Bogen der Fehmarnsundbrücke vor blauem Himmel

Stichtag

30. April 1963 - Die Fehmarnsundbrücke wird eingeweiht

Kopfschüttelnd stehen die Fehmaraner am Ostseestrand. Von der Brücke, die sie mit dem deutschen Festland verbinden soll, sehen sie zunächst nur einen riesigen, fragil wirkenden Bogen draußen im Meer. "Und doa schö wi rüwer", fragen nicht Wenige skeptisch. Als das Viadukt über den Fehmarnsund aber im April 1963 eingeweiht wird, sind die Insulaner stolz auf "ihre" Brücke, auf die sie lange warten mussten.

Bereits Mitte der 19. Jahrhunderts liegen Pläne vor, die Fähren über den rauen Fehmarnsund durch eine Brücke zu ersetzen. Den ersten Bau beginnen 1941 die Nationalsozialisten, doch wegen des Kriegs gegen Russland werden die Arbeiten bald wieder eingestellt. Über 15 Jahre ruht das Projekt, die Lücke in der "Vogelfluglinie" zu schließen – jener Luftlinie, auf der jedes Jahr Millionen Zugvögel die Insel Fehmarn überfliegen.

Pfeiler in Millionen Jahre altem Lehm

Ingenieure der Oberhausener Gutehoffnungshütte erhalten 1958 den Zuschlag für die Montage des Bauwerks. Auf der vom Kölner Architekten Gerd Lohmer entworfenen Netzwerkbogenbrücke sollen Autos und Eisenbahnen den 1.330 Meter breiten Ostsee-Arm überqueren. Die 250 Meter große Schifffahrtsrinne hat Lohmer der Optik halber nicht mittig, sondern näher zur Insel Fehmarn angelegt. Sie wird überragt von einem 70 Meter hohen Bogen, den die Einheimischen bald "Kleiderbügel" taufen. 96 daran befestigte Stahlseile tragen die Fahrbahn.

Der Ende 1959 begonnene Bau bedeutet für die Monteure Knochenarbeit. Oft weht der Wind mit Stärke 11 und 12. Sieben Pfeiler müssen in den Grund getrieben werden und der besteht aus Millionen Jahre altem Lehm, mal weich und dann wieder steinhart. Zum Ausheben der Fundamente arbeiten die Männer in Senkkästen, die mit Druckluft gefüllt sind, um das Wasser draußen zu halten. Verlassen können sie die Kästen nur langsam, sonst drohen Embolien, die tödliche Taucherkrankheit. Deshalb bleiben die Arbeiter teils bis zu drei Wochen in den Senkkästen.

Sprunghafter wirtschaftlicher Aufschwung

Trotz aller Sicherungsmaßnahmen fordern die Arbeiten viele Verletzte und ein Todesopfer. "Besonders die Jahresanfänge 1962 und 1963 waren von unerhörter Härte", erzählt der Inselchronist Karl-Wilhelm Klahn. "Eisberge trieben durch den Fehmarnsund." Bei Temperaturen bis zu minus 17 Grad müssen die Monteure raus auf die Brücke. Im März 1963 bläst ein derart heftiger Sturm, dass die Fähren nicht mehr auslaufen können. Um Bewohnern das Verlassen der Insel zu ermöglichen, wird die Brücke vorzeitig geöffnet. Etwa 70 Mutige laufen bei Orkanwinden im Slalom an Baumaschinen vorbei Richtung Festland, ein Geländer existiert noch nicht.

Ein kleines Mädchen gibt am 30. April 1963 offiziell den Weg über die Fehmarnsundbrücke frei. Bundesverkehrsminister Seebohm (CDU) spricht zur Einweihung staatstragende Worte. "Die Jugend schneidet das Band durch für die Brücke des Friedens zwischen Deutschland und den nordischen Staaten Europas." Fehmarn-Chronist Klahn sieht die Festland-Verbindung von der praktischen Seite: "Wir nahmen einen sprunghaften wirtschaftlichen Aufschwung." Die Insel wird von Urlaubern überschwemmt und in allen Dörfern bauen Landwirte ihre Höfe zu Ferienwohnungen um. Mancher Insulaner aber bedauert bis heute, dass sein Eiland so plötzlich aus dem Dornröschenschlaf gerissen wurde.

Stand: 30.04.2013

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