Zellentrakt JVA Kleve

WDR weist Vorwürfe von Focus Online entschieden zurück

Stand: 04.05.2021, 16:00 Uhr

In einem Artikel vom 03.05.2021 erhebt Focus Online schwere Vorwürfe gegen einen MONITOR-Beitrag aus dem Jahr 2018, die der WDR entschieden zurück weist.

In dem Beitrag geht um den Fall von Amad A., einem syrischen Flüchtling, der im September 2018 nach einem Brand in einer Gefängniszelle in der JVA Kleve verstorben war, wo er unrechtmäßig inhaftiert wurde.

Der Artikel von Focus Online wirft MONITOR vor, mit Hilfe eines Experten den Verdacht genährt zu haben, das Vollzugspersonal habe den Syrer „absichtlich verbrennen lassen“. Im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags habe der Experte zudem gesagt, zu den Äußerungen „gedrängt“ worden zu sein. Die im MONITOR-Beitrag gemachte Aussage habe er erst am Schluss des Interviews gemacht, obwohl er sich eigentlich zum Sachverhalt nicht habe äußern wollen.

Die Vorwürfe sind nachweislich unwahr: Aus dem vorgelagerten Schriftverkehr und dem Interview mit dem Experten selbst geht eindeutig hervor, dass Prof. Verhoff keineswegs zu einer Aussage „gedrängt“ wurde und es im Interview ausschließlich um eine Einordnung zum Fall Amad A. ging. Die im MONITOR-Beitrag verwendete Aussage hatte Prof, Verhoff auch nicht am Schluss gemacht, sondern bereits ganz zu Anfang. Die Redaktion hat dem Autor von Focus Online angeboten, sich das gesamte Interview anzuschauen, um ihm eine sorgfältige und ergebnisoffene Recherche zu ermöglichen. Leider hat der Focus-Autor jedoch davon abgesehen und verbreitet statt dessen eindeutig widerlegbare Behauptungen und Vorwürfe.

An keiner Stelle hat MONITOR – wie von Focus Online behauptet – den Vorwurf erhoben, das Vollzugspersonal der JVA Kleve habe den Syrer „absichtlich oder fahrlässig verbrennen lassen“. Tatsächlich hatte MONITOR Widersprüche in der offiziellen Stellungnahme von Justizministerium und Staatsanwaltschaft aufgedeckt und daraus die Frage abgeleitet, ob man den Brand in der Zelle früher hätte bemerken können. Die MONITOR-Recherchen hatten unter anderem dazu geführt, dass sich der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Brandgutachter später in einem wichtigen Punkt korrigierte.

Wir dokumentieren hier die Anfrage von Focus Online und die Antworten der MONITOR-Redaktion darauf:

Anfrage von Focus Online vom 20.04.2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 6. Dezember 2018 hat "Monitor" in einem Beitrag über den Tod des Syrers Amad A. in der JVA Kleve den Chef des Frankfurter Instituts für Rechtsmedizin, Marcel Verhoff, mit dem Satz zitiert: „Ich würde eher erwarten, dass die Person nach einer Viertelstunde längst bewusstlos ist.“  

Am 13. April 2021 hat sich der Rechtsmediziner Verhoff im Untersuchungsausschuss von diesem Satz distanziert und die Recherche-Methoden der Autoren kritisiert.

Diese Kritik hat er in einem Gespräch mit FOCUS Online nochmals wiederholt.

Hier unsere Fragen dazu:

1. Wie stehen sie zu dem Vorwurf des unseriösen Journalismus?
2. Laut Verhoff wollte er keinen Kommentar zu dem Fall JVA Kleve abgeben, er sei aber durch die Monitor-Reporterin vorgeführt worden, was sagen Sie dazu ?
3. Auch will der Institutsleiter zu einer Falschaussage verleitet worden sein, ihr Kommentar?
4. Seine damalige getroffene Aussage zum Brandtod des Amad A. hält Verhoff heute für falsch, werden sie dies im Beitrag ändern?
5. Trifft es zu, dass Sie Herrn Professor Verhoff nicht das Brandgutachten des Sachverständigen Schweers vor gelegt haben ?

