Zwei Prunksärge im Bestattungsmuseum Wien

Stichtag

14. Juni 1967 - Das Wiener Bestattungsmuseum wird eröffnet

"In Wien musst erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang", grantelte einst Helmut Qualtinger. Wie der im November 2011 gestorbene Georg Kreisler ("Der Tod, das muss ein Wiener sein") nahm der schwergewichtige Kabarettist gern den skurrilen Hang der Wiener fürs Morbide aufs Korn. Historische Belege für diese charakteristische Melange aus Lebenslust und Todesseligkeit gibt es seit 45 Jahren im 4. Gemeindebezirk zu bestaunen.

Gewürzt mit schwarzem Humor bietet dort das Bestattungsmuseum Einblick in die Geschichte des Wiener Begräbniswesens. Einst begründet zur Ausbildung angehender Füneberer, wie die Bestatter hier heißen, wurde es am 14. Juni 1967 als städtisches Museum eröffnet. "Hier liegen Sie richtig", begrüßt Kurator Wittigo Keller die Besucher zur Führung durch die Sammlung von gut 1.000 Exponaten. Der launige Willkommensgruß ist wörtlich zu verstehen. Zum  "Probeliegen im Sarg" stehen die Museumsgäste gern bis zu einer Stunde an.

Im Fiaker zum Leichen-Fotograf

Eines der ältesten Schaustücke war nur kurz in Gebrauch. 1754 führt Kaiser Joseph II., ein nüchterner Reformer, als Sparmaßnahme den Klappsarg ein. Der wird über das Grab gestellt, unten geht eine Klappe auf, die Leiche fällt heraus und der Sarg ist bereit zur nächsten Belegung. Die Wiener rebellieren so heftig gegen die unwürdige Rationalisierung, dass der Kaiser den Mehrwegsarg bald wieder ausrangiert. Im 19. Jahrhundert beginnt das neureiche Bürgertum, den Prunk des Habsburger Adels nachzuahmen und inszeniert seine Begräbnisse mit größtmöglichem Pomp, inklusive imitierter Goldkrone auf dem Sarg.

"Daraus entwickelte sich, was wir in Wien eine schöne Leich' nennen", erzählt Wittigo Keller, "also ganz mondäne, außergewöhnliche Begräbniszüge quer durch die Stadt.“ Vor solch opulenten Leichenparaden, zu denen Anwohner ihre Fenster sogar als Logenplätze vermieten, wurde der Verblichene noch fotografisch verewigt. "Die Lebenden setzten sich mit dem Toten gemeinsam in den Fiaker und dann fuhren sie urgemütlich quer durch Wien ins Studio.“ Dort schraubte der Fotograf die Leiche fest, damit sie bei der letzten Aufnahme nicht aus dem Sessel fiel.

Rettungswecker oder Herzstich

Ab 1874 führten die prächtigen Bestattungszüge mit schwarz drapierten Pferden, Musikkapelle und Statisten vor die Stadt zum neu eröffneten Zentralfriedhof. Arme Verstorbene werden später per Sammeltransport in einer Leichen-Trambahn - als Modell im Museum ausgestellt - expediert. Gern zeigt Kurator Keller den "Rettungswecker" zur Befreiung Scheintoter. Dabei führte eine Schnur von der Hand des Toten zu einer Glocke beim Friedhofswärter. Die Erfindung erwies sich aber als wenig sinnvoll. Da sich alle Leichen bei Nachlassen der Totenstarre bewegen, bimmelte die Glocke dauernd. Die Rettung eines tatsächlich lebend Begrabenen wurde dagegen nie registriert.

Wer auf Nummer sicher gehen wollte, verfügte wie Johann Nestroy oder Arthur Schnitzler zu Lebzeiten den postmortalen Herzstich. Davon zeugt im Bestattungsmuseum ein 18 cm langes Messer, das dem Verstorbenen unter amtlicher Aufsicht ins Herz gestoßen wurde. Diese Brachialmethode ist, im Gegensatz zu Leichenzügen quer durch Wien, heute noch gestattet. Auch die schöne Leich' steht bei vielen Wienern noch immer hoch im Kurs – im Prunksarg und sogar nach einer Verbrennung: Als Sonderservice wird die Asche in einer Spezialpresse zum einkarätigen Diamanten veredelt. Kurator Keller dazu im Geiste Qualtingers und Kreislers: "Oma als Piercing im Bauchnabel, echt cool."

Stand:14.06.2012

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Juni 2012 ebenfalls an die Eröffnung des Wiener Bestattungsmuseums. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.