habe der Angeschuldigte eingeräumt, in Oradour gewesen zu sein, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel von der Dortmunder Staatsanwaltschaft. Er habe aber bestritten, an den Tötungshandlungen aktiv beteiligt gewesen zu sein. Nach Brendels Angaben wird derzeit noch gegen weitere fünf Deutsche und einen Österreicher wegen der Beteiligung an dem Massaker ermittelt.
Am Tattag wurde das Dorf zunächst umstellt. Anschließend wurden sämtliche Bewohner auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Männer wurden von den Frauen und Kindern getrennt. Die Männer wurden dann in Gruppen aufgeteilt. Laut Anklage wurden sie von Erschießungskommandos zu vier Scheunen geführt und dort getötet.
25 Männer niedergeschossen?
Dem Beschuldigten wirft die Staatsanwaltschaft vor, gemeinsam mit anderen Kompaniemitgliedern den Tod von 25 Männern verursacht zu haben. So sollen er und ein weiterer Maschinengewehrschütze die Männer in einem Weinlager niedergeschossen haben, bevor die Überlebenden von anderen Soldaten durch Pistolenschüsse und das Inbrandsetzen der Scheune getötet worden seien.
Danach soll der Angeklagte zur Kirche gegangen sein. Darin waren mehrere hundert Frauen und Kinder des Ortes eingesperrt. Angehörige der 3. Kompanie sollen einige von ihnen zunächst mit Sprengstoff, automatischen Waffen und Handgranaten getötet haben. Anschließend wurde die Kirche angezündet. Dadurch sei der Tod der übrigen Frauen und Kinder verursacht worden. Der Angeklagte soll bei ihrer Ermordung geholfen haben, "indem er entweder in Sichtweite der Kirche Absperr- und Bewachungsaufgaben übernahm oder Brennmaterial in die Kirche trug", so das Gericht.
Stasi-Unterlagen führten zum Angeklagten
Dass erst 70 Jahre nach der Tat Anklage erhoben wurde, beruht unter anderem auf einer erneuten Prüfung bereits früher geführter Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Dortmund. Dort ist die sogenannte Zentralstelle im Land NRW für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen angesiedelt. Anlass für die neuen Ermittlungen seit Ende 2011 war laut Brendel eine Veröffentlichung der Stasi-Unterlagenbehörde, in dem ausführlicher über den Fall des Offiziers Heinz Barth berichtet wurde. Er war wegen seiner Beteiligung an dem Massaker 1983 in der DDR zu lebenslanger Haft verurteilt worden.