Für eine Antwort bis Donnerstag wäre ich Ihnen sehr verbunden.
Beste Grüße
Axel Spilcker
FOCUS-Online-Reporter

MONITOR-Antwort vom 22.04.2021

Sehr geehrter Herr Spilcker,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir gerne ausführlich beantworten. Dazu eine Vorbemerkung, die Sie bitte als Teil unserer Antwort verstehen und in Ihrem Bericht berücksichtigen.

Ihre Anfrage gibt die Aussage von Herrn Prof. Verhoff in unserem Beitrag unvollständig wieder. Wir fordern Sie auf, diese Aussage in Ihrer Berichterstattung vollständig zu zitieren, da sich daraus ein anderer Sachzusammenhang erschließt, der einen Teil Ihrer Fragen obsolet macht. Die vollständige Aussage lautet: „Bei einem derart starken Brand, wie das da beschrieben ist, dass die Person dann nach einer Viertelstunde noch so weit handlungsfähig war, halte ich für sehr schwer nachvollziehbar. Ich würde eher erwarten, dass die Person dann längst bewusstlos ist.“

1. Wie stehen sie zu dem Vorwurf des unseriösen Journalismus?

Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage. Wir stehen vollumfänglich zu unserer Berichterstattung im Fall des zu Unrecht inhaftierten und unter ungeklärten Umständen gestorbenen Amad A.

2. Laut Verhoff wollte er keinen Kommentar zu dem Fall JVA Kleve abgeben, er sei aber durch die Monitor-Reporterin vorgeführt worden, was sagen Sie dazu?
3. Auch will der Institutsleiter zu einer Falschaussage verleitet worden sein, ihr Kommentar?

Ihre Vorwürfe sind sachlich falsch: Herr Prof. Verhoff wirft uns weder vor, dass er “vorgeführt” worden sei, noch dass er “zu einer Falschaussage verleitet worden” sei, dies hat er nach eigener Aussage auch nicht geäußert, wie er uns gegenüber diese Woche ausdrücklich bestätigt hat.

Darüber hinaus wusste Herr Prof. Verhoff sehr genau, dass es im Interview ausschließlich um eine Einordnung der seinerzeit öffentlich bekannten Informationen zum Fall Amad A. ging. Dies geht zweifelsfrei aus dem Mitschnitt des Interviews sowie aus dem Mailverkehr hervor, den wir mit Herrn Prof. Verhoff im Vorfeld zum Interview geführt haben. Wir hatten darin um eine rechtsmedizinische Einschätzung zu dem Fall gebeten und ihm dazu u.a. die offiziellen Berichte des Justizministeriums NRW zugeschickt.

Die im MONITOR-Beitrag enthaltene Aussage bezieht sich zudem eindeutig auf die damals öffentlich bekannten Informationen zum Brandgeschehen.

Im Interview geht Herr Prof. Verhoff mehrfach explizit auf verschiedene Aspekte der damals öffentlich bekannten Inhalte des Brandgutachtens ein, wie sie seinerzeit vom Justizministerium NRW veröffentlicht worden waren. Gerne bieten wir Ihnen an, sich davon zu überzeugen und sich den Mitschnitt des gesamten Interviews selbst anzuschauen.

4. Seine damalige getroffene Aussage zum Brandtod des Amad A. hält Verhoff heute für falsch, werden sie dies im Beitrag ändern?

Auch dies ist nicht richtig: Herr Prof. Verhoff hält die Aussage inhaltlich nicht für falsch, dies hat er uns auf Nachfrage selbst noch einmal bestätigt. Er hält sie vor dem Hintergrund der HEUTE bekannten Fakten allenfalls für missverständlich und bezieht sich dabei auf spätere Einschätzungen der Gutachter. Zum Zeitpunkt des Interviews lagen uns (und ihm) zentrale Inhalte des Gutachtens vor, so wie sie seinerzeit durch das Justizministerium NRW veröffentlicht worden waren. Das Gutachten wurde nach der Ausstrahlung aber in einem zentralen Punkt nochmal geändert. Hierauf kommet es entscheidend an:

