Die Staatsführung der Deutschen Demokratischen Republik ist in der Bredouille. Dass die Planwirtschaft im real existierenden Sozialismus nicht funktioniert, kann jeder DDR-Bürger vor der eigenen Haustür sehen. Im Straßenverkehr wird das Einerlei der in Zwickau und Eisenach hergestellten Automobilmarken Trabant und Wartburg höchstens einmal durch einen tschechischen Skoda, einen russischen Moskwitsch oder einen ukrainischen Saporoschez unterbrochen.
Zehn Jahre warten
Ohnehin müssen DDR-Bürger sich sehr gedulden, wenn sie sich mit einem eigenen Wagen durchs Land bewegen wollen. Der 1949 gegründete und von der Sowjetunion gelenkte Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) als wirtschaftlicher Zusammenschluss der sozialistischen und kommunistischen Staaten kommt mit der Produktion nicht nach. Die Wartezeit für ein neues Auto liegt in Ostdeutschland bei mindestens zehn Jahren.
"Einen Trabant bekommt man jetzt schon nach fünf Tagen", lautet denn auch ein beliebter DDR-Witz: "Ein Tag dauert die Bestellung, dann muss man drei Parteitage warten - und am fünften Tag kann man ihn abholen". Dumm nur, dass SED-Parteitage in der Regel nur alle vier Jahre stattfinden.
Ein Planetarium gegen Autos
Um das Stadtbild durch neue Autos aufzulockern, beschließt die DDR-Staatsführung deshalb den Pakt mit dem Klassenfeind. Am 30. November 1977 bestellt sie 10.000 VW Golf in Wolfsburg. Dort hat man durch kleinere Lieferungen nach Jugoslawien und Ungarn schon Erfahrungen mit dem Osthandel sammeln können. Für die eigentliche Produktion einer Bestellung von dieser Größe braucht man ungefähr drei Tage.
Bereits sechs Wochen nach der Bestellung liefert Volkswagen die ersten 200 Fahrzeuge – von den DDR-Medien aus ideologischen Gründen gänzlich unbeachtet. Im Gegenzug schickt die DDR Pressen und Werkzeugmaschinen sowie ein Planetarium nach Wolfsburg.
Zwischen 27.000 und 36.000 Ostmark müssen ganz normale DDR-Bürger mit ordentlichem Sparbuch für die Westfahrzeuge berappen - viel Geld im Vergleich zu einem Trabbi, dessen Listenpreis 7.850 Ostmark beträgt. Wer seinen VW Golf allerdings als Gebrauchtwagen weiterverkauft, macht Gewinn. Die Farben der Autos – "Miamiblau", "Malagarot", "Panamabraun", "Dakotabeige" oder "Manilagrün" – verheißen weite Ferne. Gefahren werden dürfen die Autos trotzdem nur innerhalb der sozialistischen Grenzen.
Stand: 30.11.2012
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