Stich - Ignaz Philipp Semmelweis

Stichtag

13. August 1865 - Ignaz Philipp Semmelweis stirbt in Oberdöbling

Stand: 13.08.2015, 00:00 Uhr

Immer wieder sterben in deutschen Krankenhäusern Menschen an Keimen. Die Dunkelziffer ist groß, das Aufklärungsinteresse niedrig. Dabei könnten viele Todesfälle verhindert werden, wenn Hygienestandards besser eingehalten würden. Wer aber den Finger in die Wunde legt, bekommt oftmals Ärger.

"Der Nestbeschmutzer ist meistens nicht derjenige, der das Nest beschmutzt, sondern der, der auf das beschmutzte Nest zeigt", weiß der Medizinhistoriker Thomas Richter. "Das ist das 'Phänomen Semmelweis'". Denn Ignaz Philipp Semmelweis vertritt schon im 19. Jahrhundert die These, dass ein Arzt für den Tod seines Patienten verantwortlich sein kann. Dafür wird er von den Kollegen geächtet.

"Herzzerreißende Szenen"

Geboren wird Semmelweis 1818 im ungarischen Ofen. Nach einem Medizinstudium promoviert er 1844 in Wien, wo er zwei Jahre später in der Geburtsklinik des Allgemeinen Krankenhauses als Assistenzarzt eine Anstellung bekommt. Es ist eine Klinik für die Ärmsten der Armen.  Die dürfen hier kostenlos niederkommen – vorausgesetzt, sie stimmen zu, sich von Ärzten in der Ausbildung entbinden zu lassen.

Im Krankenhaus beobachtet Semmelweis, dass überdurchschnittlich viele junge Mütter sterben, obwohl sie völlig gesund eingeliefert wurden – ebenso wie ihre Neugeborenen. "Kindbettfieber" lautet damals die Diagnose. Merkwürdigerweise ist die Sterblichkeitsrate auf der benachbarten Station, wo die Patientinnen und ihre Babys von Hebammenschülerinnen betreut werden, ungleich geringer. Als sich dies herumspricht, bricht unter den bei den Assistenzärzten eingelieferten Patientinnen Panik aus. "Herzzerreißende Szenen" habe es gegeben, schreibt Semmelweis, "wenn Individuen kniend und Hände ringend um ihre Wiederentlassung baten".

Den Tod bringen die Ärzte

Täglich obduziert Semmelweis die Leichen -weitaus gewissenhafter als seine Kollegen. Aber er findet keine Lösung. Trotzdem wird er unbequem. Er wird in unbezahlten Zwangsurlaub geschickt. Danach sinken überraschender Weise die Todesfälle.  Als er 1847 zurückkehrt, obduziert er wieder – und das Sterben beginnt von Neuem. Semmelweis kombiniert, dass möglicherweise Leichengift auf die Wöchnerinnen übertragen worden sein könnte. Er verlangt von allen an der Obduktionen Beteiligten, sich die Hände mit einer Chlorkalklösung zu waschen. Bald sinkt die Sterblichkeit auf ein normales Niveau.

Aber Semmelweis hat die Rechnung ohne seine Vorgesetzten gemacht. Die lassen sich nicht gerne von einem Assistenzarzt sagen, welche Hygienevorschriften sie beachten müssen. Semmelweis wird als anmaßender Wichtigtuer beschimpft.  Nach zahlreichen Intrigen muss Semmelweis 1849 endgültig gehen. 1851 wird er Leiter der Geburtshilfeabteilung in Pest, wo er auf dieselben unhygienischen Verhältnisse trifft. Aber er schweigt über seine Erkenntnisse, rund 13 Jahre lang. Warum, ist nicht bekannt.

Tod im Irrenhaus

Dann beginnt Semmelweis plötzlich, seine Gegner öffentlich zu attackieren, um "dem Morden Einhalt zu tun", wie er es nennt. Er benimmt sich dabei seltsam, wird launisch, hat Tobsuchtsanfälle. 1865 locken ihn einige Ärzte unter einem Vorwand nach Wien, wo er ohne Diagnose in die Landesirrenanstalt Döbling eingeliefert wird. Er stirbt am 13. August 1865, zwei Wochen nach seiner Einweisung, mit nur 47 Jahren - und gerät lange Zeit in Vergessenheit. Seine Erkenntnisse zur Hygiene in Krankenhäusern gelten heute als Selbstverständlichkeit.

Stand: 13.08.2015

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