Das Justizministerium NRW hatte am 07. November mit Bezug auf das Brandgutachten mitgeteilt, dass die Verletzungen von Amad A. nur erklärbar seien, wenn er sich “lange Zeit in aufrechter Stellung befunden habe”. Diese Feststellung ist eine entscheidende Grundlage für die im Beitrag gesendete Aussage von Herrn Prof. Verhoff. In Folge unserer Berichterstattung wurde der Staatsanwaltschaft später (im Januar 2019) durch den Brandsachverständigen mitgeteilt, Amad A. könne auch unter einem Tisch gekauert haben. Dass eine solche Position mit den festgestellten Brandverletzungen nicht in Einklang zu bringen ist, hatten die Gutachter allerdings in ihrem ursprünglichen Gutachten selbst festgestellt. Diese spätere Änderung konnte uns und Herrn Prof. Verhoff zum Zeitpunkt des Interviews und der Ausstrahlung des Beitrages noch nicht bekannt sein.

Das Interview gibt den Recherchestand zum damaligen Zeitpunkt wieder. Seitdem hat Herr Prof. Verhoff uns zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass der Bericht eine falsche Aussage enthalte oder er anderweitig Kritik an unserer Berichterstattung geäußert, obwohl wir auch im letzten Jahr mehrfach Kontakt miteinander hatten.

5. Trifft es zu, dass Sie Herrn Professor Verhoff nicht das Brandgutachten des Sachverständigen Schweers vorgelegt haben?

Wir haben Prof. Verhoff offizielle, veröffentliche Berichte des Justizministeriums NRW zugeschickt. Darunter ein Bericht der Staatsanwaltschaft, den das Justizministerium veröffentlichte. Darin sind die wesentlichen Aussagen des Brandgutachtens wiedergegeben. Ausschließlich darauf bezogen sich unsere Fragen an Herrn Prof. Verhoff. Das Brandgutachten selbst wollte die Staatsanwaltschaft uns damals im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen nicht zukommen lassen. Die entscheidende veränderte Einschätzung des Brandgutachters erfolgte zudem, wie beschrieben, erst im Januar 2019 und konnte ihm naturgemäß im November 2018 nicht vorgelegt werden. Die Aussage, wir hätten Herr Prof. Verhoff nicht das Brandgutachten zur Verfügung gestellt, stellt daher eine unzulässige Verkürzung des Sachverhalts dar.

Stellungnahme des WDR zum Focus-Online-Artikel vom 28.01.2020

In einem Artikel erhebt Focus Online am Dienstag (28.01.2020) schwere Vorwürfe gegen MONITOR und das WDR-Magazin Westpol. Diese Vorwürfe weist der WDR entschieden zurück.

Es geht um den Fall von Amad A., einem syrischen Flüchtling, der im September 2018 nach einem Brand in einer Gefängniszelle in der JVA Kleve verstorben war, wo er unrechtmäßig inhaftiert wurde.

Zu den Kernvorwürfen des Artikels nimmt der WDR wie folgt Stellung:

1.) Den Redaktionen wird vorgeworfen, "Verschwörungstheorien" verbreitet zu haben, die mit der "ermittelten Beweislage" nur wenig gemein hätten

Fest steht: Die Redaktionen haben zu diesem Fall seit Oktober 2018 intensiv recherchiert und regelmäßig darüber berichtet. Dabei haben die Redaktionen in erster Linie nicht plausible Darstellungen der Behörden hinterfragt. Im Kern geht es um zwei Punkte:

  • Das Brandgeschehen in der Gefängniszelle
  • Die Ursachen für die unrechtmäßige Inhaftierung des Syrers

Die Recherchen von MONITOR und Westpol haben in beiden Punkten zu neuen Erkenntnissen und damit auch zu neuen Ermittlungen geführt. Sie haben auch für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss neue Fragen aufgeworfen. Dieser ist eingerichtet worden, weil es ernstzunehmende Hinweise darauf gibt, dass im Fall von Amad A. schwerwiegende Fehler bei Behörden passiert sind.

Mit allen Vorwürfen bezüglich der Ermittlungsarbeit oder bezüglich möglicher Fehler in der Justizvollzugsanstalt haben die Redaktionen selbstverständlich immer die zuständigen Behörden konfrontiert. So bekommen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die zuständigen Ministerien immer Gelegenheit zur Stellungnahme.

An keiner Stelle mussten die Redaktionen ihre bisherige Berichterstattung korrigieren. Im Gegenteil: Auch aufgrund der WDR-Berichterstattung mussten sich sowohl das Justiz- als auch das Innenministerium des Landes NRW in den vergangenen Monaten mehrfach in ihrer Darstellung des Falles korrigieren. Die Redaktionen von MONITOR und Westpol hielten und halten es auch weiterhin für ihre journalistische Pflicht, die Aufklärung des Falles Amad A. kritisch zu begleiten.

2.) In dem Bericht von Focus Online wird den WDR-Redaktionen zudem vorgeworfen, einen Zeugen zu Falschaussagen zum Brandgeschehen verleitet zu haben. So heißt es in dem Bericht, dass man dem Zeugen Antworten in den Mund gelegt und "dafür" 300 Euro gezahlt habe.

Die MONITOR-Redaktion weist die Darstellung von Focus Online entschieden zurück und hält an der Berichterstattung zu diesem Fall fest.

Bei der Befragung des Zeugen durch die Polizei hatten die Beamten einen MONITOR-Beitrag falsch zitiert. In dem von MONITOR gesendeten O-Ton sagt der Zeuge, dass ihm in der Freistunde erzählt wurde, dass Amad A. am Fenster gewesen sei und um Hilfe gerufen habe. Von der Polizei und nun von Focus Online wird MONITOR die Aussage unterstellt, der Zeuge habe dies selbst gehört. Dies hat MONITOR allerdings nie berichtet.

Auch in einem anderen Punkt wird der MONITOR-Bericht von den Beamten in der Befragung falsch wiedergegeben.

Erst konfrontiert mit dieser falschen Darstellung des MONITOR-Berichts kommt der Zeuge zu der Aussage, der Bericht entspreche nicht den Tatsachen. Gegenüber MONITOR hat er seine Aussagen nicht revidiert und hat im gesamten Interview auch keine widersprüchlichen Aussagen gemacht. All dies hat die MONITOR-Redaktion Focus Online detailliert dargelegt.

Auch verschweigt Focus Online, dass der Zeuge der MONITOR-Redaktion eine Zusage zum Interview unabhängig von einer Aufwandsentschädigung gegeben hatte. Die Aufwandsentschädigung in Höhe von 300 Euro wurde erst später vereinbart und schließlich gezahlt, weil dem Interviewpartner durch das Treffen mit MONITOR ein Arbeitstag und damit auch Verdienst entgangen ist. Die Aufwandsentschädigung war niemals Bedingung für das Interview. MONITOR bezahlt grundsätzlich keine Honorare für Interviews.

Luftaufnahme JVA Kleve

Luftaufnahme der JVA Kleve

3.) Focus Online bezweifelt die Seriosität der von MONITOR und Westpol hinzugezogenen Experten und nennt sie "ominöse Expertin" und  "TV-Experten"

MONITOR und Westpol haben mit der IT-Expertin Annette Brückner erstmals auf mögliche Fehler und Veränderungen in polizeilichen Datenbanken hingewiesen, die eine wesentliche Ursache für die unrechtmäßige Inhaftierung des Syrers gewesen sein könnten.

Focus Online bezeichnet sie als "ominöse Expertin" und verschweigt, dass Annette Brückner als Beraterin u. a. viele IT-Projekte von unterschiedlichen Polizeibehörden mitgestaltet hat. Sie hat auch ein Gutachten für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags NRW zum Komplex "Datenzusammenführung" erstellt und ist dazu in der vergangenen Woche im Landtag befragt worden. Daraufhin geriet die bisherige Darstellung der Landesregierung ins Wanken. Mehrere Medien hatten darüber berichtet. Diese Zeugin nun als "ominös" zu bezeichnen und dem WDR zu unterstellen, er operiere mit fragwürdigen Experten, ist völlig haltlos.

Ähnliches gilt für den Direktor der Rechtsmedizin Frankfurt, der abwertend als "TV-Experte" bezeichnet wird oder für die von MONITOR und Westpol hinzugezogenen Brandexperten. Die Redaktionen haben sich intensiv mit dem Brandgeschehen auseinander gesetzt und den Sachverhalt von mehreren unabhängigen und renommierten Brandexperten beurteilen lassen. Demnach äußerten die Experten erhebliche Zweifel an der Darstellung der Ermittlungsbehörden.

Der WDR ist irritiert über die Berichterstattung bei Focus Online und weist die Unterstellungen zurück.

Aktualisierung

Zur Berichterstattung von Focus Online am 25. Februar 2020 weist der WDR auf Folgendes hin:

Die MONITOR-Redaktion hat Focus Online vergangene Woche angeboten, sich das gesamte Interview mit Herrn H. von 2018 gemeinsam anzusehen. Auf dieses Angebot hat Focus Online nicht reagiert. Der Reporter von Focus Online hat sich damit dagegen entschieden, sich ein Bild davon zu machen, wie das Interview wirklich abgelaufen ist.

Hier die Anfrage von FOCUS Online und die Antworten von MONITOR:

Anfrage von Focus Online vom 18.02.2020

Fragen an die Redaktion von „Monitor“

  1. In ihrer Stellungnahme vom 28. Januar zum FOCUS Online-Bericht behaupten Sie, das Honorar von 300 Euro für das Interview mit Herrn H. wurde erst später vereinbart und bezahlt. Bei einem Treffen mit Herrn H., hat er uns berichtet, dass man ihm bereits bei der Anbahnung des Interviews eine Aufwandsentschädigung angeboten habe, die sich Zitat: „lohnen würde“. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
  2. Auch hat Herrn H.  bei unserem Besuch in der JVA Bochum berichtet, dass die Monitor-Reporterin ihm direkt nach dem Dreh die 300 Euro in bar in die Hand gedrückt habe. „Ich musste nur noch eine Quittung unterschreiben, und das war’s“. Wie verträgt sich diese Aussage mit ihrer Darstellung in der Stellungnahme?
  3. Herr H. fühlte sich nach eigener Aussage durch die Reporterin bei dem Interview unter Druck gesetzt, sie habe seine Angaben so gedreht, das es passte. So etwa als er sagen sollte, die Tumulte in der JVA Kleve hätten kurz nach 19 Uhr begonnen. „Die Formulierung wurde mir in den Mund gelegt.“ Wie stehen Sie zu dem Vorwurf?
  4. Ferner hat Herr H.  betont, dass er der Reporterin gleich mehrfach gesagt habe, er könne sich zeitlich nicht festlegen, in der Stellungnahme behauptet Monitor genau das Gegenteil, wie kommt es zu dieser Einschätzung ?
  5. Herr H.  wirft Monitor zudem vor, ihn schwer verladen zu haben, auch seien Absprachen nicht eingehalten worden, so etwa jene, ihn im Film unkenntlich zu machen. Auch habe man das Versprechen nicht eingehalten, ihm vor der Austrahlung den Beitrag nochmal zu zeigen.  Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

MONITOR-Antwort vom 19.02.2020:

Sehr geehrter Herr Spilcker,

anbei unsere Antworten auf Ihre neuerlichen Fragen:

Zu 1.) und 2.) MONITOR bleibt bei seiner Darstellung: Die Aufwandsentschädigung wurde Herrn H. erst nach seiner Zusage zum Interview angeboten, nachdem Herr H. uns mitgeteilt hatte, dass ihm aufgrund der kurzfristigen Terminierung ein Verdienstausfall entstehe. Selbstverständlich musste Herr H. den Erhalt dieses Betrags quittieren. Herrn H. wurde nie gesagt, dass sich die Aufwandsentschädigung „lohnen würde“. Das Zitat entspricht nicht den Tatsachen.

Zu 3.) und 4.) Die dort gemachten Aussagen entsprechen nachweislich nicht der Wahrheit. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Aufnahme des Interviews. Weder wurden Herrn H. die Aussage, die Tumulte in der JVA Kleve hätten kurz nach 19:00 Uhr begonnen „in den Mund gelegt“ noch hat er mehrfach gesagt, er könne sich zeitlich nicht festlegen. Den Zeitpunkt 19:00 Uhr hat Herr H. von sich aus genannt und mehrfach wiederholt.

Um Sie davor zu bewahren, falsche Tatsachenbehauptungen zu verbreiten, bieten wir Ihnen an, sich den Mitschnitt des Interviews in den Räumen der MONITOR-Redaktion anzuschauen.

Zu 5.) Auch diese Aussage entspricht nicht den Tatsachen. Herr H. wurde im Beitrag unkenntlich gemacht. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem gesendeten Beitrag. Auch wurde Herrn H. nie versprochen, ihm den Beitrag „nochmal zu zeigen“. Eine solche Zusage macht MONITOR nie, zumal die Berichte erst unmittelbar vor der Ausstrahlung fertiggestellt werden.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Focus Online-Anfrage und MONITOR-Antworten (vom 23.01.2020) im Wortlaut

Die MONITOR-Redaktion hat dem Kollegen von Focus Online ausführlich auf seine Anfrage in der vergangenen Woche geantwortet. Mit vielen Vorwürfen, die jetzt im Beitrag erhoben wurden, hat er den WDR trotzdem noch nicht einmal konfrontiert. Die Anfrage und die Antworten veröffentlichen wir an dieser Stelle:

Sehr geehrter Herr Spilcker,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu unseren Recherchen im Fall Amad A., die wir nachfolgend gerne beantworten. Zur Einordnung dieser Recherchen und des Berichts vom 06.12.2018 ist die damalige Nachrichtenlage zu dem Fall relevant. Die offizielle Verlautbarung der Landesregierung und der Staatsanwaltschaft lautete - mit Hinweis auf die Einschätzung eines Brandgutachters -, dass Amad A. in seiner Zelle kurz nach 19 Uhr ein Feuer entzündet habe und es etwa 15 Minuten bei geschlossenem Fenster gebrannt habe, ohne dass sich Amad A. bemerkbar gemacht habe. Dies sind die zentralen Aussagen, mit denen sich der MONITOR-Bericht am 06.12.2018 auseinandergesetzt hat. Für die Bewertung der Recherchen muss der damalige offizielle Kenntnisstand berücksichtigt werden. Wir sehen auch im Lichte der heutigen Kenntnislage keinen Grund, die damaligen Recherchen anzuzweifeln. Bis heute hat MONITOR keine "Hypothese" aufgestellt, wie der Fall Amad A. "tatsächlich" abgelaufen sein könnte - im Lichte unserer Recherchen hielten wir es jedoch für geboten, die offizielle Darstellung zu dem Fall kritisch zu hinterfragen.

Vor diesem Hintergrund gehen wir auf die Fragen gerne auch im Detail ein:

Focus Online: Sehr geehrte Damen und Herren, zu ihrer Berichterstattung über den Tod des syrischen Staatsangehörigen Amed Amed in einer Zelle der JVA Kleve hätte ich noch ein paar Fragen. In Ihrem Beitrag vom 6.12.2018 kam der ehemalige Mithäftling […] zu Wort. Darin hat er behauptet, dass er an jenem Brandtag im September gegen 19 Uhr die Schreie des syrischen Staatsangehörigen Amed gehört habe. Wie stehen Sie zu seiner Aussage bei Polizei und Staatsanwaltschaft, in der er diese Angaben aus ihrem Beitrag revidiert?

Diese Aussage ist nicht zutreffend. Herr H. hat uns gegenüber nicht behauptet, dass er die Schreie des Amad A. gehört habe. Dies haben wir im Beitrag auch nicht behauptet. In dem von uns gesendeten O-Ton, sagt er, dass ihm in der Freistunde erzählt wurde, dass Amad am Fenster war und um Hilfe gerufen habe. Zitat: "Man hat gerochen, dass es gebrannt hat irgendwo. Gut, die Leute, die natürlich auf dem Flügel waren, die haben das sofort mitbekommen, was da los ist. Es wurde ja auch von einigen Leuten gesehen, dass es da gebrannt hat. Amad wurde ja auch hilfeschreiend am Fenster gesehen. Mir wurde in der Freistunde erzählt, dass Amad am Fenster war, um Hilfe gerufen hat, vor die Tür wohl auch getreten hat." Diese Aussage hat Herr H. nicht revidiert.

Die in der Einstellungsverfügung zitierte Nachfrage der Polizei, nach der Herr H. im Interview mit uns gesagt habe, dass er die Hilferufe von Amad A. selber gehört habe, beruht nicht auf den Aussagen, die er uns gegenüber gemacht hat und auch nicht auf dem von uns ausgestrahlten Bericht vom 06.12.2018. 

In seiner Vernehmung bei der Polizei bestätigte Herr H. im Übrigen, dass er im Gespräch mit unseren Autoren gesagt hatte, "dass es irgendwann gegen 19 Uhr gewesen sein soll". Warum Herr H. später gegenüber der Polizei von 19.30 Uhr spricht entzieht sich unserer Kenntnis. Im Interview mit uns hat Herr H. kein einziges Mal davon gesprochen, dass der "Tumult" um 19.30 angefangen habe. Auf Nachfrage unserer Autorin, warum er glaube, dass der Tumult in der Anstalt um 19 Uhr begonnen habe, sagt er im Interview ausdrücklich, dass der Tumult kurz nach dem Beginn einer Fernsehserie ausgebrochen sei, die um 19 Uhr begonnen habe.

Focus Online: Trifft es zu, dass eine Monitor-Mitarbeiterin ihm falsche Formulierungen in den Mund gelegt hat?

Das trifft nicht zu. Auch hat Herr H. bei Nachfragen zu den Zeitabläufen keine sich widersprechenden Aussagen gemacht.

Focus Online: Trifft es zu, dass Herr H. […] der Reporterin mehrfach gesagt hat, dass er selbst dies nicht gehört, sondern dies nur vom Hörensagen erfahren habe?

Das trifft zu, darum haben wir es auch so berichtet. Der Beitrag beinhaltet diesbezüglich folgenden O-Ton von Herrn H. (siehe oben): "Mir wurde in der Freistunde erzählt, dass Amad am Fenster war, um Hilfe gerufen hat, vor die Tür wohl auch getreten hat."

Focus Online: Wie stehen Sie zu seiner Aussage, dass "diese Sendung nicht den Tatsachen" entspreche?

Diese Aussage teilen wir nicht. Auch können wir uns nicht erklären, wie Herr H. zu einer solchen Aussage kommt. Herr H. hat seine Aussagen uns gegenüber auch auf mehrfache Nachfrage wiederholt. Den Widerspruch im Hinblick auf den Zeitpunkt des Geschehens, der sich aus den Aussagen von Herrn H. gegenüber unseren Autoren und der späteren Polizeivernehmung ergibt, können wir nicht auflösen.

Focus Online: Warum musste Herr H. […] immer wieder verschiedene Sätze ins Mikrofon sprechen?

Herr H. musste nicht "immer wieder verschiedene Sätze ins Mikrofon sprechen". Selbstverständlich haben wir aus Gründen der journalistischen Sorgfalt nachgefragt, als es um die Schilderung der Geschehnisse ging. Gerade weil es eine wichtige Aussage ist, verstehen sich Nachfragen von selbst, um die Schilderung zu präzisieren bzw. auch um mögliche Widersprüche zu klären. Da es sich darüber hinaus um ein Interview fürs Fernsehen handelte und wir die Aussagen von Herrn H. nicht "zusammenschneiden" wollten, wurde er mehrfach gebeten, den Ablauf des Geschehens aus seiner Sicht zusammenhängend darzustellen. Es ergab sich daraus aber kein Widerspruch zwischen verschiedenen Aussagen.

Focus Online: Wieso hat Herr H. […] 300 Euro für das Interview bekommen?

Bei den 300 Euro handelt es sich um eine Aufwandsentschädigung, da Herr H. aufgrund der Terminierung des Interviews einen Verdienstausfall hatte. Die Vereinbarung über die Aufwandsentschädigung erfolgte aber erst, nachdem Herr H. sich für ein Interview bereit erklärt hatte. MONITOR zahlt grundsätzlich keine Honorare für Interviews. Selbstverständlich ersetzen wir aber Kosten, die im Zusammenhang mit Interviews entstehen.